Das turbulente Jahr 2020 ist vorbei – und wo wir als moderne Gesellschaft lange glaubten, wir befänden uns nur in einem temporären Schlingern unseres Erfolgskurses, reift nun bei vielen die Gewissheit, dass nichts mehr so werden wird wie zuvor. Auf dem gemeinsamen Weg durch die Krise haben wir alle persönlich viel gelernt: über unsere Belastungsgrenze und unsere Angst vor Krankheit und Tod, über Politik, Statistik und Toleranz, über die Relevanz von Familie und Arbeit, über Freundschaft und Miteinander in harten Zeiten.
Und welche Auswirkungen hat die Krise fachlich? Müssen wir jetzt alles anders planen? Ich denke nicht. Unsere gebaute Umwelt ist resilienter, als es unter dem Druck des Augenblicks manchmal scheint; das hat die Vergangenheit schon oft gezeigt. Die Krise könnte allerdings den Weg für einige positive Veränderungen ebnen, deren Zeit reif ist: eine höhere Wertschätzung des ländlichen Raumes zum Beispiel, eine gerechtere Verteilung des Verkehrsraums in den Städten und eine wieder lebendigere Nutzungsmischung in den Innenstädten.
Diese Fragen, die wir in diesem Heft behandeln, sind selbstverständlich nur einige der Dinge, die uns in nächster Zeit beschäftigen werden. Wo wir gewohnt waren, den öffentlichen und architektonischen Raum zum sozialen Miteinander und Austausch verschiedener Meinungen zu nutzen, ist nun soziale Distanz die neue Normalität. Was das über die Architektur hinaus für unsere Gesellschaft bedeutet, ist nicht absehbar. Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Es liegt in unserer Verantwortung, wo die Reise hingeht.
Dr. Brigitte Schultz, Chefredakteurin
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