Lichtplanung und Architektur: Ideen und Tricks für den Bestand
Architektur ins rechte Licht zu rücken – das ist die Aufgabe von Thorsten Kußmack. Als einer von wenigen Architekten ist er zugleich Lichtplaner. Wir sprachen mit ihm über sein Rollenverständnis, unbequeme bauliche Tatsachen und das „Sich-unsichtbar-Machen“
Von: Eva Kafke Eva Kafke schreibt vor allem über Wohnungbau, Sanierungen und Umbauten...
Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Architekt des Lichts“ im Deutschen Architektenblatt 03.2022 erschienen.
Für Thorsten Kußmack gehören Licht und Architektur untrennbar zusammen. Ein Hauptseminar zum Thema Lichtplanung während seines Architekturstudiums an der TU Berlin war für ihn so etwas wie die Initialzündung. „Insgesamt hat im Studium zumindest die Kunstlichtplanung eine recht untergeordnete Rolle gespielt. Und die Ausbildungen zum Lichtplaner, die es heute gibt, steckten damals noch in den Kinderschuhen. Ich habe mich dann nach und nach immer mehr in die Thematik eingearbeitet“, erzählt Kußmack. Schon kurz nach dem Studium hat er sein eigenes Unternehmen gegründet. Der Name ist Programm: Lichtektur. 2007 war das. „Das Wort habe ich mir sogar als Markennamen schützen lassen“, berichtet der Architekt, der seitdem meist noch als Ein-Mann-Büro arbeitet.
Das Miteinander von Licht und Architektur in seinem Büronamen findet auch in Kußmacks Kopf statt – und in seiner Herangehensweise an Projekte. In der Praxis sind die Aufträge allerdings klar getrennt. Das hat strukturelle Gründe, wie er erklärt: „Als Architekt habe ich als Einzelkämpfer praktisch keinen Zugang zu Großprojekten. Dort bin ich viel im Bereich Wohnungsbau tätig, vorrangig im Mietwohnungsbau. Aber da spielt Lichtplanung so gut wie keine Rolle.“ Als Lichtplaner hingegen wird er vor allem bei Bauvorhaben mit einem hohen Anspruch an Licht engagiert. „In dem Bereich sind denkmalgeschützte Gebäude meine Leidenschaft. Sehr spannend, weil vielfältig gestaltbar, sind auch Aufträge im Gastronomiebereich.“
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Architektur mit Lichtplanung zur Geltung bringen
Als Lichtplaner wird er meist vom Bauherrn direkt beauftragt. Zum Beispiel von einem Projektentwickler, der den Berliner Bahnhof Westend neu gestaltet hat. Das denkmalgeschützte ehemalige Empfangsgebäude im Neorenaissancestil (Architekten Heinrich Kayser und Karl von Großheim) wartet hinter seiner eindrucksvollen Ziegel-Sandstein-Fassade mit einer repräsentativen Halle auf. Sie ist geprägt von einer weißen Holzbalkendecke über von Ziegelsäulen eingefassten Rundbogenfenstern und einer breiten Treppe. Diese Architektur zur Geltung zu bringen, war eine Aufgabe ganz nach dem Geschmack von Kußmack. „Ich nehme Materialien und Farben auf, ich verwende die vorhandenen Geometrien und Achsen als Leitraster und setze auf einen zeitlosen Stil, der sich mit der historischen Substanz verträgt.“
Orientierung am Denkmal
Für die Empfangshalle plante er zylindrische Pendelleuchten in den Farben Kupfer und Anthrazit, die mit der Farbe der Ziegel und dem Material des Treppengeländers korrespondieren. Die Leuchten sind über den Geländern angeordnet und lassen die Mittelsichtachse frei. Sie geben direktes Licht nach unten, auf die Handläufe und in die Halle, und indirektes Licht nach oben. Die Decke wird aufgehellt, der Raum geweitet. In der Fortsetzung der Eingangshalle im Obergeschoss kommen ebenfalls zylindrische Deckenanbauleuchten zum Einsatz. Senkrecht zwischen Ziegelbögen montierte Wandleuchten mit zylindrischen, mattierten Leuchtkörpern akzentuieren das Sichtmauerwerk. In der Eingangshalle gibt die Lichtfarbe Warmweiß (3.000 Kelvin) die bräunliche Farbe der Ziegel wieder und vermittelt eine historische Anmutung.
Lichtplanung unsichtbar machen
„Eine der größten Herausforderungen in denkmalgeschützten Gebäuden ist, das Licht möglichst unsichtbar dorthin zu bekommen, wo man es haben will“, erläutert Kußmack. Ein gutes Beispiel dafür ist die Berliner Kulturbrauerei. Hier sollte Kußmack im Auftrag der Quandoo GmbH für das zweigeschossige Stallgebäude mit begrenztem Budget und unter hohem Zeitdruck ein Lichtkonzept erstellen, das den sehr unterschiedlichen Nutzungen durch die rund 150 Mitarbeiter gerecht wird.
Besonders im Erdgeschoss, wo auf einer Seite fast keine und auf der anderen nur wenige kleine Fenster für etwas Tageslichteintrag sorgen, gestaltete sich das schwierig. Doch der Zufall kam Kußmack zu Hilfe: „Für die Nutzung im Bürobereich waren umfangreiche Datenleitungen notwendig, die jedoch nicht wie üblich am Boden geführt werden konnten. Es wurden Kabeltrassen über den Arbeitsplätzen installiert, die wir als Träger der Leuchten nutzen konnten.“
Kabeltrasse für Beleuchtung genutzt
An der Unterseite der Träger wurden gut entblendete und filigrane LED-Flächenleuchten abgependelt oder – je nach Raumhöhe – direkt montiert. Sie geben direktes, neutralweißes Licht (4.000 Kelvin) auf die Arbeitsplätze. Auf die Oberseite der Kabeltrassen wurden als Indirektkomponente LED-Bänder geklebt. Sie sind mit 5.400 Kelvin kühler ausgeführt und lassen mit ihrer diffusen Abstrahlung die hohen Kappendecken wie einen Himmel wirken.
Die Lichtfarben dienen auch der Zonierung. In der Küche, der Lounge und den anderen Rückzugsbereichen prägen Pendel mit Messingfassungen und goldbeschichteten Leuchtmitteln im Vintage-Look mit warmweißem Licht (2.400 bis 3.000 Kelvin) ein gemütliches Ambiente, passend zur historischen Umgebung und zur Corporate Identity der Firma.
Wenn sich die verdeckten LEDs im Boden spiegeln
Während bei historischen Gebäuden die Gestaltungsmöglichkeiten der Lichtplanung durch den Denkmalschutz eingeschränkt sind, sind es bei Bauvorhaben in der Gastronomie oder im Wohnungsbau die in der Regel bereits geschaffenen baulichen Tatsachen. Denn häufig werden Lichtplaner zu spät hinzugezogen, wie Kußmack berichtet: „Dann sind etwa Blendungen oder Reflexionen durch glatte Oberflächen ein Thema.“
Auf einem glänzenden Fußboden werde die LED-Voute plötzlich sichtbar. „Dieses Problem kann man ganz einfach umschiffen, indem man einen zehn Zentimeter breiten Randstreifen mattiert – doch solche Entscheidungen muss man früh im Planungsprozess treffen.“ Ein anderes Beispiel ist eine bereits eingezogene Trockenbaudecke oder eine fertig gegossene Betondecke. „Schlimmstenfalls hängen irgendwo Kabel aus der Decke, meist in der Raummitte. Dann kann man nur noch eine elegante Pendelleuchte aussuchen oder mit Stromschienen arbeiten.“
Kugeln und Kreise aus Licht
Eine von Thorsten Kußmacks Lichtplanungen für die Wohnung in einem Berliner Hochhaus bildet in dieser Hinsicht die Ausnahme: Auch dort waren die Elektroinstallationen bereits verlegt, doch in der Betondecke noch zahlreiche Auslässe vorhanden. Dank sehr sparsamer Möblierung musste Kußmack vergleichsweise wenig Rücksicht auf Nutzungsbereiche und -gewohnheiten nehmen. Er ließ aus neun Leuchtgruppen mit je drei unterschiedlich hoch angeordneten Einzelpendeln ein Gesamtbild aus tanzenden Tropfen entstehen. Das Thema Kugel/Linsen griff er mit Stehleuchten, Strahlern und Lichtbildern auf und schuf damit eine Verbindung zum Bewohner, der im Bereich Augen-Medizin tätig ist.
Lichtplanung und Architektur als zwei Standbeine
Neben solchen Projekten im eigenen Namen arbeitet Kußmack auch als freier Projektleiter für Lichtplanungsbüros. In dieser Rolle hat er gerade beispielsweise die Lichtplanung eines großen, unter Denkmalschutz stehenden barocken Kulturkomplexes unter seinen Fittichen. An das betreffende Büro ist er seit Ende seines Architekturstudiums als fester freier Mitarbeiter angedockt. „Anfangs stand für mich die Sicherheit eines regelmäßigen Einkommens im Vordergrund. Heute sind es die Kollegen, die sozialen Kontakte. Einmal die Woche gehe ich ins Büro. Das ist ein schöner Anker, auch ein Gegengewicht zur Arbeit im Homeoffice.“ Seine Geschäftsräume hat Kußmack in seiner eigenen Wohnung. Das hält die Kosten gering. Geschäftliche Termine finden ohnehin in der Regel in den Büros der Auftraggeber oder auf Baustellen statt.
Dort hat er dann auch mit den jeweils beauftragten Architekten zu tun. Wie die Zusammenarbeit klappt? „Natürlich schalte ich nicht einen Teil meines Gehirns aus, wenn ich als Lichtplaner beauftragt bin. Ich habe immer zugleich die Architektenbrille auf und weise dann auch auf Dinge hin, die nach Fehlern aussehen, beispielsweise wenn das Aufmaß nicht stimmt. Da gilt aus meiner Sicht das Vier-Augen-Prinzip – wir sind ein Team“, erzählt Kußmack und ergänzt: „Natürlich kommt es immer auf den Tonfall an. Als Konkurrenz habe ich das für mich jedenfalls nie erlebt.“
Bislang sind aus solchen Projekten keine Partnerschaften entstanden. Es wäre interessant, nach einem Architekturbüro zu suchen, mit dem man regelmäßig arbeitet, meint der Licht-Architekt. „Doch wenn die Arbeit gut läuft, hat man wenig Zeit für Akquise. Oder man nimmt sie sich nicht.“ Außerdem möchte er sich weder auf die Funktion des Lichtplaners noch auf die des Architekten zu sehr festlegen. „Immer wenn ich viel Licht gemacht habe, fehlt mir das Handfeste, fehlen mir die Materialien der Architektur. Andersherum fehlt mir das Leichte, Ephemere des Lichtes und auch der meist deutlich höhere Anteil gestalterischer Entfaltungsmöglichkeiten.“
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