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Querfeldeins: Ökologie und Diversität

Warum auf nur eine Disziplin setzen, wenn man mehr haben kann? Das Dresdner Büro Querfeldeins bringt gezielt Hochbau, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung zusammen. Dieser ganzheitliche Blick beschert ihm einen Wettbewerbserfolg nach dem anderen. Vor allem mit Schwammstadt-Konzepten.

Von: Luisa Richter-Wolf
Luisa Richter-Wolf schreibt über Landschaftsarchitektur an den Unis, im Beruf...

28.02.20247 Min. Kommentar schreiben
Illustration des Cheltenhamparks in Göttingen
Natur in der Stadt: Der Cheltenhampark ist eine wichtige Station auf dem „Grünen Ring“ rund um die Göttinger Altstadt.

Bei erfolgreichen Projekten stimmt einfach alles. Man merkt, dass der Entwurf der Architektur mit der Landschaftsarchitektur und dem Städtebau harmoniert und der Ort mit den anderen Disziplinen im Hinterkopf entwickelt wurde. Daher überrascht es eigentlich, dass in Deutschland vergleichsweise wenige Büros alle drei Disziplinen zusammenbringen. Oft ist jede durch ein anderes Büro vertreten, was zu eher wenig Austausch in der Entwurfsphase führt.

Architektur, Stadtplanung und Landschaftsarchitektur vereint

Nicht so bei Querfeldeins, 2013 in Dresden gegründet von der Landschaftsarchitektin Annegret Stöcker, dem Architekten und Stadtplaner Daniel Stöcker-Fischer und dem Landschaftsarchitekten Frank Großkopf. „Wir kannten es durch das Studium so, da wir schon damals fachübergreifende Projekte zusammen bearbeiteten“, erklärt Annegret Stöcker. „Deshalb ist von Anfang an klar gewesen, dass wir ein interdisziplinäres Büro sein wollen.“ Durch das Arbeiten in allen Maßstäben entstünden viele Vorteile. Nicht nur, dass das Büro in der Lage ist, ein Gesamtpaket der Planung für Hochbau, Städtebau und Freiraum anzubieten, auch können aus einem Projekt so mehrere Aufträge entstehen.

Annegret Stöcker, Daniel Stöcker-Fischer und Frank Großkopf (v.l.n.r.)
„Je diverser das Team ist, umso ideenreicher kann der Entwurf werden“: Annegret Stöcker, Daniel Stöcker-Fischer und Frank Großkopf von Querfeldeins (v.l.n.r.)

Alle Fachrichtungen auf Augenhöhe

„Das interdisziplinäre Arbeiten erweitert den Blick auf die Aufgabenstellung“, sagt Annegret Stöcker. „Je diverser das Team ist, umso ideenreicher kann der Entwurf werden.“ So trägt bei jedem Projekt eine Person aus der leitenden Disziplin die Hauptverantwortung. Die jeweilige Projektarbeitsgruppe wird so zusammengestellt, dass alle Fachrichtungen auf Augenhöhe miteinander arbeiten können.

Durch die Interdisziplinarität im Büro werden Abstimmungsprozesse schneller und unkomplizierter. Annegret Stöcker betont, wie wichtig es ihnen ist, dass alle in der Projektgruppe vom Wissen der anderen profitieren können: „So wächst das Verständnis für die anderen Bereiche bei allen Beteiligten.“

Gemeinsames Entwerfen fördern

Im Entwurfsprozess sei die Transparenz elementar. Das Projektteam erarbeitet den Entwurf gemeinsam anhand von Skizzen und Arbeitsmodellen und diskutiert die verschiedenen Varianten – analog im Büro aufgehängt und in entsprechenden digitalen Boards.

Die Teams nutzen bewusst diese verschiedenen Tools, um das gemeinsame Entwerfen zu fördern. Dabei liegt die konkrete Arbeitsweise in der Verantwortung der Projektleitung, sodass sie den passenden Schwerpunkt setzen kann.

Preisgelder und Lehrtätigkeiten

Neue Projekte akquiriert das Büro hauptsächlich durch Wettbewerbe, die anfangs zu dritt im eigenen Wohnzimmer ausgearbeitet wurden. Zu der Zeit arbeiteten die drei Gründer noch parallel an der Universität, um den Traum vom eigenen Büro zu realisieren. Während sich Daniel Stöcker-Fischer und Frank Großkopf schrittweise von dieser Stütze trennten, blieb bei Annegret Stöcker die Begeisterung für die Wissenschaft. Sie ist derzeit als Vertretungsprofessorin an der ­HFWU Nürtingen-Geislingen tätig.

Die ersten Preisgelder nutzte Querfeldeins, um seine ersten eigenen Räume anzumieten. Aus dem Gründungstrio wurde schrittweise ein Büroteam, das nun, zehn Jahre nach Bürogründung, mehr als 20 Köpfe stark ist. „Anfangs war es schwierig, abzuschätzen, in welcher Disziplin wir Leute einstellen sollten“, erinnert sich Annegret Stöcker. „Denn es war nie klar, in welchem Bereich wir einen Wettbewerb gewinnen würden.“

Ein Problem sei teilweise bis heute der Nachweis bereits fertiggestellter Referenzen in Wettbewerben. Dies liege vor allem an den langen Planungs- und Bauzeiten, durch die oft viele Jahre zwischen dem Wettbewerbsgewinn und der Fertigstellung vergingen.

Übersichtskizzen des Göttinger Cheltenhamparks
Landschaftliche Vielfalt: Der neugestaltete Cheltenhampark bekommt u.a. eine blühende Landschaft, eine Spiellandschaft, eine blaugrüne Landschaft und eine erinnernde Landschaft.

Cheltenhampark: historischen Park an Klimawandel anpassen

Trotz dieser Anlaufschwierigkeiten setzt das junge Büro weiterhin konsequent auf die Strategie Wettbewerb – mit Erfolg. In Göttingen überzeugte Querfeldeins zuletzt bei drei nicht offenen, anonymen Wettbewerben. Der erste Wettbewerbssieg dort, die Umgestaltung des Cheltenhamparks, geht feinfühlig mit der historischen Anlage um, einer Grünfläche direkt vor dem ehemaligen Stadtwall. Eine Herausforderung des Entwurfs war es, den vorhandenen Baumbestand und einen zentralen Teich zu integrieren. Als einziges Team erweiterte Querfeldeins den Bearbeitungsraum entlang des ehemaligen Walls und schuf somit städtebaulich übergreifende Zusammenhänge.

Auch die Umgestaltung des Parks mit Raumtypologien wie der „blaugrünen Landschaft“ und einer „blühenden Landschaft“ mit Stauden und Wildblumen sorgten für den Wettbewerbssieg. Da das Projekt durch das Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ gefördert wird, waren gerade nachhaltige Entwurfsbausteine wie die blaugrüne Infrastruktur – also die aktive Nutzung des Regenwassers – ein wichtiger Bestandteil.

Grafik des Göttinger Cheltenhamparks aus der Vogelperspektive
Blaugrün und blühend: Eine der Herausforderungen beim Wettbewerb zur Umgestaltung des Göttinger Cheltenhamparks war es, die bestehenden Bäume und einen zentralen Teich zu integrieren.

Lange Rekesweg: wassersensibles Modellquartier

Als zweiter Wettbewerbssieg in Göttingen folgte das nachhaltige Modellquartier „Lange Rekesweg“. Es soll am Stadtrand mit ­direkter Verbindung in die freie Landschaft rund 300 Wohneinheiten schaffen und durch einen Mobility-Hub mit Car- und Bikesharing besonders nicht motorisierte Fortbewegung fördern. Alle Straßenräume sind dafür als Mischverkehrsflächen mit hohem Aufenthaltscharakter ausgebildet.

Ebenso fällt auch hier wieder das starke blaugrüne Freiraumgerüst auf: Die Jury lobte besonders „die kleineren multifunktionalen Retentionsflächen in den Wohnhöfen“ als Mittel einer „wassersensiblen sowie identitätsstiftenden Quartiersplanung“.

Waageplatz: Stadtplatz mit Erholungsfunktion

Nach den ersten beiden Wettbewerbssiegen war man sich bei Querfeldeins sicher, dass „die Stadt es sehr ernst mit dem klimagerechten Stadtumbau meint“, sagt Annegret Stöcker. „Daher haben wir uns beim dritten Anlauf dazu entschieden, die Themen sichtbar und gestalterisch hochwertig voranzutreiben.“ Diesmal stand der innerstädtische Waageplatz auf der Agenda, direkt an der Staatsanwaltschaft Göttingen und am Leinekanal gelegen.

Der Entwurf für seinen Umbau kombiniert die Nutzung als Stadtplatz mit der Erholungsfunktion eines kleinen Parks. Dafür analysierte das Team die Bewegungsströme der Menschen über den Platz und formte zwischen ihnen unterschiedliche Themen-Inseln.

Zisterne als Speicher für Regenwasser

An ihnen wird der Entwurfsansatz, die blaugrüne Infrastruktur zu stärken und somit mit der Natur zu entwerfen, deutlich: Zwei großzügige „Grün & Nass“-Inseln bilden die Rückseite des Platzes aus. Die multifunktionale Insel „Feiern & Treffen“ bietet genügend Platz für ein Festzelt und Veranstaltungen. Unter der wassergebundenen Wegedecke ist eine unterirdische Zisterne als Speicher für Regenwasser geplant, um die umliegenden Pflanzen gießen zu können.

Auf der angrenzenden Insel „Spielen & Toben“ findet sich ein Wasserspielplatz für Kinder. Dort fallen große Trichterschirme auf, die das Regenwasser sammeln, das im Sommer für Abkühlung sorgt. Die Älteren können das Element Wasser durch ein kleines Plateau direkt am Leinekanal erleben.

Schwammstadt-Konzept für Göttingen

Der Entwurf des Waageplatzes setzt zahlreiche Ideen des Schwammstadt-Konzeptes um: Offene Rasenfugen ermöglichen die Versickerung von Niederschlag, durch Gefälle und versiegelte Fugen wird Regenwasser von Erschließungsflächen auf Grünflächen umgeleitet und kommt dort den Pflanzen zugute. Auch schlägt Querfeldeins eine Begrünung der südlichen Gebäudekante der Staatsanwaltschaft Göttingen vor.

Annegret Stöcker erklärt, dass gerade Vorschläge wie eine Fassadenbegrünung gegenüber Bauherren gut begründbar sind, da ein Gebäude dadurch energieeffizienter wird. Auch legen sie Auftraggebern langlebige Materialien wie in diesem Fall Striegauer Granit als Belagsfläche nahe, die sich langfristig gedacht für den Bauherrn finanziell auszahlen.

Vorbilder in Sachen Diversität und Interdisziplinarität

Wohin sich das Büro entwickeln will, wollen wir noch wissen. Annegret Stöcker erzählt, dass es zehn Jahre nach der Gründung in Sachen Diversität gerne noch einen Schritt weitergehen darf: „Da es wenige vergleichbare Vorbilder in Deutschland gibt, sind niederländische und dänische Büros wie WEST 8, SLA und Cobe Inspirationsquelle wie Vorbild – damals wie heute.“

Dort arbeiten bis zu zehn verschiedene Disziplinen zusammen – neben Landschaftsarchitektur, Architektur und Stadtplanung auch Fachrichtungen wie Botanik, Hydrologie und Lichtplanung. Mit Blick darauf sagt Annegret Stöcker: „Sehr gern möchten wir in Zukunft auch noch mehr Fachexpertise im Büro vereinen.“

Alle Beiträge zum Thema finden Sie in unserem Schwerpunkt Jung!

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