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Zurück Raus aus der Nische

Ökologisch bauen, aber wie?

Ressourcenschonend gebaut wird seit der Umweltbewegung der 1980er-Jahre, doch aus der Nische ist nur schwer herauszukommen. Wo wir heute stehen

31.01.20198 Min. Kommentar schreiben
Das „Haus Rauch“ ist aus Lehm errichtet, bietet aber zeitgemäßen Komfort. Der Lehm stammt aus dem eigenen Aushub.

Von Annette Landgraf

Sowohl die EU als auch Deutschland haben sich ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt: Bis 2050 sollen die jährlichen Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent sinken. Der Bausektor ist für ein Drittel des Energieverbrauchs und der CO₂-Emissionen verantwortlich. Was kann die bauende Zunft also dazu beitragen? Manchmal hilft erstmal ein Blick zurück.

Anfang der Siebzigerjahre hatte der Club of Rome die „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht, dessen Botschaft war, dass eine Verhaltensänderung nötig ist, damit auf einer endlichen Erde auch in Zukunft noch ein lebenswertes Leben möglich ist. In den Achtzigerjahren war dies in der „Mitte der Gesellschaft“ angekommen; die Ökologiebewegung erfasste viele Bereiche des Lebens. Es entstanden mit der Idee des ökologischen Bauens neue Wege, auch mit besseren Gebäuden die Welt zu retten. Die Herangehensweisen waren sehr unterschiedlich, im Rückblick erkennt man jedoch bestimmte Schwerpunkte.

Ökologisch bauen ist nichts Neues

In der Bauökologie standen die Auswirkungen von Gebäuden auf die Umwelt im Mittelpunkt, denn das Vertrauen in verschiedene Baumaterialien war stark erschüttert. Erinnert sei hier an die Skandale um Wohngifte, wie um das Holzschutzmittel Xyladecor, dessen Einsatz zu schweren gesundheitlichen Schäden führte. Außerdem wurde auch der Nachweis erbracht, dass auch sogenannte moderne Baustoffe wie Asbest, Mineralwolle und PVC gesundheitsschädlich waren. Man bemühte sich daher um eine umwelt- und energiebewusste Standortwahl und Gebäudekonzeption mit dem Ziel, den Energie- und Ressourcenbedarf für die Gebäudeherstellung und -nutzung zu minimieren. Natürliche Materialien und regenerierbare Ressourcen sollten intelligent genutzt und Luft- und Wasserverunreinigungen, Abfälle, belastete Abwässer und versiegelte Flächen geringgehalten werden. Gleichzeitig sollte die Artenvielfalt der Tier- und Pflanzenwelt am Standort möglichst erhalten oder sogar erhöht werden; die Gebäude sollten sich schonend in das Landschaftsbild einfügen. An diesen ambitionierten Zielen orientierten sich damals eine ganze Reihe von Architekten aber auch Bauunternehmen, Handwerksbetriebe und Bauherren. Verschiedene Hersteller produzierten alternative Baustoffe, wie Holzweichfaserplatten, Zellulosedämmung und Lehmbaustoffe. Biobaumärkte entstanden, um Interessierte zu beraten und die neuen sowie für gut befundene alte Baustoffe zu verkaufen. Es entstanden zahlreiche „Ökohäuser“ und „Ökosiedlungen“.

Heliotrop in Freiburg: Das 1994 fertiggestellte Drehsolarhaus des Architekten Rolf Disch zählt zu den Pionierprojekten des ökologischen Bauens.

Gleichzeitig legten viele den Fokus auf den geringeren Verbrauch von Energie durch das neue Gebäude. Es wurde insbesondere auf eine gute Dämmung der Außenbauteile und auf energiesparende Technik gesetzt. In deren Folge entstanden die ersten Niedrigenergie- und Passivhäuser. Schwerpunkte waren dickere Dämmung, Luftdichtheit von Anschlüssen, Berücksichtigung von „Wärmebrücken“, Heizung und Stromerzeugung mit erneuerbaren Energieträgern, Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Dabei hatte sich die Solararchitektur als ein eigener Zweig des Ökologischen Bauens entwickelt, der die Sonne als einzige im Überfluss zur Verfügung stehende Energiequelle zur größtmöglichen Deckung des Bedarfs einsetzen wollte. Passive Nutzung durch Ausrichtung der Gebäude nach den Himmelsrichtungen und aktive Solartechniken zur Warmwasser- und Strombereitung wurden damals entwickelt.

Wo stehen wir heute?

Manches hat sich durchgesetzt, beispielsweise verschärfte Vorschriften für Schadstoffe in Baumaterialien. Andere Themen sind aus der Wahrnehmung verschwunden: Wer macht sich etwa noch ernsthaft Gedanken zur durchaus kritischen Herstellung, Nutzung und Entsorgung von PVC, bei dessen Produktion hochgiftige Abfälle entstehen und dem gesundheitsschädigende Substanzen, wie Weichmacher, beigemengt werden. Nach dem Großbrand am Düsseldorfer Flughafen vom 11. April 1996, bei dem die PVC-ummantelten Kabel auf mehreren Ebenen die Katastrophe verschärften, gab es eine Reihe ernstzunehmender Initiativen aus der Politik, ein PVC-Verbot durchzusetzen. Viele öffentliche Institutionen hatten daraufhin für ihre Baumaßnahmen PVC-Verbote beschlossen. Doch sind diese heute kaum noch bekannt.

Ricola Kräuterzentrum in Laufen in der Schweiz: Mit einer Life-Cycle-Impact Analyse (LCIA) überzeugten Herzog & de Meuron die Behörden des Kantons Basel-Landschaft von der Nachhaltigkeit der Stampflehmfassade.

Was sich jedoch durchgesetzt hat, ist die Energieeinsparung in Gebäuden. Der Verbrauch von Energie konnte in der Zwischenzeit in einem Maße reduziert werden, der zu Beginn der Ökologiebewegung nicht zu erwarten gewesen war. Dies lag insbesondere an den vielen Personen und Institutionen, die die Entwicklung von Passiv-, Null- und Plusenergiehäusern mit Engagement und Zähigkeit vorantrieben und Berechnungsmethoden, Richtlinien und Verordnungen erarbeitet und umgesetzt haben. Auf dieser Basis wurden in recht kurzen Abständen immer strengere Gesetze und Verordnungen erlassen – ein wichtiger und erfolgreicher Schritt auf dem Weg hin zu zukunftsfähigen Gebäuden. Dennoch bleibt viel zu tun, da die Einengung auf den Energieverbrauch in der Nutzungszeit nicht zwangsläufig zu nachhaltigen Gebäuden führt. Ein Beispiel dafür ist der hohe Einsatz von Polystyroldämmstoffen, die in der Produktion, bei Bränden und im Recycling problematisch sind. Außerdem ist der Gesamtverbrauch von Energie aller Gebäude nicht signifikant gesunken, da die Einsparungen in Bezug auf die Fläche durch den Mehrbedarf pro Kopf fast aufgehoben werden.

Man könnte erwarten, dass das ökologische Bauen durch die Initiativen wie dem Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) gefördert wird. Das stimmt jedoch nur bedingt, denn die Ökologie macht nur einen Teil der Bewertung (22,5 Prozent) aus. Wenn also mehr als das Dreifache an Kriterien vorhanden ist, mit denen man das Gesamtergebnis beeinflussen kann, gibt es für viele Investoren kaum Gründe, die oft teureren sowie ungewohnten und daher komplizierter zu verarbeitenden Naturmaterialien einzusetzen.

Es bleibt noch viel zu tun

Ein notwendiger nächster Schritt wäre die Regelung des Ressourcenverbrauchs bei der Herstellung und dem Rückbau von Baumaterialien. Ein einfacher Maßstab für die Bewertung ist der Ressourceneinsatz bei der Gewinnung des Ausgangsmaterials und seiner Verarbeitung. Die aktuelle Entwicklung führt zu immer spezialisierteren, optimierteren und das heißt meist dauerhafteren und wartungsfreieren Produkten. Es werden energieintensive Kräfte wie Feuer, Hitze und Druck eingesetzt, um Baustoffe zu produzieren, die sich möglichst abgeschlossen der Umwelt gegenüber verhalten. Diese haben den Vorteil, dass sie sehr stabil gegenüber den Einflüssen aus der Umwelt sind. Gleichzeitig ist das aber auch ihre große Schwäche, denn sie lassen sich nicht rückstandsfrei zurückbauen. Deshalb sollte bei der Auswahl der Materialien die Frage mitgedacht werden, welche Lebensdauer für das Gebäude vorgesehen ist. Viele Baumaterialien bleiben nach dem Ende ihrer Nutzung lange entweder als Müll erhalten oder können nur mit großem Aufwand in den Kreislauf zurückgeholt werden.

Der Einsatz ressourcenschonend und aus natürlichen Materialien produzierter Baustoffe ist bisher sehr gering; nach wie vor dominieren Stahl und Beton. Es ist jedoch ein Trend zu beobachten, der in die richtige Richtung zeigt: Derzeit überbieten sich Architekten in aller Welt, Hochhäuser in Holz zu errichten und beweisen damit, dass Holz es gut mit den gängigeren Baumaterialien aufnehmen kann. Holz ist aufgrund seines natürlichen Vorkommens, seiner Fähigkeit, CO₂ langfristig zu binden und seiner guten Recyclingfähigkeit ein nachhaltiges Material. Im Vergleich benötigen Beton und Zement Kies, Schotter, Sand und Kalk, die in der Nähe der „Verbraucher“ immer knapper werden. Ein Material, das jedoch fast überall zur Verfügung steht ist Lehm. Erfolgt die Verarbeitung vor Ort, sind die Umweltauswirkungen am geringsten. Richtig verbaut, können Lehmgebäude hunderte von Jahren alt werden, wovon man sich auf allen Kontinenten, auch in Europa, und auch unter den verschiedensten klimatischen Bedingungen überzeugen kann. Herzog & de Meuron hat das in Laufen in der Schweiz mit dem Ricola-Kräuterlager unter Beweis gestellt. Ein bekanntes deutsches Projekt ist die Kapelle der Versöhnung in Berlin von Reitermann & Sassenroth. Unterstützt wurden die Architekten dabei von Martin Rauch, der über seine Arbeit als Keramiker und Ofenbauer zum Lehmbau kam und seither mit einer Reihe experimentierfreudiger Architekten beeindruckende Bauwerke weltweit realisiert hat.

Stellt man sich vor, dass viele Personen aus dem Baugeschehen, Architekt*innen, Bauindustrie und Investoren gesammelt den Weg beschreiten und gute, ressourcenschonende Konstruktionen und Materialien entwickeln, es könnte ein echter Quantensprung für den Klimaschutz sein. Wenn Architekt*innen ressourcenschonend und im Einklang mit der Umwelt bauen wollen, werden sie ihr Wissen über die eingesetzten Werkstoffe, ihre Produktionswege, ihre Eigenschaften während und nach der Nutzungsphase weiterentwickeln. Und dann die Kreativität auf eine Architektur richten, die schon beim Bauen die Ökobilanz mitdenkt.

Annette Landgraf ist Architektinund beschäftigt sich seit den Achtzigerjahren mit ökologischem Bauen und ist zurzeit beim Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) als Projektleiterin tätig


BUCHTIPP

Von Anette Landgraf

Martin Rauch hat über 25 Jahre Erfahrung bei der Forschung und Entwicklung des Bauens mit Stampflehm. Es lohnt sich, die von ihm entwickelten Bauweisen zu studieren und sich mit seiner seriellen Produktion von Lehmfertigteilen auseinanderzusetzten: Das Potential des Lehmbaus für ein ressourcenschonendes und gleichzeitig massenkompatibles Bauen ist enorm. Wer sich mit seinen Bauten beschäftigt, erhält eine Fülle von Anregungen, wie gute Architektur und ökologisches Handeln Hand in Hand gehen können. Voraussetzung für ihn ist ein Lehmbau ohne Zusätze, sodass dessen gesunde und natürliche Eigenschaften nicht eingeschränkt werden. Die von ihm entwickelten Außenwände aus sichtbarem Stampflehm mit eingelegten, das Regenwasser abbremsenden Schichten, sind von ergreifender Schlichtheit. Seine Lehmfußböden halten, was Terrazzoböden versprechen. Die Oberflächen der Innenräume verströmen Leichtigkeit und Wärme. Seine Gebäude wirken massiv und einladend, ließen sich aber auch, wenn nötig, weitestmöglich in ihr Ausgangsmaterial zurückführen.

Martin Rauch: Gebaute Erde
Gestalten & Konstruieren mit Stampflehm
Otto Kapfinger und Marko Sauer (Herausgeber)
DETAIL Spezial, 160 Seiten, Hardcover, 59 Euro

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