Moderieren, präsentieren, in lebhaften Diskussionen intervenieren – das lernt man meist erst in der Praxis. Es ist aber in vielen Projekten inzwischen so wichtig wie das Entwerfen, das im Studium gründlich gelehrt wird. Mit Blick auf die verlagerten Gewichte in der Praxis bietet die Bonner Alanus-Hochschule jetzt den Masterstudiengang „Prozessarchitektur“. Sie ist der klassischen „Objektarchitektur“ gegenübergestellt – die die Alanus-Hochschule ebenfalls lehrt.
Jeder Bachelor kann sich für den Teilzeit-Studiengang bewerben, aber besucht wird er überwiegend von gestandenen Praktikern. „Ihnen geht es um Fähigkeiten für komplizierte Prozesse, die sie vorher nie systematisch lernen konnten“, sagt Fachbereichs-Manager und Architekt Willem-Jan Beeren. Auf dem Lehrplan stehen Methoden und Organisation der Beteiligung, Kommunikation und Präsentation, politische und rechtliche Grundlagen. Den Schwerpunkt bilden aber praktische Projekte, die die Studenten selbst vorschlagen können. Gern bringen sie diese aus ihrer Praxis mit: Ein Student beispielsweise, der beim Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen arbeitet, beschäftigt sich dort und im Studium mit einer Paderborner Hochschule, an deren Umbau die Nutzer beteiligt werden sollen.
Willem-Jan Beeren denkt nicht nur an die Beteiligung in Großprojekten und in Wohnungsbau-Gemeinschaften: „Es gibt auch mehr und mehr Projekte von gemeinnützigen Einrichtungen wie freien Schulen, Gesundheitsinitiativen oder in der alternativen Landwirtschaft. Hier können Architekten und Stadtplaner aktiv mitgestalten – was viel dankbarer ist, als wenn sie sich auf eine Designerrolle für Fassaden und Details beschränken.“ Er sieht einen ganz generellen „Trend weg von klassischer Investoren-Architektur hin zu selbstbestimmter, durch gemeinsame Werte getragener Baukunst“.
Aber zerstört das dauernde Wechselspiel mit Dritten nicht das Ideal des autonomen, nur seinem eigenen Ideal verpflichteten Entwurfskünstlers? Nein, meint Beeren – dieses Ideal gehe Berufsanfängern ohnehin meist verloren. „Wer sein Erststudium mit diesem Ziel studiert hat, erleidet regelmäßig einen Realitätsschock. In der Praxis stellt sich heraus, dass Architektur zu einem immer größeren Teil Kommunikation ist. Zu uns kommen Leute, die gerade darin einen besonderen Reiz sehen.“ Doch der Künstler verschwindet nicht ganz, sondern kommt in ein praxisgerechtes Spannungsverhältnis mit dem Kommunikator. „Diese Spannung wird bei uns immer wieder diskutiert“, sagt Beeren. „Aber es gibt auch neue Synthesen. Die Ästhetik des Gebäudes kann gewinnen, wenn zu ihren individuellen Komponenten soziale hinzukommen. Und die Prozesse selbst können ästhetisch sein.“ Nikolaus von Kaiserberg, Architektur-Fachbereichsleiter der Alanus-Hochschule, bringt eine Analogie aus der Theater- und Konzertwelt: „Planen und Bauen sind die Uraufführung eines Stückes, das es vorher nicht gab – und zwar durch ein Team, das sich neu und ohne Proben zusammenfindet.“
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…und wer sich für den Studiengang interessiert: Am Samstag, 19. November, gibt es einen Studieninfotag der Alanus Hochschule. Um 14h stellt Prof. Swen Geiss unter dem Thema „Prozessarchitektur…?!“ Neuland in der Verknüpfung architekturrelevanter Themen mit Fragen einer nachhaltigen Projektentwicklung“ das Masterprogramm vor.