Nils Hille
Wir orientieren uns an Vorbildern wie der AA School of Architecture“, sagt Professor Ulrich Königs. Ab Oktober diesen Jahres wird er den neuen Studiengang „SPACE“ (shaping politics, architecture, culture & economy) der Zollverein School of Management and Design in Essen leiten. Die private Hochschule, die seit einem Jahr in dem Würfelgebäude des japanischen Büros SANAA am Rande des Zechengeländes sitzt, will die internationalen Topleute aus der Lehre zusammenbringen. So gehören Ben van Berkel (UN Studio, Amsterdam) und Patrik Schumacher (Zaha Hadid Architects, London) zu den Dozenten. Königs: „Wenn bisher nur England und die USA für eine hochkarätige postgraduale Ausbildung standen, soll SPACE der Begriff für eine entsprechende Lehre in Deutschland werden.“
Ein ehrgeiziges Ziel, das nach Meinung des Professors nur eine private Hochschule erreichen kann: „Bei staatlichen Angeboten wäre das nicht einfach zu realisieren – das Personal und damit auch die Finanzen sind dort sehr langfristig verplant.“ Trotz ihres beklagten Mangels an Spitzenforschung und -lehre in deutschen Architekturfachbereichen, sehen sich die Essener weder als Kritiker noch als Konkurrenten der staatlichen Angebote. Ihr Studiengang soll darauf aufbauen, sagt Königs: „Wir bieten keine grundständige Lehre wie Tragwerksplanung oder Bauphysik. Durch unsere freie Curriculumform kann die Vermittlung auch punktuell erfolgen und somit intensiv auf aktuelle Diskussionen in der Architektur eingehen.“
Künstliche Natur
Im ersten Studienjahr steht unter anderem die Untersuchung des Begriffspaars „natürlich“ und „künstlich“ im Programm. In der Beschreibung heißt es dazu: „Der Antagonismus (…) muss heute zunehmend hinterfragt werden. Bedingt durch die massiven Eingriffe des Menschen in die Ökosysteme hat die Natur das, was heute als ‚natürlich’ erscheint, nicht immer selbst hervorgebracht.“ Architekten, Stadtplaner, Bauingenieure und Designer werden bei SPACE alle Themen gemeinsam erarbeiten und gegenseitig von ihren spezifischen Erfahrungen profitieren. Bis zum Abschluss „Master of Architecture“ können die Studenten zahlreiche neue Schnittstellen zwischen den Disziplinen schaffen.
Um den hohen Ansprüchen auch vonseiten der Zollverein School gerecht zu werden, greifen die Organisatoren auf ein eigenes internationales Kontaktnetzwerk sowie das ihres Fachbeirats zurück. Trotz des Aktualitätsprinzips gönnt König sich und seinen Kollegen aber eine gewisse Vorlaufzeit: „Architektur ist eine langsame Disziplin. Die Namen, die den Diskurs international führen, sind nicht jedes Jahr andere.“ Achten wollen sie auch darauf, dass große Namen nicht gleichzeitig für große Lehrende stehen. Die Dozenten, die nach Essen kommen, müssen auch für die Studenten da sein. Königs verfolgt den Anspruch, dass beide in einem direkten Kontakt zueinander stehen und die Lernenden nicht, wie meist üblich, einen Umweg über die Assistenten nehmen müssen.
Rund um die Uhr
Das Vollzeitstudium ist auf intensive 16 Monate angelegt. Dabei soll den Studenten die anderthalbfache Anzahl der sonst üblichen Semesterwochenstunden geboten werden. Zu SPACE gehört aber auch ein hoher Selbststudiumsanteil, der vor allem in den Projektarbeiten gefordert wird. Königs: „Bei uns können die Studenten vor Ort in Studioatmosphäre arbeiten. Wir überlegen, ihnen 24 Stunden am Tag eine offene Hochschule zu bieten.“ Allein zu den normalen Arbeitszeiten werden die Lernenden genug zu tun haben. Drei Themenbereiche zu je drei Monaten stehen an, in denen die unterschiedliche Didaktik von Seminaren, Vorlesungen und Projektarbeiten verknüpft wird. Auch die Dozenten eines Bereichs werden stark miteinander vernetzt sein. Sie treten als Team auf, das sich konzeptionell abgestimmt haben soll. Königs: „Dieses System macht es möglich, dass die Studenten während ihres Studiums zwölf Dozenten mit zwölf Sichtweisen kennen lernen. Damit wollen wir eine Bandbreite von Meinungen sicherstellen.“
Wer die Wahl hat
Vor dem intensiven Austausch steht allerdings ein klassisches Bewerbungsverfahren mit Mappe und Vorstellungsgespräch. Anhand der ersten, schriftlichen Runde soll die Qualifikation der Interessierten beurteilt werden, im mündlichen Austausch können dann beide Seiten beurteilen, ob sie zueinander passen. Auch für die Bewerber ist dieses Kennen lernen wichtig, schließlich müssen sie 15000 Euro für die 16 Monate aufbringen – was einen wichtigen Teil der Hochschuleinnahmen ausmacht. Doch mit Geld allein kommt niemand in die Schule. Sie will selbst für den ersten Jahrgang nur hoch qualifizierte Bewerber zulassen, sagt Andrej Kupetz, Präsident der Zollverein School: „Noch können wir zwar nicht aus einem großen Bewerberfeld auswählen, doch wir sind ohnehin nicht auf Masse programmiert. Die bisherigen Bewerbungen machen aber klar, dass wir das Minimum an Teilnehmern erreichen werden und SPACE im Oktober startet.“