Mit mehr als 700 Exponaten von Leihgebern aus ganz Europa präsentiert die Klassik Stiftung Weimar den flämischen Architekten und Designer Henry van de Velde (1863–1957). Die Ausstellung „Leidenschaft, Funktion und Schönheit“ bildet den Höhepunkt des Van-de-Velde-Jahres 2013 und ist bis zum 23. Juni zu sehen. Eine Vielzahl bislang nie gezeigter Stücke aus deutschen und belgischen Privatsammlungen und Museen macht das Schaffen des Alleskünstlers von 1890 bis Ende der 1930er Jahre erstmals in ganzer Breite erlebbar – von seiner frühen Auseinandersetzung mit dem Jugendstil bis zur schlichten Sachlichkeit des Spätwerks.
Gestalter aller Lebensbereiche
Im Mittelpunkt der Schau steht van de Veldes Idee des Gesamtkunstwerks, in dem jedes künstlerische Detail mit seinem Umfeld harmoniert. Van de Velde gestaltete alle Lebensbereiche: den Bau des Hauses, die Gestaltung des Innenraums, Kleidung und Schmuck, die Form von Alltagsgegenständen, vom Leuchtkörper über das Möbelstück bis zum Spazierstock. Besonderes Augenmerk richtet die Ausstellung darauf, einige Interieurs exemplarisch zu rekonstruieren – von der Tapete bis zur Tür. Darüber hinaus zeigt die Ausstellung exemplarische Werke früher Vorbilder van de Veldes wie William Morris oder Christopher Dresser sowie von seinen Zeitgenossen und Konkurrenten aus Belgien wie Gustave Serrurier-Bovy, Victor Horta und Paul Hankar. Zugleich verortet sie van de Veldes Werk im historischen Vergleich mit den damals wichtigsten Zentren der frühen Moderne im deutschsprachigen Raum wie Darmstadt, München und Wien mittels Werken von Richard Riemerschmid, Joseph Maria Olbrich, Koloman Moser oder Josef Hoffmann. Gemälde der Neoimpressionisten Théo van Rysselberghe und Paul Signac ergänzen die Schau.
Zwischen Kunst und Kunsthandwerk
Henry van de Velde kam 1902 als künstlerischer Berater von Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach nach Weimar, wo er die Kunstgewerbeschule gründete und bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs viele seiner wichtigsten Werke schuf – darunter die Innengestaltung des Nietzsche-Archivs und sein Wohnhaus „Hohe Pappeln“. Van de Velde hob die Grenzen zwischen Kunst und Kunsthandwerk auf: Mit der „vernunftgemäßen“ Formgebung des von ihm propagierten „Neuen Stil“ setzte er einen Kontrapunkt zum Historismus. Dabei blieb er seiner Überzeugung treu, die Gestaltung eines Gegenstands sei desto vollkommener, je exakter sie dessen Zweck entspreche. Mit dem Kunstgewerblichen Seminar gelang es dem Flamen, Kunst, Industrie und Handwerk in Praxis und Theorie zu vereinen. Während des Ersten Weltkriegs als „feindlicher Ausländer“ diffamiert, empfahl van de Velde 1915 Walter Gropius als seinen Nachfolger in der Direktion der Kunstgewerbeschule und stellte somit die Weichen für die Gründung des Staatlichen Bauhauses in Weimar 1919.
Weitere Informationen
Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Ebenfalls am Ostermontag, 1. April, Pfingstmontag, 20. Mai und bei der Langen Nacht der Museen am 8. Juni (in diesem Rahmen von 18 bis 24 Uhr geöffnet). Das Kombiticket für die drei Museen Neues Museum Weimar, Haus Hohe Pappeln und Nietzsche-Archiv kostet 9 €. Führungen werden jeden Freitag um 15 und jeden Sonntag um 11 Uhr angeboten. Zur Homepage geht es hier.