Zugegeben, auf den ersten flüchtigen Blick sieht sie eigentlich langweilig aus: Von der Straße schaut man auf eine lang gezogene Fassade aus altem Beton, schwarzen Stahlprofilen, stumpfen Alurahmen und Glas, einzig der Versatz am Eingang und der dahinter aufragende Mittelteil irritieren die fast ins Monotone gesteigerte Klarheit. Eine Schönheit scheint sie nicht zu sein. Tatsächlich ist die Kunsthochschule Kassel – genauer: Paul Friedrich Posenenskes Nordbau von 1962 – aber eines der schönsten Hochschulgebäude Deutschlands, mindestens!
Gebäude, Campus und Park fließen ineinander
Aber warum? Weil sich dieses Haus nicht entscheiden will, ob es introvertiertes Schloss oder extrovertiertes Kunstkloster sein möchte. Anders als an der Straße winkelt sich der Baukörper zur Karlsaue ab, greift in den Park und macht eine Grenzziehung zwischen Landschaft und Campus unmöglich, beides fließt ineinander. Der Mittelrisalit mit Hörsaal, Mensa und Bibliothek wird von einem Gestell aus Stahlträgern am Ort gehalten und wirkt trotzig unfertig. Auch scheint dieses Haus kein Interesse am Konzept der Trennung von Innen und Außen zu haben. Es gibt einen ständigen Wechsel zwischen Laubengang und Flur, Innenhof und Atelier, und obwohl das Haus eigentlich relativ einfach strukturiert ist, kann man sich hier immer wieder leicht verlaufen. Irgendwie ist das Haus der Kunsthochschule immer am Flimmern, ein räumliches Unschärfeprinzip, was seinen Studierenden und Besucherinnen alles bietet und nichts vorschreibt.
Ich jedenfalls freue mich auf den nächsten Besuch in meiner alten Heimatstadt und auf den Semesterabschluss im Sommer, auf die Partys in den Innenhöfen und den Rundgang, wenn Innauer Matts ergänzender Ausstellungsraum fertig ist und das Ensemble noch besser macht.
Levin Koch, Architekt, Stuttgart
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