Text: Cornelia Dörries
Es ist gut zehn Jahre her, da entdeckte der Berliner Architekt Thomas Kröger die Uckermark. Die hügelige, seenreiche Landschaft, die in jedem Frühjahr beweist, wieviel Buntheit die Farbe Grün entfalten kann, erkundete er damals auf langen Radtouren. Und weil es in den kleinen Dörfern kaum Übernachtungsmöglichkeiten gab, schlief er meist im Auto. Die freundliche Offenheit der Natur schien, zumindest auf den ersten Blick, in seltsamem Widerspruch zu den dort lebenden Menschen zu stehen, die ihm unzugänglich und abweisend vorkamen. „Bis eines Morgens um fünf eine Bäuerin ans Autofenster klopfte und fast barsch sagte: ‚Da hinten ist der See, und dann gibt’s Frühstück bei mir’“, erzählt Kröger. „Da war ich ganz baff. Und dachte: Aha, so läuft das hier.“
Vielleicht muss man diese Anekdote kennen, um die vorsichtige, fast tastende Art und Weise zu verstehen, mit der Thomas Kröger sich als Architekt dieser Landschaft nähert. Gleich zwei seiner Projekte dort gewannen den Architekturpreis „Häuser des Jahres 2014“ – das Werkhaus Schütze in Gerswalde und das Schwarze Haus im benachbarten Pinnow. Nicht nur die Uckermark hat es damit auf die Deutschlandkarte bedeutender Architekturauszeichnungen geschafft; auch wurde erstmals in der Geschichte dieses Preises ein Architekt im selben Jahr gleich zweifach geehrt.
Einer Landschaft gerecht werden
„Es war wirklich ein irrer Zufall, dass im Jahr 2009 drei Bauherren unabhängig voneinander gleichzeitig auf mich zukamen, die in der Uckermark Immobilien erworben hatten. Jeweils ein Dorf voneinander entfernt, hatte der eine Bauherr einen Acker gekauft, der andere das Gebäude einer ehemaligen Schlossereiwerkstatt, und die dritte einen alten Kuhstall, der lange als Siedlerhaus genutzt wurde.“ Thomas Kröger schüttelt darüber bis heute den Kopf.
Die Entwurfshaltung des 41-Jährigen lässt sich durchaus mit der an Schüchternheit grenzenden Zurückhaltung des Ausflüglers von damals vergleichen. „Man geht dort nicht mit Ideen hin, die man schon immer hatte“, sagt er. „Natürlich bringen auch die Bauherren bestimmte Vorstellungen und Wünsche ein, doch am Anfang jedes Entwurfs steht immer die Überlegung, welche Typologie dieser Landschaft gerecht werden kann.“ Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass seine Architektur von den Bewohnern vor Ort mitunter sehr ambivalent aufgenommen wird. „Nicht alle können mit dieser Einfachheit etwas anfangen; ihr Traum vom idealen Haus sieht anders aus.“
Werkhaus Schütze
Das Werkhaus Schütze entstand aus der Weiterentwicklung einer ehemaligen Schlosserei, die für einen Produktdesigner und Tischler zum Wohn- und Atelierstandort umgebaut wurde. Die Architektur der versetzt gefügten, unterschiedlich hohen Trakte für Werkstatt, Showroom und Wohnhaus ergab sich aus der Typologie des bestehenden Gewerbebaus, die der Architekt unbedingt beibehalten wollte, sowie aus der weich gerundeten Hügellandschaft. Sie wird von dem anschmiegsamen, mit bombiertem, grünem Wellblech verkleideten Gebäude, einer robusten Holzkonstruktion, eigentlich nur fortgeschrieben. Nicht nur im Inneren dominiert Holz; auch die Lärchenholzverkleidung der Giebel nimmt ein Merkmal der Umgebungsbebauung auf.
Während die Gestaltung des Werkstattbereichs nach den Vorstellungen des Bauherrn erfolgte, hatte Kröger bei der Planung des Wohnhauses weitgehend freie Hand. „Der Bauherr zeigte mir irgendwann einen schwarzen Stein von der Vulkaninsel Stromboli in Süditalien“, so der Architekt. „Es gebe da eine Grotte, aus der man, unter einem Wasserfall sitzend und von der Schwärze dieser Höhle geschützt, weit in die Landschaft blicken könne.“ Das geht nun auch in der Dusche des Hauses. Sie wurde im Durchgang zwischen Showroom und Wohnbereich in einer Nische unterhalb des eigentlichen Badezimmers so platziert, dass man beim Duschen weit in die Landschaft blicken kann. Gleichzeitig schützt die hölzerne Nagelbinderkonstruktion des Gebäudes vor Blicken – so, als würde man aus einem dichten Wald auf eine Lichtung schauen.
Schwarzes Haus
Das Schwarze Haus in Pinnow ist ein Neubau, der auf einem großzügigen Grundstück mit etwas Abstand zur Straße entstand und anfangs die Frage aufwarf, wie man, so Kröger, „ein der Landschaft zugewandtes Ferienhaus mit zwölf Schlafplätzen schaffen kann, ohne bei einem Flur mit sechs Zimmern zu enden“. Der Wunsch der Bauherrenfamilie war nicht ohne: Das Haus sollte zwar offen, zugleich aber mit so vielen Rückzugsmöglichkeiten ausgestattet sein, dass auch zwei Familien gleichzeitig vor Ort sein können, ohne sich ständig in die Quere zu kommen. Was der Architekt seinem Bauherrn vorschlug, sah anfangs nach einer Zumutung aus, wurde am Ende jedoch realisiert: Der Entwurf verzichtet im Erdgeschoss auf jegliche Zimmereinteilung und sieht stattdessen zwischen den beiden Längskorridoren abtrennbare Alkoven mit jeweils zwei Schlafplätzen vor. Diese lassen sich über Schiebetüren so separieren, dass auch der jeweils dazugeschaltete Längskorridor nicht mehr offen ist; man nimmt dann einfach den gegenüberliegenden.
Die beiden gemeinschaftlich zu nutzenden Bereiche an den Stirnseiten – der bis zum Giebel offene Koch-, Ess- und Wohnbereich an der südlichen und der Arbeitsraum mit Bibliothek an der nördlichen Seite – bleiben dadurch jederzeit erreichbar. Im oberen Bereich befinden sich zwei Kinderzimmer mit jeweils zwei Schlafstellen, die sich bei Bedarf aber verdoppeln lassen. Dass man eine Beschreibung dieses Gebäudes mit dem Innenleben beginnen kann, hat damit zu tun, dass es tatsächlich ein Haus ist, das mit einer in dieser Gegend unüblichen Transparenz daherkommt und seine Besonderheit aus dieser gewährten Einsicht in Privates bezieht. Anders gesagt: Weil es sich mit seinen verglasten Längsfronten so entschieden zur Landschaft öffnet, lässt sich das Äußere nicht ohne das Geschehen im Inneren schildern. Doch sieht man von dieser Besonderheit und den auffälligen Gauben ab, fügt sich das Gebäude mit seiner schlichten, lang gestreckten Form und der Lärchenholzverkleidung an den Giebelseiten durchaus in das von Siedlerhäusern geprägte Ortsbild.
Sommerhaus 2
Während die zwei ersten Projekte fast ausschließlich in Bezug auf die Landschaft entwickelt wurden, musste sich der Architekt beim Umbau eines ehemaligen Kuhstalls mit einem bebauten Kontext auseinandersetzen – der angejahrte Bestandsbau befindet sich im Dorf an exponierter Stelle. „Ich wollte nicht, dass sich die Berliner mit einem Zauberkasten platzieren“, so Kröger über seinen Entwurf. Und er konnte die Bauherrin damit überzeugen. Obwohl das alte Haus im Inneren nach dem Umbau nicht mehr wiederzuerkennen ist, blieb das Ortsbild unverändert. Die gesamte Längsfront des Ziegelbaus ist erhalten; selbst das alte Tor wurde nicht erneuert. Kröger graut vor aufgemöbelten Scheunen, deren alte Tore durch große Glasfronten ersetzt werden, hinter denen dann dekorative, im Landlust-Stil gedeckte Tische zu sehen sind.
„Ich bin ja auf dem Land groß geworden, und in eine Scheune zu gehen bedeutet, man verschwindet aus der Welt“, begründet er seine Haltung. „Ich finde dieses Gefühl so wichtig wie dieses typische Licht, das so Kathedralen-artig einfällt und in dem der Staub tanzt.“ Die Typologie Scheune sollte bei diesem Projekt auch nach dem Umbau erlebbar bleiben. Doch im Inneren wurde das Gebäude komplett entkernt und neu strukturiert. Da sich die enorme Grundfläche nicht beheizen lässt, wurde das Sommerhaus-Thema konsequent umgesetzt. Großzügige Wandöffnungen ermöglichen im unteren Bereich eine weitgehende Durchdringung von innen und außen; innen regiert das Prinzip der heiteren Reduktion sowohl beim Material als auch bei den zarten Farben und den zurückhaltenden Einbauten.
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