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Konzern-Karrieren

Architekten beim Centerunternehmen ECE reden wenig von Baukultur – aber viel vom Einfluss auf Großprojekte und von persönlichen Chancen.

01.12.20088 Min. Kommentar schreiben
Henning Schröter: von der Hochschule direkt in die Schloss-planung

Roland Stimpel
Im flachen Hamburger Norden ragt das Bürohaus an der Straße Heegbarg weit übers Übliche hinaus. Die neungeschossige Scheibe ist eingeklemmt zwischen Parkpalette und S-Bahn; unten an der Wand stehen groß die Nutzer: „ECE Architekten“. Die brauchen viel eigenen Raum: 260 gelernte Architekten und Innenarchitekten arbeiten für den Immobilienkonzern, der damit auch eine der größten Entwurfs- und Planungsfirmen Deutschlands ist. Und die umstrittenste mit ihren bald hundert Einkaufszentren in ganz Europa. Wie kommen Architekten statt zum eigenen Büro oder zu BRT, HPP, JSK oder RKW zu einem Arbeitgeber wie der ECE Projektmanagement G.m.b.H. & Co. KG? Wie arbeiten sie hier, wie denken sie darüber?

Direkt nach dem Studium hat sich Henning Schröter bei der ECE beworben – auf gut Glück, nicht auf eine angebotene Stelle. „Ich komme aus der Region, und ich fand die Projekte hochinteressant.“ Er suchte das Greifbare. „Im Studium hatte ich eher künstlerisch orientierte Professoren. Da gab es seltsame Aktionen – einer schüttete Mehl im Raum aus; wir Studenten durften dann darüberlaufen.“ Der heute 34-Jährige konzentrierte sich lieber auf Baukonstruktion, lernte aber noch nichts über Einkaufszentren. Den Job bekam er trotzdem – auch wegen seiner norddeutsch-nüchternen Architekturauffassung: „Für mich kommt es vor allem auf die Funktionalität an. Ist die schlecht, hat das Gebäude seine Sinnhaftigkeit verloren.“

Seine neue Firma schickte ihn gleich nach Braunschweig, wo gerade das Einkaufszentrum Schlossarkaden entstand. Ein doppelt umstrittenes Projekt wegen der großen Handelsflächen und wegen der vorgesetzten Fassade des 1960 abgerissenen Braunschweiger Herzogschlosses. Schröter prüfte hier alle Planungsunterlagen, lernte das Wesen des Shoppingcenters kennen und zugleich das der klassizistischen Eierstab-Ornamentleiste. Jetzt hat er sein  erstes eigenes Projekt: Er erweitert das Allee-Center im nordrhein-westfälischen Remscheid um 4000 Quadratmeter – „organisatorisch ziemlich anspruchsvoll, auch weil alles bei laufendem Betrieb geschieht“.

Was denken Exkommilitonen darüber, die anderswo jobben? „Am Anfang haben mich manche gefragt: Was willst du denn da? Aber jetzt fragen sie eher, ob es hier nicht Stellen gibt.“ Raus aus der ECE und rein in ein klassisches Büro will Schröter auf keinen Fall: „Nächtelang durcharbeiten und du kriegst kaum Geld dafür – das kommt für mich nicht infrage.“

Anna-Carin Heidbreder: Wozu ein eigenes Büro? Im Konzern lässt sich mehr gestalten.

Einkaufen muss jeder

Ebenso wenig für die 41-jährige Innenarchitektin Anna-Carin Heidbreder, die schon zehn Jahre dabei ist. Auch sie erinnert sich an ihre „sehr künstlerische Ausbildung. Die Entwürfe waren losgelöst von der Realität, alles im kommerziellen Bereich war eher verpönt.“ Doch sie kam beim Düsseldorfer Büro Schwitzke & Partner unter, das auf Einkaufsarchitektur spezialisiert ist. Bei der ECE bewarb sie sich auf eine Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen. Ihre ersten Erfahrungen und erkennbaren Neigungen passten. Statt einzelner Läden plante sie bald an ganzen Centern. „Da war ich von der Größe und Masse der Aufgaben schon sehr gefordert.“ Derzeit ist sie verantwortlich für Konzept und Ausführung im Inneren des Limbecker-Platz-Komplexes in Essen, mit 70 000 Quadratmetern Deutschlands größtes Innenstadtcenter.

Was prägt ihre Arbeit im Alltag? „Hier planen wir von Anfang an in interdisziplinären Teams. Da sitzen Handels experten, Marketingleute, Controller und Ingenieure drin.“ Das enge aber nicht ein, meint Anna-Carin Heidbreder – ganz im Gegenteil: „Ich empfinde die Planung hier als viel freier als anderswo.

Ich habe keine externen Auftraggeber – die Bauherren sind wir praktischerweise selbst. Da kann ich als Architektin meine Themen auf ganz anderer Ebene diskutieren als bei einem Kunden von draußen.“  Ein eigenes Kleinbüro will sie auch aus einem zweiten Grund nicht: „Wie sollte ich da je an solche Projekte kommen?“ Mit dem umstrittenen Thema Center hat sie keine Probleme: „Am Einkaufen ist ja nichts Schlechtes; das muss jeder tun. Und ich sehe für mich die Verpflichtung, die Einkaufsumwelt gut zu gestalten.“
Schon fast zwanzig ECE-Jahre hat Jost Hering, 59, erlebt. „Leiter Architektur“ steht auf seiner Visitenkarte.

„Seit dem Diplom, das war 1976, habe ich eigentlich immer Konsum architektur gemacht.“ Zur ECE warb ihn ein Headhunter ab. Seine immer wiederkehrende Lieblingsaufgabe: „Mit einem definierten Budget in einem vorgegebenen Zeitraum etwas Gutes zu entwickeln.“ Nicht nur Einkaufszentren: „Wir haben auch schon Schlösser, Kirchen und Konzertsäle gebaut.“ Und er bestätigt gern das Gerücht, dass auch aus prominenten Büros wie gmp Architekten zur ECE gehen. „Schubweise“, sagt Hering und deutet an: „Unsere Gehälter schrecken nicht direkt ab.“

Jost Hering: Seit 32 Jahren Konsumbauten – aber auch Kirchen und Konzertsäle

Zur draußen oft beklagten Qualität seiner Bauten meint der Chefarchitekt: „Die hat sich mit der Zeit sehr entwickelt. Als vor 40 Jahren die ersten deutschen Center entstanden, hat Architektur nicht stattgefunden. Das hat sich geändert, seit wir in den Innenstädten und nicht mehr auf der grünen Wiese bauen.“ Denn in den Citys gehe keine billige Kiste mehr – und meist auch nicht der klassische Einkaufsknochen mit einem dicken Laden an jedem Ende und einer langen, geraden Passage mit kleinen Geschäften dazwischen. „Wir haben immer die gleiche Typologie, aber wir müssen sie jedes Mal variieren.

Je nach der Grundstücksform und nach den Wegebeziehungen ringsum, die wir aufnehmen wollen.“ Jetzt gebe es gekrümmte Knochen, T-Bone-Steaks und demnächst in Essen einen kompletten Ring, angereichert mit vier Plätzen. Und an den Außenseiten gibt es ab und zu Schaufenster. „Ladentüren nicht. Viele Geschäfte haben ein Problem mit zwei Eingängen, an denen sie kassieren und überwachen müssten.“

Den Zielen der Firma verbunden

Auch die Gestaltung werde innen wie außen anspruchsvoller. „Wir bauen in vielen Stadtzentren schließlich das Größte, was dort je entstanden ist. Da haben wir uns in der Qualität entwickelt, weil wir schlicht und einfach müssen.“ Und weil es dem Ziel dient, um das er nicht drumherum redet: „Die Leute sollen bei uns ihr Geld loswerden.“ Vorwürfe wie den von der Austrocknung der Straßen draußen und von der Sprengung altstädtischer Maßstäbe steckt er entspannt weg. „Die Formen des Handels haben sich über die Jahrhunderte immer wieder weiterentwickelt.

Und heute tragen wir der Tatsache Rechnung, dass einzelne Läden viel mehr Fläche brauchen. Ein Buchladen eher 3 000 als 700 Quadratmeter und ein Saturn eben nicht zehnmal 500, sondern geballte 5 000 Quadratmeter.“ Auch bauliche Ewigkeitswerte strebt er nicht an, sondern will „immer auf dem neuesten Stand sein“ – und nichts lange Gültiges schaffen oder gar für den Denkmalschutz arbeiten. „Bis der kommt, haben wir im Inneren schon dreimal alles umgestaltet.“

Er kann auch damit leben, dass im jüngsten ECE-Buch bei seinen Projekten „Architekten der ECE“ steht und nicht Jost Hering. „Hier gibt es keine Einzelkämpfer. Das meist-strapazierte Wort bei uns heißt Team.“ Gelegentlich dürfen auch externe Büros mitmachen, vor allem bei den Fassaden. Hering nennt Auer und Weber in Passau, Grazioli und Muthesius in Braunschweig, Gunter Henn in Essen, Friedrich Spengelin in Hameln und das junge Büro Venneberg und Zech bei der Ernst-August-Galerie in Hannover. Für Fassaden veranstaltet die ECE immer wieder Einladungswettbewerbe, worauf oft die Städte drängen. Normalerweise hält er auf Sparsamkeit; beim Wettbewerb kommt es nicht so darauf an. „Diese Kosten sind doch relativ gering, gemessen an den Gesamtkosten eines Shoppingcenters.“

Die Innengestaltung wird dagegen in hausinternen Workshops entwickelt. Da ist eher Dezenz als Auffälligkeit gefragt. „Die Leute sollen in die Shops gehen und nicht die Mall bewundern. Deren Design ist zur Unterstützung da.“ Hierzu gehört auch die Orientierung. In Centern verirren sich die Leute oft; es fehlen der große Überblick und die markanten Gebäude zur Orientierung. Da müssen am Essener Riesencenter kleine Plätze mit angedeuteten Stadtmotiven herhalten: Rom, Paris, Amsterdam und Essen selbst.

Gracht, Eiffel- und Zechenturm weisen Centerbesuchern den Weg. Das provozierte die jüngste Kritikwelle an der
ECE – wie auch an der Außenfassade des Essener Centers, für die die ECE und Gunter Henn den kühnen Vergleich mit Marilyn Monroes aufgeblasenem Kleid aus dem „Verflixten siebten Jahr“ lanciert hatten. Hering nimmt solche Kritik mit Sarkasmus: „Im nächsten Leben plane ich Atomkraftwerke. Da wird man nicht so geprügelt.“

Heidbreder, Hering und Schröter arbeiten fern der gängigen Architekturdiskussionen und -bestrebungen in Fachblättern und Berufsverbänden, wo Gestaltqualität und Baukultur zentrale Bedeutung haben. Trotz hoher Arbeitsbelastung arbeiten sie auch fern von den Bedingungen in vielen Büros. Sie sind loyale Konzernbeschäftigte und den Ziele der Firma verpflichtet. Dem Leben in der freiberuflichen Wildbahn ziehen sie das Angestelltendasein im Großunternehmen vor: gutes Gehalt, fester Job und Urlaub, keine Sorgen mit Akquisition, Haftpflicht, querulierenden und schleppend zahlenden Bauherren. Und die hoffnungsvollsten Anfänger durchlaufen ein Programm für „Architektur-trainees“.

Foto: ECE
In der Fachwelt sind ECE-Center wie das Ettlinger Tor in Karlsruhe umstritten; Firmenarchitekten können jedoch gut damit leben.

Nicht nur bei der ECE gibt es diese Existenzform für Architekten immer häufiger. Die Projekt- und Immobilien industrie schafft laufend größere, kompliziertere Konglomerate, in die sie auch Entwerfer, Planer und Bauleiter ein bindet. Von solchen Firmen gehen aber meist weniger baukulturelle Impulse aus; eher sehen Architekten und Kritiker draußen deren Bedrohung. Also müssen die Forderungen nach Baukultur von Staat und Stadt, von Bürgergruppen und Berufsverbänden kommen. Damit mehr daraus wird als Forderungen, sind wiederum Architekten in Firmen wie der ECE unentbehrlich – wer sonst soll dort baukulturelle Ansinnen von draußen verstehen und umsetzen?

Die ECE-Leute sind schließlich aufs Thema Einkaufen keineswegs fixiert. Zumindest unsere Gesprächspartner sind keine begeisterten Schaufenster- oder Centerbummler. „Ich kann gar nicht mehr unbeschwert einkaufen“, sagt Anna-Carin Heidbreder. „Überall sehe ich die Schwächen in der Ladengestaltung.“ Und Henning Schröter meidet Läden fastganz. „Einkaufen? Das überlasse ich meiner Frau.“

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