Nils Hille
„Wettbewerb“ ist für die Auslober dieses Verfahrens eigentlich schon der falsche Begriff. Der klingt nach Konkurrenz, hier standen aber die Gemeinschaft und vor allem die Beteiligung Lehrender und Lernender im Mittelpunkt. So wurde das Verfahren um die Bildungslandschaft Altstadt Nord als städtebaulicher Planungsworkshop ausgeschrieben – und es hatte eindeutig Workshopcharakter.
Schon im April letzten Jahres wurde das Modellprojekt von den Montag Stiftungen Urbane Räume sowie Jugend und Gesellschaft gemeinsam mit der Stadt Köln initiiert. Der Stadtraum mit seiner 2000-jährigen Geschichte braucht ein Profil. Momentan besteht er aus einem hauptsächlich nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Wohnviertel und dem 1970 am Standort des ehemaligen Staatsgefängnisses angelegten Klingelpützpark, der sich erst nach seiner Überplanung vor rund zehn Jahren etablieren konnte.
Sieben Bildungseinrichtungen rund um die neue grüne Mitte, darunter eine Kindertagesstätte, eine Grund- und Hauptschule sowie ein Gymnasium, sollen sich nun zu einem Verbund zusammenschließen. Anhand pädagogischer Ziele sollen Räume entwickelt werden, die zum einen den Bedarf der Einrichtungen beantworten und zum anderen die Gestaltung des Bildungsverbundes fördern. Dadurch könnten der Stadtteil gestärkt und die Räume optimal ausgelastet werden.
Der Bedarf wurde also bei denen erfragt, die auch wirklich die Antworten haben. Die Mitarbeiter der Einrichtungen definierten Wohlfühl- und Unwohlfühlorte der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen des Viertels. Mithilfe von Postkartenaktionen und Videoclips präsentierten sie die Ergebnisse Ende Februar den ausgewählten Planungsteams aus Architekten, Stadt- und Landschaftsplanern. Fünf Büros waren von 63 Bewerbern übrig geblieben und lernten in dieser ersten Workshop-Phase Menschen wie Einrichtungen des Klingelpützviertels genauer kennen. Dabei konnten sie auch auf eine pädagogische Beratung zurückgreifen.
In der zweiten Workshop-Phase Anfang April präsentierten sie ihre Ideen erstmalig, eine Diskussion mit Verbundmitgliedern und Preisgericht begann.
Alle überzeugt
In einer Endpräsentation Anfang Mai stellten die Teams ihre Ergebnisse vor. Die Jury vergab zwei erste Preise: für die Teams feld 72/PlanSinn aus Wien sowie für muf architecture/art aus London, die nun gemeinsam weiterarbeiten werden und der Jury im Herbst ein tragfähiges Konzept vorlegen sollen.
Die bisherigen Ideen der beiden Teams ergänzen sich gut. Das Projekt „Alles dreht sich“ aus Wien formuliert programmatisch eine perforierte Randverdichtung. Ein gedachtes Bildungsband zieht sich durch den Stadtteil und gibt Orientierung. Eine erste Definition von Baufeldern umfasst zum Beispiel eine Bibliothek und ein Auditorium im Eingangsbereich des Klingelpützparks, die den Freiraum beleben wie sichern sollen.
Außerdem verspricht das Konzept eine weitere intensive Beteiligung der Akteure. Sie sollen zu Verhandlungen über pädagogische Ziele, Anforderungen und Wünsche alle an einen Tisch kommen. Als Grundlage dient ein von den Architekten entwickeltes Kartenspiel. „Aus den Verhandlungen entsteht dann ein konkretes Anforderungsprofil. Wünsche werden geordnet, zusammengefasst und in Quadratmetern formuliert“, so die Architekten in ihrer Konzeptbeschreibung. Danach werden Flächen definiert und Regeln aufgestellt. Schließlich entstehen erste Gebäude und Freiräume werden gestaltet, ganz in der gewünschten Reihenfolge. „Der Weg wird definiert, nicht jedoch das Ziel“, so das Team.
Geschenkkette
Muf architecture/Art aus London haben sich mit ihrem Projekt „Schule für Tauschen und Teilen“ ebenfalls stark an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Bildungseinrichtungen orientiert. Grundlage der Planung ist eine Kommunikationsstrategie, die sich um den Prozess des Teilens und Tauschens dreht. Jedes „Geschenk“, wie zum Beispiel neue und renovierte Räume des Abendgymnasiums, soll neue „Geschenke“ generieren. So kann eine Einrichtung den anderen Räume zur Verfügung stellen und dafür etwas anderes, wie Materialien oder technische Geräte, geschenkt oder geliehen bekommen. Ein planerisches wie pädagogisches Konzept, aus dem langfristig eine neue Stadtteilkultur entstehen könnte.
Konkret soll nach den Vorstellungen der Briten die Hauptschule in das Gebäude des Abendgymnasiums mit einziehen und dadurch eine neue „Zusammenschule“ entstehen. Dieser Umzug schaffe „Raum für den neuen Kindergarten und die Erweiterung der Grundschule“, so die Planer aus London.
Der Fortgang ist offen. Denn zuletzt geriet die Bildungslandschaft in die Mühlen der Lokalpolitik : Vertreter der Bezirksvertretung Innenstadt hatten die Juryentscheidung noch mitgetragen. Doch danach meldete sie und ihre Kollegen im Stadtteil-Parlament plötzlich Bedenken an – sie fürchten um den Park.