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Konzentration aufs Kulinarische

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Kochkunst und Baukunst? Gastro-Kritiker Jürgen Dollase über den altmodischen Bombast deutscher Sternerestaurants, kurzlebige Einrichtungstrends und gastronomische Zukunftsräume

31.12.20134 Min. Kommentar schreiben
Foto: Peter Schulte für CPA!
Foto: Peter Schulte für CPA!

Interview: Cornelia Dörries

Ohne lange zu überlegen – fällt Ihnen ein ­Lokal ein, das Sie aufgrund seiner räumlichen Gestaltung, der Architektur und seiner Atmosphäre besonders schätzen?

Das „Noma“ in Kopenhagen, geführt von René Redzepi und mit der Architektur vom Büro Space. Man hat das Restaurant gestaltet, als es nur um eine irgendwie geartete „nordische Küche“, „nordisk mad“, gehen sollte. Daher auch der Name „Noma“. Damals konnte keiner ahnen, dass es zu einer der berühmtesten Adressen auf dem Globus werden sollte. Redzepi ist jahrelang zum besten Koch der Welt gewählt worden. Heute wirkt es auch in seiner rauen, einfachen Gestaltung wie ein absichtsvolles Anti-Programm zu den alten Gourmet-Tempel und entspricht damit nahezu perfekt dem kulinarischen Programm des Hauses, das großen Wert auf einfachste regionale Produkte, auf Naturnähe und ökologische Zusammenhänge legt.

 

Was zeichnet Ihrer Meinung nach ein gelungenes Restaurant hinsichtlich seiner Inneneinrichtung aus? Welche Rolle spielen Materialien und Oberflächen, Raumgröße und –aufteilung sowie Licht?

Es geht erst einmal in zwei Richtungen. Wenn man einen speziellen Stil für eine spezielle Zielgruppe will, kann man natürlich machen, was man will. Im Allgemeinen gibt es bislang allerdings noch keine wirkliche ästhetische Verknüpfung zwischen einer guten Küche und einem bestimmten Einrichtungsstil. Man braucht also eigentlich eine gewisse Neutralität, gepaart mit hoher Funktionalität. Es reicht meines Erachtens nicht, einen gewissen Luxus zu bedienen, der nur zu oft ein typischer Neureichen-Luxus ist. Es gibt viele Leute, für die ist beispielsweise die Luxus-Rustikalität einiger deutscher Spitzenrestaurants eine glatte Zumutung. Die können sich dort nur sehr schwer wohlfühlen. Man braucht für die wirklich guten Restaurants eine Konzentration auf das Kulinarische und keine Ausstattungs-Oper. Will man es kommunikativ, darf es hallen und schallen, will man Ruhe, muss es gedämpft sein. Oft ist das Licht zu dunkel, oder man sitzt Rücken an Rücken mit einem heftig parfümierten Menschen und muss sich den ganzen Abend lang das dumme Gerede mancher Gäste anhören. Für mich wäre das Geheimnis die Optik eines Gemeinschaftsraumes mit einer konzentrierten und Konzentration ermöglichenden Funktionalität.

Gibt es auch bei Restaurants die Neigung, bestimmten Einrichtungstrends zu folgen?

Ja, leider folgt man schon wieder modernen Trends, die in wenigen Jahren hoffnungslos „outdated“ aussehen werden. Die Innenarchitektur ist einfach oft zu demonstrativ oder prätentiös für ein Weltklasse-Restaurant. Da fängt der eine Koch mit Philippe Starck oder Andrée Putman an, und das verbreitet sich dann weiter bis in die Provinz und zu den naiven Epigonen. Manchmal sind die Farben geradezu anti-kulinarisch, oft ist es eine Umgebung, in die man sich ansonsten nicht freiwillig begeben würde.

Lassen sich für bestimmte kulinarische Richtungen auch bestimmte Gestaltungs- oder Architekturstile ausmachen? Kann man vielleicht sogar von der Einrichtung mitunter auf das schließen, was auf den Tisch kommt?

Nein, so weit sind wir noch nicht. Die Beziehung Essen – Design ist nach wie vor hochgradig unreflektiert. Man assoziiert damit eher Oberflächenphänomene; ein Lifestyle- und Konsum-Publikum, und weniger das, was ein wirklich sensationelles Restaurantkonzept sein könnte. Dabei sehe ich in diesem Bereich tatsächlich ein riesiges Entwicklungspotenzial. Warum sollte man nicht dem Zusammenhang nachgehen, der sich zwischen Essen und einem bestimmten Licht, visuellen Projektionen oder Musik herstellen lassen könnte?

Gerade im multimedialen Bereich böte sich noch einiges an Möglichkeiten; das könnte vielleicht in Richtung Kino gehen oder die Gestalt von komplexen kulinarischen Zentren annehmen, die einer großen Zahl unterschiedlicher Gäste bisher unbekannte kulinarische Freiheiten in Verbindung mit anderen sinnlichen Erfahrungen ermöglichen. Sieht man sich in der Wirklichkeit um, mangelt es heute einerseits an einem dezenten Luxus, einer ästhetischen Qualität, die der des Essens entspricht. Andererseits fehlt das genaue Gegenteil, also Konzepte, die sehr wenig Geld kosten und den Preis für spannendes, kreatives Essen senken könnten –also Restaurants mit einer geringeren Hemmschwelle. Die alten Gourmet-Tempel mit ihrem schwülstigen Neo-Barock werden zusammen mit ihrem manchmal nicht weniger verkitschten Publikum langsam, aber sicher aussterben.

Was sollte ein Architekt bei der Gestaltung und Einrichtung eines Restaurants Ihrer Meinung nach besonders beherzigen?

Dass er die damit verbundenen Aufgaben nie allein lösen kann.


Cover Buch Geschmacksschule

Gourmet-Fibel:
Jürgen Dollase:  Geschmacksschule.
192 Seiten,  Verlag Tre Torri,
Preis: 69,90 Euro

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