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Rathaus Mainz von Arne Jacobsen: Engagiert für ein Baudenkmal

Lange wurde gerungen in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt, ob und wie das Rathaus von ­Arne Jacobsen erhalten werden soll. Dass ­inzwischen ziemlich denkmalgerecht renoviert wird, ­darauf hat auch die örtliche Kammergruppe seit bald 20 Jahren kreativ hingearbeitet.

Von: Christoph Gunßer
Christoph Gunßer ist für das DAB vor allem in Süddeutschland...

25.01.20246 Min. 1 Kommentar schreiben
Steinfassade des Arne Jacobsen Rathauses in Mainz, davor Ausstellungsplakate über das Gebäude und Passanten.
Selbst nach Sanierungsbeginn forderten manche noch den Abriss. Die Antwort: eine Ausstellung über das Gebäude am Bauzaun.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Mainz bleibt modern“ im Deutschen Architektenblatt 01-02.2024 erschienen.

Von Christoph Gunßer

Eine 80 Meter lange, sieben Geschosse hoch mit grauem Granit verkleidete Beamtenburg auf einem zugigen Plateau, das die Relikte der angrenzenden barocken Altstadt ins Untergeschoss verbannt – vor exakt 50 Jahren eingeweiht, verströmt der monumentale Bau am Rheinufer die spröde Aura der Spätmoderne. Kein Wunder, dass die als lebenslustig geltenden Mainzerinnen und Mainzer mit dem schroffen Neuling erst mal fremdelten.

„Die autogerechte Stadt, Fenster, die sich nicht öffnen ließen, dafür voll klimatisiert – man hat damals nach Amerika geguckt“, erklärt Thomas Dang, Vorstand der Architektenkammer Rheinland-Pfalz und lange Jahre Sprecher der Mainzer Kammergruppe, den zunächst wenig einladenden Charakter des Rathauses. „Erst langsam gelang es uns, den Leuten klarzumachen, welches Juwel sie da haben.“

Denkmalschutz allein reicht nicht

Tatsächlich erreichte die vereinte Überzeugungsarbeit von Architektenschaft und Denkmalpflege, dass der prominente, auch innen komplett vom dänischen Stardesigner Arne Jacobsen gestaltete Bau 2006 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Doch wie so oft rettete dieser Status das Gebäude nicht vor weiteren Gefahren: Immer wieder standen sogar Abrissforderungen im Raum.

„Denkmal modern“ überschrieb die Kammergruppe deshalb 2011 ihre Woche der Baukultur und lud zu Vorträgen und Führungen ein, die ein Bewusstsein für den Wert der jungen Denkmale wecken sollten.

Rathaus von Arne Jacobsen aus der Vogelperspektive auf einem Foto von 1968.
Der Bau von Arne Jacobsen und Otto Weitling ging 1968 aus einem internationalen Wettbewerb hervor. Es war der erste Rathausneubau der Stadt seit rund 500 Jahren.

Banner am Bauzaun als Erklärwand

Und noch 2021 – die Grundsanierung des Rathauses hatte endlich begonnen – erklärte sie auf großen bebilderten Bannern am Bauzaun, was für ein Gesamtkunstwerk Arne Jacobsen da geschaffen hat. „Die skulpturale Fassade erzeugt eine Dynamik, die vom Kunstwerk ,Lebenskraft‘ aufgegriffen wird“, heißt es da zum Beispiel begeistert.

Die Erklärwand war eine gemeinsame Aktion mit den rührigen „Freunden des Mainzer Rathauses“, einer Gruppe junger Architekten, Designerinnen und Kunsthistoriker, die sich inzwischen als „Die Betonisten“ für den Erhalt von gefährdeten Werken der Nachkriegsmoderne einsetzen (und dafür Ende 2023 den Deutschen Denkmalschutzpreis für Vermittlung gewannen). Zuletzt war eine Ausstellung von Jacobsens sieben Werken in Deutschland unter dem Titel „Gesamtkunstwerke“ in Mainz zu sehen.

Keine Rücklagen für Sanierung

Eine lange Geschichte scheint nun also doch gut auszugehen. Es sah nicht immer danach aus: Bereits nach der Jahrtausendwende waren die Spuren der Vernachlässigung am Rathaus nicht mehr zu übersehen gewesen. „Die Moderne ist bleiern und grau geworden“, vermerkte ein Denkmalpfleger. „Sie erodiert schneller, als Wertschätzung für sie reifen kann.“

Als die veraltete Klimaanlage ausfiel, wollte die notorisch klamme Stadt nur die Haustechnik erneuern, mit erheblichen Eingriffen in die Bausubstanz. „Jeder Bauherr bildet für den Erhalt Rücklagen“, sagt Thomas Dang. „Aber die gab es hier nicht.“ Die Kammergruppe mahnte damals ein grundlegendes Sanierungskonzept an.

Eingepackte Hausfassade mit Bauzäunen, davor Menschen
Die Kammergruppe Mainz/Mainz-Bingen: Timm Helbach, Thomas Dang, Helge Hußmann, Kathrin Rund und Ina Seddig (v. l. n. r.). Es fehlen Günter Schüller und Diana Baumgärtner.

Ideenwettbewerb für Weiterbau

2014 lobte die Stadt einen Ideenwettbewerb aus, um auszuloten, wie sich das Rathaus weiterbauen ließe. Arne Jacobsens einstiger Partner und Projektleiter Otto Weitling (das dänische Büro Dissing + Weitling floriert bis heute) wurde kontaktiert und gab seinen Segen, das Büro selbst wollte aber nicht aktiv werden.

Ein Bürgerforum über dem Foyer, eine öffentliche Dachterrasse und endlich eine große Freitreppe zum Rhein – das waren Ideen, die damals aufkamen, von der Denkmalpflege jedoch bis zuletzt kritisch gesehen wurden. Im öffentlichen Diskurs über die Ergebnisse, zu dem die Kammergruppe in Mainz wichtige Beiträge leistete, kam erstmals auch die „graue Energie“ zur Sprache, die in der Baustruktur steckt.

Bürgerbegehren gefordert

Der Generalplaner agn Niederberghaus & Partner aus Ibbenbüren bekam 2015 den Auftrag zur Sanierungsplanung. Als die veranschlagten Kosten jedoch immer weiter stiegen – 50 Millionen Euro wurden anfangs genannt –, machte der Oberbürgermeister 2017 einen Rückzieher: Er wollte ein Bürgerbegehren veranstalten, das über einen Verkauf oder Abriss des maroden Baus entscheiden sollte.

Doch der Stadtrat, medienwirksam gedrängt auch von der einmütigen Szene aus Mainzer Architektenschaft, Denkmalfachleuten und baukulturell Engagierten samt den zu diesem Zweck gegründeten „Freunden“, beschloss stattdessen 2018, zu sanieren. Unterdessen begannen sich Fassadenplatten zu lösen, weitere gravierende Mängel traten auf.

Frau sitzt auf einem gelben Stuhl vor der steinernen Fassade des Arne Jacobsen Rathauses in Mainz.
„Erst langsam gelang es uns, den Leuten klarzumachen, welches Juwel sie da haben.“ Die Experten sind sich einig: Das Arne-Jacobsen-Rathaus ist eine Kostbarkeit.

12.000 Einzelteile eingelagert

2019 wurde das Rathaus geräumt und eine Grundsanierung begonnen. 12.000 Einzelteile der Innenausstattung lagern seither, sorgfältig inventarisiert, in einer Halle am Stadtrand. Gegenwärtig steht fast nur noch die Ortbetonstruktur, deren Reize zuletzt am „Tag des offenen Denkmals“ zu bewundern waren.

Das Ringen um etwaige „Verbesserungen“ des Originals geht indes weiter. Erst kürzlich fanden die Beteiligten einen Kompromiss, der zumindest das Bürgerforum und die Dachterrasse festzurrt. Bauliche Veränderungen am bisher wenig großzügigen und kaum barrierefreien Zugang sowie die Freitreppe zum Rhein bedürfen der Abstimmung mit dem Betreiber der benachbarten Rheingoldhalle, in dessen Zuständigkeit das öffentliche Plateau skurrilerweise liegt. Kurz: Alles ist kompliziert. „Die mahlen wie Mühlsteine“, meint Thomas Dang mit Blick auf die behördlichen Abläufe.

Über 100 Mio für die Sanierung

Als sehr hilfreich erwiesen sich allein die dank Biontech sprudelnden Steuereinnahmen – über eine Milliarde Euro mehr für Stadt und Land im Jahr 2021. So beteiligt sich das Land mit wohl 48 Millionen an der Sanierung, die inzwischen auf über 100 Millionen Euro geschätzt wird, je nach den letztendlich hinzugefügten Extras.

Zumindest das Eingangsgeschoss wird wohl komplett im Urzustand wiederhergestellt, in den Obergeschossen konnte die Stadt offenbar zum Teil eine Umwandlung in Großraumbüros durchsetzen. Ihre Informationspolitik, lange als intransparent kritisiert, hat sich mittlerweile verbessert. Es gibt einen halbjährlich tagenden Sanierungsbeirat, an dem auch die Kammergruppe beteiligt ist.

Fassade aus digitalen Repliken auf Keramik

Da die norwegischen Fassadenplatten nicht mehr lieferbar sind (und auch baulichen Ärger bereiteten), sollen nun digitale Repliken auf Keramik hergestellt werden. Jede einzelne Steinplatte wird dafür eingescannt. Architektenschaft und Denkmalexperten haderten zunächst mit dieser wenig authentischen Lösung – es handelt sich schließlich um ein Fake, das zudem keine weitere Patina ansetzen kann.

Doch da sie zwei Millionen Euro einspart und eine dickere Dämmung erlaubt, ohne die Fassadenproportionen unzumutbar zu beeinträchtigen, ist sie offenbar beschlossen. 2027 soll alles fertig sein. „Mainz bleibt Mainz mit dem Rathaus“, ist Thomas Dang zuversichtlich. „Die Leute werden es mit der Zeit als ein Stück Heimat sehen.“

Alle Beiträge zum Thema finden Sie in unserem Schwerpunkt Engagiert

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1 Gedanke zu „Rathaus Mainz von Arne Jacobsen: Engagiert für ein Baudenkmal

  1. Verschwendung von Steuergeldern

    Das Mainzer Rathausprojekt mit der dazugehörigen Tiefgarage und dem Plateau, Jockel-Fuchs-Platz ist ein „Millionengrab“ anfangs in DM dann in EURO. Für dieses Sanierungsprojekt Millionen aus den Gewerbesteuereinnahmen der Firma Biontech zu verwenden ist für den Umgang mit Steuergeldern bezeichnend. Vergessen sind vermutlich die Millionen für die Tiefgaragensanierung, da aufgrund der Planung von Jacobsen und Weitling die fußläufigen Zugänge vom Plateau in die Tiefgarage keine Überdachung vorgesehen hatten. Die Tiefgarage verwandelte sich über Jahrzehnte zu einer Tropfsteinhöhle, da das Niederschlagswasser in alle Ebenen des Baukörpers gelangen konnte. Die „Volksvertreter*innen“ brachten es nicht fertig, dass dieser Mangel frühzeitig durch den Bau passender Glasbauten über den Eingängen beseitigt wurde, damit das Niederschlagswasser nicht mehr in die Konstruktion laufen kann. Die Architekten bestanden auf ihrem Copyright und stimmten einem Umbau nicht zu. Diese Architekten fühlen sich dem Gemeinwohl nicht verpflichtet, leider kein Einzelfall. Bis heute ist die Oberflächenentwässerung des Plateaus, überwiegend als Unterflurentwässerung konzipiert, nicht repariert worden – im Prinzip eine Fehlkonstruktion, weil man diese nicht unterhalten und pflegen kann. Aber welcher Architekt*in beschäftigt sich gerne mir solchen banalen Fragen. Der Platz steht nach starken Regenfällen seit Jahrzehnten zum Teil unter Wasser.
    Die Keramikplatten mit dem Aufdruck der alten Natursteinpatten wird das Gebäude vermutlich noch grauer und trister erscheinen lassen. Sie werden bei Regen kaum anders aussehen, als im trocknen Zustand. Das Ganze sieht noch lebloser aus, als das Original. Wer wird sich zukünftig im Umfeld des Rathauses gerne aufhalten wollen? Der Baukörper wird gerne als Skulptur betrachtet, soll wohl Kunst bedeuten, dann aber eine sehr teure. Eigentlich soll es ein Rathaus sein, ein Ort für Bürger*innen und einer gemeinwohlorientierten Politik.
    Das Engagement bei der Rathaussanierung wünschte man sich bei den maroden Schulgebäuden, KiTas und anderen öffentlichen Gebäuden. Der / die Bauherr*in der öffentlichen Hand hält immer die Hand auf. Geld vom Steuerzahler ist ja unendlich vorhanden. Vermutlich landen die Baukosten ohne Sanierung der Außenanlagen bei € 200 Millionen, da die Preise weiter steigen und bis zum Schluss Unvorhergesehenes noch als weitere Ausrede benutzt wird. Die „Volksvertreter*innen“ und Planer*innen können das auch nicht wissen. Und wenn sie es wissen, so machen sie es eben so, wie man es seit Jahrzehnten schon tut. Dieses Verhalten ist sozial, ökologisch und ökonomisch nicht nachhaltig. Das Projekt steht auch als Sinnbild der aktuellen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Misere unseres Landes.

    Prof. Dipl.-Ing. Andreas Paul Landschaftsarchitekt
    Projektentwicklung + Nachhaltige Ortsentwicklung
    Amtsgartenweg 7, 79410 Badenweiler + Sitz in Mainz

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