Roland Stimpel
Wenn hier oder da Innenarchitekten als „Kissenknicker“ verspottet werden, ist Susanne Leson darüber nicht besonders geknickt. Ihre professionelle Kundschaft weiß, dass der Berufsstand deutlich mehr kann als ein bisschen Sofadekoration. Und sie selbst weiß, dass man sich übers innenarchitektonische Kerngeschäft hinaus noch diverse Gebiete erschließen kann – Marketing und Corporate Identity zum Beispiel, Arbeitsorganisation und natürlich die Nachhaltigkeit. Damit steht sie für einen Innenarchitekturbegriff, der weit mehr umfasst als das Gestalten.
Dabei findet sie auch Farben nicht ganz unwichtig. Sie stattet eine Firma, deren Thema rote Zahlen sind, in Gelb und Orange aus, setzt in ihrem Büro gerade auf Wasserblau und hat seit Neuestem eine grüne Errungenschaft: Lesons Frankfurter Büro „Innenarchitektur x Objektmanagement“ hat die Zulassung als „LEED Accredited Professional“ und kann damit Bauherren zum amerikanischen Nachhaltigkeitssiegel führen. Als erstes deutsches Büro bietet sie dies nun für „Commercial Interior“, also Gewerberäume, sowie für den Umbau von Fassade und Haustechnik und für große Renovierungen.
Nach solchen Siegeln ruft der Markt, weiß Leson: „Bald jeder zweite Mieter fragt inzwischen nach einem Zertifikat.“ Es sei für Vermieter oft das wirksamste Mittel, ältere Büroflächen vom Immobilienladenhüter zum konkurrenzfähigen Raumprodukt zu verwandeln. Nachhaltigkeit im Inneren bedeutet vor allem ressourcensparenden Materialeinsatz, reduzierte Nebenkosten und gesunde Arbeitsplätze. Ein wichtiges Mittel ist die effiziente und moderne Haustechnik. „Ein Thema, das viel zu selten mit Innenarchitektur in Verbindung gebracht wird.“
Auch um Ökologie, aber im Kern um ein heikles Feld der Ökonomie ging es bei ihrem größten Bauherrn der vergangenen Jahre: der Schufa AG, die von 65 der 80 Millionen Deutschen sensible Finanzdaten hat. Seine eigenen kann jeder in einer der 14 Schufa-Geschäftsstellen erfragen. Dort präsentierte sich die Schufa früher wie eine Sicherheitsbehörde mit Panzerglas und mit einem nicht direkt naturfrischen Grün. Jetzt gibt ihr Leson ein frischeres Raum- und Farbimage mit Transparenz und Licht, den neuen Firmenfarben Gelb und Orange sowie Nettigkeiten wie einem eigens entwickelten Kinderspieltisch im Warteraum. Auch die neue Wiesbadener Zentrale der Schufa Holding (Hochbau: Frank Hammer, Mainz) hat sie im Inneren gestaltet. Frische Farben und vor allem viel Glas sollen bei der Schufa die Transparenz als Haustugend darstellen.
Standesbewusst empfiehlt sie Bauherren, diesem Inneren mindestens die gleiche Wertschätzung zu geben wie Form und Fassade: „Schließlich werden Gebäude im Inneren am stärksten und längsten wahrgenommen.“ Daher sei für Firmen mit Publikumsverkehr „Innenarchitektur immer auch Marketing“. Wofür in ihrem Paarbetrieb nicht zuletzt ihr Mann Guido Leson steht, gelernter Kommunikationswirt und Marketingexperte. Beide zusammen haben eine Kommunikationsstrategie für den Umgang mit Bauherren entwickelt: „Wir reden sehr offen mit unseren Kunden. Wir sagen ihnen, wo ihr Ansatz zu bescheiden ist, um Defizite zu beheben. Aber auch, wo man mit weniger Mitteln mehr erreichen kann und wo sie es sich sparen können, gleich alles herauszureißen.“
Anders als bei vielen Kollegen ist ihre Strategie in der Öffentlichkeitsarbeit: „Feuilletons interessieren uns nicht. Wir wollen dort vorkommen, wo uns die Entscheider in den Unternehmen lesen“ – also eher in Immobilien- als in Architekturblättern. Dort betont Leson gern ihren Blick aufs Funktionelle: „Es geht uns immer um die Unternehmensabläufe. Letztlich betreiben wir räumliche Prozessoptimierung.“
Funktionell, aber auch Spielwiese für Gestaltungslust ist ihr eigenes Büro. Da wechselt sie immer mal wieder Einrichtungsmotive und -farben. Gold und Grau gab es zuletzt, gerade ist Wasserblau dran, vom Wandschmuck, Servietten und Stiften bis zu den Blumenvasen. Nur geknickte blaue Kissen gibt es nicht.