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Olympische Fettringe

In und um Münchens legendären Olympiapark von 1972 stoßen die Wünsche nach Erhalt und Erholung hart mit kommerziellen Begehren zusammen.

01.05.20086 Min. Kommentar schreiben
Klassisches Bild: Olympiapark München von 1972

Cordula Rau
Vor zehn Jahren brachte die große Stadionfrage die Stadt München an den Rand der Verzweiflung. Der geplante Totalumbau des berühmten Olympiastadions von Behnisch und Partner in einen vom Fußball geforderten Hexenkessel erhitzte die Gemüter und konnte durch ein von Architekten initiiertes Bürgerbegehren gerade noch verhindert werden. München erhielt stattdessen die Arena von Herzog und de Meuron, die wie das Stadion von 1972 zur Ikone modernen Bauens wurde. Durch ihre Lage vor den Toren kann die nachts farbig schillernde Fußballarena dem Dornröschenschlaf der wohlbehüteten Stadtsilhouette nichts anhaben.

Kommerziell?: Die rot markierten Flächen sind als „Entwicklungsbereiche“ definiert – nicht groß, aber an sensibler Stelle gelegen.

Durch den Auszug des Fußballs ergibt sich allerdings für die Stadt und ihre kommunale Olympiapark GmbH (OMG) ein neues zu bewältigendes Problem: der Wegfall erheblicher Einnahmen. Der Münchner Olympiapark gilt zwar als eine der am besten nachgenutzten olympischen Anlagen der Welt. Seit 1998 ist das Gelände in seiner Gesamtheit als schützenswertes Ensemble ausgewiesen. Die drei Hauptsportstätten Olympiastadion, Olympiahalle und Olympiaschwimmhalle sind unter dem berühmten Zeltdach zusammengefasst und bilden mit dem Fernsehturm eine Einheit von vier Einzeldenkmälern, die unvergleichlich in den Landschaftspark von Günther Grzimek eingebettet ist, nicht zuletzt durch das Versenken der Sportstätten in Mulden.

Der Schuttberg aus den Kriegstrümmern der Münchner Innenstadt wird zum Aussicht bietenden Olympiaberg; das Grün wird durch die Wasserflächen des Olympiasees und des Nymphenburg-Biedersteiner Kanals ergänzt. In einem 2005 gefassten vierzigseitigen Stadtratsbeschluss zählen diese Anlagen zu den besonders schützenswerten Erhaltungsbereichen. Hier darf nichts realisiert werden, was das Erscheinungsbild wesentlich verändern oder beeinträchtigen könnte. Wichtige Blickbeziehungen müssen beachtet und freigehalten werden.

Dagegen ist das Areal östlich der olympischen Sportstätten als vorrangiger Bereich für bauliche Ergänzungen vorgesehen. Hier bestehe sowohl „funktionaler als auch gestalterischer Neuordnungsbedarf im Spannungsfeld zwischen den olympischen Bauten und der BMW Welt“. Dieser 2007 fertiggestellte Bau von Coop Himmelb(l)au ist nun einmal da, definiert den Auftakt zum dahinterliegenden Olympiadorf und BMW-Gelände und nicht zuletzt das Erlebnis. Dass es in diesem Fall mit Kommerz gleichzusetzen ist, lässt sich unschwer erkennen.

Park und Werk: Hinter dem Olympiagelände erstreckt sich das weitläufige BMW-Areal mit dem „Vierzylinder“-Turm von Karl Schwanzer von 1973, jetzt von ASP Schweger Assoziierte modernisiert.

Vom Olympiapark zum Kommerzpark?

Aber auch Sportstätten unterliegen heutzutage den Gesetzen der Kommerzialisierung. Hier droht jedoch durch neue Erlebniswelten über und unter der Erde schleichend aus der einst von Günther Grzimek bezeichneten „humanen Gebrauchslandschaft zum Spielen und Sichwohlfühlen“ eine kommerziell untergrabene Disneylandschaft mit bewachsenen Maulwurfshügeln zu werden.

Der vorrangige Auftrag der städtischen OMG ist es, den Park möglichst wirtschaftlich zu betreiben. Denn der Stadtratsbeschluss fordert in aufmunternder Weise: „Um den Verlust der Miet­einnahmen nach Auszug der Münchner Fußballvereine auszugleichen, muss die OMG ein Entwicklungs- und Veranstaltungskonzept für einen zeitgemäßen und wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen erarbeiten, das den Olympiapark stärker vermarktet als bisher, um ihn auch in Konkurrenz zu anderen Veranstaltungsorten im süddeutschen Raum noch besser zu positionieren.“

Die Trennung in Tabu- und Entwicklungsbereich ermunterte bald zu abenteuerlichen Projektstudien und Investorenplänen, von einer Wellnessklinik einschließlich fünfgeschossigem Hotelrundling um den Olympiaturm, Eventhallen, Hochgarage bis hin zu einem Science-Center. In den ersten Vorüberlegungen wollte man zu allem Überfluss noch das mit zahlreichen Architekturpreisen ausgezeichnete Eislaufzelt von Ackermann und Schlaich von 1983 abreißen. Aber wenigstens dies ist inzwischen vom Tisch.

Zwei erste Preise: Delugan Meissl Associated Architects aus Wien, planen nördlich des flach auslaufenden Olympiaparks einen 70-Meter-Hotelturm.

Im Sog der neuen Welten

Es wäre vieles möglich, gäbe es nicht wachsame Bürger in München – oft sind es Architekten. Initiiert durch eine Pressekonferenz der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und eine spätere Podiumsveranstaltung des Münchner Forums entstand zumindest etwas Transparenz und Informationen über kursierende Testentwürfe konnten an die Öffentlichkeit gelangen. Wachsamkeit ist weiter geboten: Ein von der ECE geplantes Hochhaus im Norden hinter der BMW Welt macht dem Olympiadorf jetzt Konkurrenz. Hier will die Stadt einen ungepflegten Busbahnhof loswerden und die ECE sich dem Erfolg von BMW unmittelbar anschließen.

Doch wer hier künftig aus der U-Bahn kommt, hat dann nicht mehr das Panorama des Olympiaparks vor sich, sondern gerät in den Sog der neuen Welten. Das Premiumhotel mit 300 Zimmern soll 70 Meter hoch werden. Ob dabei auf die bestehenden „Parkqualitäten“ eingegangen wird, für die der Olympiapark einen eher flacheren, sanften Auslauf an seinen Rändern braucht, oder der städtebaulich nötige Abstand zu Autotempel und Olympiadorf gewahrt wird, sei dahingestellt. Das Landesamt für Denkmalpflege kritisierte bereits im Vorfeld die Nähe zum Eingang von Olympiagelände und -dorf.

Zweiter erster Platz, André Poitiers aus Hamburg. Der Bau soll neben der BMW-Welt stehen; die Jury lobte die „an dieser Stelle entscheidende Einbindung des Baukörpers in das städtebauliche Umfeld“

Klare stadtplanerische Vorgaben für den gesamten Bereich und seine Ränder sind nun gefragt. Auf jeden Fall ist der Stadtratsbeschluss zu modifizieren und der auf der OMG lastende Investitionsdruck zu entkräften, zumal ein weiterer Faktor ins Spiel kommt: die Olympiabewerbung für die Winterspiele im Jahr 2018. Der Zuschlag für München hätte ohnehin zur Folge, dass die Gestaltung des gesamten Bereiches und seiner Ränder neu überdacht ­werden müsste. Der Umbau des nicht weit davon entfernten Radstadions in ein Musicaltheater ist bereits ­gestoppt.

Dass für Olympia neue Sportbauten, ein Olympiadorf für die Athleten und eine Pressestadt benötigt ­werden, eröffnet beflügelnde planerische Perspektiven. Wer weiß, vielleicht könnte sogar die unrühmlich verschmähte Werkbundsiedlung an anderer Stelle zu neuen Ehren gelangen.

Zu Euphorie besteht jedoch kein Anlass. Selbst wenn die Bewerbung gelingt – was ist nach 2018, wenn die Abschlussfeier vorbei ist? Ökonomisch droht die gleiche Situation wie jetzt. Wenn heute Stadtspitze und Olympiapark GmbH Handlungsbedarf in den genannten Bereichen sehen, wird dieser auch nach 2018 wieder entstehen. Deshalb wäre es vernünftig, den durch den unseligen Stadtratsbeschluss erzeugten Finanzdruck auf die OMG zu entkräften und den „Noch-Sportpark“ für die Bürger auch in seinen Rändern zu erhalten. 2011 wird sich entscheiden, ob München erneut Olympiaaustragungsort wird. Die Chancen stehen zurzeit sehr gut. Und sie wachsen weiter, wenn München mit dem Olympiaerbe von 1972 würdig umgeht.

Dipl.-Ing. Cordula Rau ist Architektin und Journalistin in München.

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