Die klassische Moderne hat vor hundert Jahren – auch als Reaktion auf die Spanische Grippe – Licht, Luft und Sonne als hygienisches Allheilmittel propagiert. Gegen Corona im Museum ist das wohl eher kein Rezept?
Nein. Wir Museumsleute haben da vor allem auf die Kunstwerke zu achten, ihre präventive Konservierung. Ein Kupferstichkabinett verträgt zum Beispiel höchstens 50 Lux. Luft und Feuchtigkeit regulieren wir mit großem Aufwand mechanisch, nicht architektonisch. Und Sonne ist schon mal ganz schlecht: UV-Licht, was gegen Corona wirken würde, schädigt die Kunstwerke und hat in Ausstellungsräumen nichts zu suchen.
Ihre Häuser haben nun aber gerade wieder geöffnet. Was tun Sie zum Schutz der Besucher?
Auch wenn der Lockdown unter konservatorischen Gesichtspunkten natürlich Vorteile hat – die Besucher tragen Staub, Feuchte und Wärmelasten ein –, haben wir einen öffentlichen Auftrag zur Präsentation. Wir sind keine Kunstbunker! Darum haben wir im vergangenen Jahr jede Gelegenheit zur Öffnung genutzt.
Um dies zu ermöglichen, setzen wir im Prinzip auf dieselben Regeln wie alle: Masken, Abstand, Hygiene, Kontakt-Nachverfolgung und nun auch negativen Testnachweis. In den Ausstellungen haben wir von Anfang an Einbahnstraßen-Systeme eingerichtet. Besucher müssen sich anmelden und können Tickets nur online buchen. Pro Besucher kalkulieren wir inzwischen 20 Quadratmeter Fläche. Da Audioguide-Geräte aus hygienischen Gründen verboten sind, können sich unsere Besucher mit ihren Handys im WLAN einloggen und sich auf diese Weise leiten lassen, denn Gruppenführungen sind ausgeschlossen.
„Bislang ist kein Museum als Corona-Hotspot ins Gerede gekommen“
Die aufwendige Klimatisierung der Räume, die zuletzt immer wieder als zu energieintensiv kritisiert wurde, dient auch den Menschen. Wir achten gegenwärtig besonders auf die Luftwechselraten und die Reinigung der Filter. So ist bislang kein Museum als Corona-Hotspot ins Gerede gekommen. Aber selbstverständlich arbeitet die Branche weiter an ressourcenschonenderen Wegen der Luftaufbereitung. Da tut sich gerade einiges in Sachen „Abrüstung“.
Museen waren indes immer auch Treffpunkte im kulturellen Leben. Wird es wegen Corona möglicherweise eine stärkere Entkoppelung von Präsentation und sozialen Interaktionsräumen geben?
Diesen Trend sehen wir schon länger. Foyers, die für uns eigentlich „Nebenräume“ sind, werden in der Architektur neuer Museen immer größer und opulenter, sie werden inzwischen für Veranstaltungen aller Art genutzt, sind Bühnen des gesellschaftlichen Lebens. Denkbar wäre, dass in diesen Vorzonen verstärkt Licht, Luft und Sonne zum Zuge kommen, um sie auch in Pandemie-Zeiten nutzbar zu machen.
Interview: Christoph Gunßer
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