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Raumkonzepte

Die Beispiele von vier Büros zeigen: Innenarchitektur gewinnt mehr und mehr Selbstbewusstsein.

01.03.20099 Min. Kommentar schreiben

Michael Schmid

Nein, geklagt wird nicht. Wenn sich die Inhaber kleiner Innenarchitekturbüros treffen, um von sich zu erzählen, dann fallen Worte wie gestaltender Planer, Netzwerk und Kreativität. Ob auf dem Land bei Andreas Franke in Hürtgenwald, in der Kleinstadt Warstein bei Bernhild Willmes, in der Metropole Düsseldorf bei null2elf oder bei Caroline Olk, die in Bottrop gerade in die Selbstständigkeit gestartet ist. Dass die Innenarchitektur ein bloßes Anhängsel an den Hochbau sei, davon ist nichts mehr zu hören.

Ganz im Gegenteil: Es wird von der Eigenständigkeit des Innenraums, von ganzheitlichem Herangehen und wachsender Wahrnehmung der Bedeutung von Innenarchitektur in der Gesellschaft gesprochen. Vor allem das Bauen im Bestand verspricht den Gestaltern ein weites Betätigungsfeld – vorausgesetzt, die Büros pflegen Kontakte und vertrauen sich und ihren Strategien …

Caroline Olk, Bottrop

Die Engagierte

Dass der Bund deutscher Innenarchitekten (BDIA) Nachwuchskräfte sucht, war ein Vorteil für die heute 27-jährige Caroline Olk. Doch daran hat sie nicht gedacht, als sie kurz nach Abschluss ihres Studiums in Düsseldorf 2006 Mitglied wurde. Zwar musste auch sie überredet werden, stellte aber schnell fest, dass sich Engagement dort lohnt. „Auch wenn Berufspolitik dröge klingt – sich einzubringen ist angesichts der Erfahrungen ungemein wichtig.“ So hat ihr nicht nur die Unterstützung etwa bei Wahl der richtigen Berufshaftpflichtversicherung geholfen. „Es sind vor allem die vielen Kontakte, die entstehen, wenn man sich interessiert und regelmäßig an den Treffen beteiligt.“

Handskizzen sind eine Spezialität der Berufsstarterin Caroline Olk, die viel mit erfahrenen Kollegen kooperiert, etwa für ein Projekt der Initiative „Architektur macht Schule“ der Architektenkammer NRW.

Diese Kontakte führten sie zur Mitarbeit an Projekten erfahrener Kollegen, besonders eng mit dem Innenarchitekten Martin Müller, Inhaber des Büros Müller & Assoziierte in Gelsenkirchen. Olk schätzt die Tatsache, dass es sich in der Innenarchitektur vielfältig spezialisieren lässt – „so nimmt niemand dem anderen etwas weg, Kooperationen werden selbstverständlicher.“ Dass viele Büros keine Mitarbeiter mehr fest anstellen, mag ein Wermutstropfen sein, doch nur auf den ersten Blick: Auftragsbezogene Arbeit auf freier Basis ermöglichte Olk die Teilnahme an den unterschiedlichsten Projekten und bringt einen wachsenden Erfahrungsschatz. „Ich scheue mich nicht, an Neues heranzugehen“. Und was sie nicht weiß, wird eben, wie sie sagt, „nachgearbeitet“.

Caroline Olk ist auch in ihrem Studienschwerpunkt Ladenbau tätig, hier ein Beleuchtungsgeschäft.

Anfang 2009 gründete sie ihr Büro „Olk RaumPlanung“, auch wegen der vielen Projekte, an denen sie beteiligt ist. Nach wie vor profitiert sie von ihren BDIA-Kontakten, ­zurzeit etwa betreut sie mit Martin Müller den Teilumbau des denkmalgeschützten Breukerhauses in Recklinghausen. Doch für sie wie für viele in ihrer Generation ist „aktive Akquise das oberste Thema“. Da wird es ihr nützen, dass sie keine Schwierigkeiten hat, offen auf Menschen zuzugehen – und vielleicht, dass sie aller CAD zum Trotz ausgezeichnet Handskizzen anfertigen kann.

Andreas Franke, Hürtgenwald

Der Ganzheitliche

„Die Qualität von Räumen und Inhalten oder von Gebäuden und Hüllen hängt nicht davon ob ein Architekt oder Innenarchitekt geplant hat. Wichtig ist, dass beide sich unmissverständlich aufeinander beziehen.“ Andreas Franke in Hürtgenwald bei Düren bringt das Selbstbewusstsein der Innenarchitekten auf den Punkt. Er hat immer vermieden, sich auf „bloßes Möbelaufsetzen“ reduzieren zu lassen.

Als Innenarchitekt versteht er sich als ganzheitlich gestaltender Planer. Dafür hat Franke für sich eine entscheidende Weiche gestellt, als er im Alter von 35 Jahren im Jahr 2002, kurz vor seiner Selbstständigkeit, die uneingeschränkte Bauvorlageberechtigung durch eine ergänzende Hochschulprüfung an der FH Lippe und Höxter erlangte. „Für Erweiterung und Umnutzung unverzichtbar – ohne diese vermeintliche Formalie hätte ich vermutlich 70 Prozent meiner Aufträge nicht oder nicht allein ausführen können.“

Beim Umbau einer denkmalgeschützten Scheune in Düren verantwortete Andreas Franke auch statische Eingriffe wie etwa den Einzug eines Split­levelgeschosses.

Wie die denkmalgeschützte ehemalige Scheune von 1778 in Düren, sein bisher außergewöhnlichster Auftrag, die er 2006 für eine Büronutzung umbaute. Von der Gesamtkonzeption bis zur kleinsten Schraube konnte er – ganz nach seinem Konzept – umfassend wirken, vom raumbildenden Ausbau und der Entwicklung eines Möbelsystems bis hin zur statischen-konstruktiven Planung der neuen Raumstruktur unter Berücksichtigung der historischen Balkenkonstruktion. Überhaupt hat sich das Bauen im Bestand zu einem Standbein seines Büros entwickelt, für das er – gerade auch im Zusammenhang mit energetischen Fragen – noch auf Jahrzehnte ein wichtiges Betätigungsfeld für Innenarchitekten sieht.

Vor seiner Bürogründung war Franke knapp zehn Jahre für unterschiedlichen Architektur- und Innenarchitekturbüros angestellt und freiberuflich tätig, „schlicht, um über den Tellerrand hinauszusehen und bereichsübergreifende Erfahrungen zu machen“. Schon früh übernahm er Verantwortung für Ausführungsplanungen, Vergabe und Ausschreibung, Bauüberwachung oder auch ganze Projektleitungen. „Das so komplettierte Wissen um Planung und Projektentwicklung erlaubt mir heute das umfassende Herangehen an verschiedenartige Projekte.“

Dabei hat Andreas Franke die Bodenhaftung nicht verloren. Neben Denkmalsanierungen in Düren und anderen Orten scheut er auch nicht die, wie er sie nennt, „Brot-und Butter-Aufträge“. So erweitert er schon mal ein Haus um eine zusätzliche Gaube, gestaltet Terrassen um oder vergrößert Wohnzimmer.

„Man muss die Menschen beraten und ohne Überheblichkeit dort abholen, wo sie stehen – vor allem auf dem Land.“ Das führe andererseits dazu, dass der Innenarchitekt ins Bewusstsein potenzieller Bauherren rückt und zudem bekannt wird, dass er auch planen und umbauen kann. „Die Menschen suchen Hilfe, weil die Ansprüche an zeitgemäßes Wohnen durch den Einfluss der Medien gestiegen sind. Das erfordert aber eine komplette Raumkonzeption, die die Leute überfordert.“

Dass diese teuer sei, ist ein weiteres Vorurteil, an dessen Entkräftung Franke arbeitet: „Es ist eine besondere Herausforderung, bei einem sehr begrenzten Budget ein für den Bauherrn optimales Konzept umzusetzen.“ Auf die ganzheitliche Planung kommt es an – eine Einsicht, die sich zunehmend verbreitet und den Fachmann Innenarchitekt an Bedeutung gewinnen lässt.

Bernhild Willmes, Warstein

Die Einfühlsame

Ähnliche Erfahrungen Andreas Franke machte Bernhild Willmes in Warstein im Sauerland: „Die Menschen sehen ein, dass Raumkonzepte zu entwerfen, nicht einfach ist.“ Auch setzte sich die Erkenntnis durch, dass Innenarchitekten nicht mehr nur „die mit den goldenen Wasserhähnen“ sind.

In diesem Sinne leistet Willmes auch aktiv Öffentlichkeitsarbeit, indem sie an Fortbildungseinrichtungen Vorträge hält: „Ich versuche, Hemmschwellen abzubauen und klarzumachen, dass Innenarchitektur genauso gut eine Angelegenheit für ganz normale Bauherrn ist.“ Voraussetzung dafür ist ein intensives Eingehen auf die Menschen: „Es gilt, Wünsche ernst zu nehmen und mehr noch: nachfragen, was die Leute brauchen. Und hinterher bei den Handwerkern auf die richtige Umsetzung achten.“ Das schaffe Sicherheit und Zufriedenheit.Zu diesem Einfühlungsvermögen hat der heutige Schwerpunkt von Bernhild Willmes beigetragen. Als sie vor fünf Jahren ihr Büro gründete, begann sie, sich intensiv mit dem zu beschäftigen, was man heute barrierefreies Bauen nennt.

Sie überlegte, wo der Bedarf an Umbauten liegen könnte und fand die Lücke im Bereich des Seniorenwohnens. Nach einer Fortbildung betrieb sie Akquise, stellte sich bei Trägern von Altenheimen oder bei Wohneigentümerverbänden vor. Der Resonanz war groß, nach einer Vielzahl an zunehmend auch im energetischen Sinn umgestalteten Seniorenwohnungen und -heimen betreut sie derzeit gemeinsam mit einem Architekten sogar einen kompletten Heimneubau.

Bernhild Willmes ist für barrierefreies Bauen bekannt und gefragt – zunehmend wird sie auch für Neubauten als Expertin hinzugezogen.

Bernhild Willmes ist mit 43 Jahren in die Selbstständigkeit gestartet. 18 Jahre war sie im Hotel- und Gaststättenbau angestellt und hatte sich in dieser Zeit einen entsprechend breiten Erfahrungshorizont erarbeitet. Die Kenntnis aller Gewerke erlaubte es ihr, ihr innenarchitektonisches Betätigungsfeld breit aufzustellen. Und mittlerweile stellt auch sie sich die Frage, ob sie nicht eines Tages eine uneingeschränkte Bauvorlageberechtigung braucht. Besonders für den vielversprechenden Bereich des Bauens im Bestand würde dieses Papier vieles erleichtern – etwa den Umgang mit den Behörden, mit denen sie nicht jedes Mal von Neuem diskutieren will, warum auch eine eingeschränkte Berechtigung ausreichend sein kann.

Barbara Eitner und Birte Dischek, Düsseldorf

Die Netzwerker

In der Großstadt sind die Wege kurz. Ein funktionierendes Netzwerk an Bekannten war ausschlaggebend für den gelungenen Start des Düsseldorfer Büros null2elf von Birte Dischek (31) und Barbara Eitner (32) im Jahr 2005. So etwa ein Freund, der vom Wettbewerb um die Gestaltung der Handelsfirma Lufthansa Worldshop wusste, und sie für sich über Nacht ein Logo entwickelten. Oder ein anderer Freund, Zahnmediziner, dessen Praxis sie gestalteten und es damit ins BDIA-Handbuch Innenarchitektur 2008 schafften.

Dem dritten im Bunde, Tim Riepenhausen, einem BWL-Absolventen und Mitbegründer ihres Büros, verdanken sie ihre Marketingorientierung – etwa auf Ärzteveranstaltungen präsent zu sein und den Erfolg der Zahnarztpraxis zu vermarkten. Denn für diese hatten sie nicht nur die reine Innenarchitektur, sondern zusammen mit befreundeten Grafikdesignern auch die CI und den Internetauftritt entwickelt. Das Konzept, Ärzten neben dem Raumkonzept auch die passende (Unternehmens-) Identität mitzuliefern, hat sich ausgezahlt und Arztpraxen zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht.

Zudem verstand es ein befreundeter PR-Autor, so manches ihrer Objekte in Ärztezeitschriften zu platzieren.Doch so einfach, wie es klingen mag, war es auch trotz Netzwerk nicht. Von „Durststrecken“ und „Nachtschichten“ ist die Rede, auch von Versuchen potenzieller Auftraggeber, sie zu kostenfreien Entwurfsplanungen zu überreden.

„Es ist viel Aufklärungsarbeit vonnöten“, berichtet Dischek. Nicht nur, dass es vorteilhaft ist, einen Spezialisten an der Hand zu haben, der maßgeschneidert plant und Qualität garantiert. Wenn die beiden für die Einhaltung der Zeitpläne sorgen, profitieren Ärzte oder andere Kunden wie etwa Ladenbesitzer auch wirtschaftlich. „Die Bauherrn sind kostensensibel“, weiß Eitner. Dennoch – oder vielleicht gerade darum – würden Innenarchitekten mehr beautragt. „Das Bewusstsein für das, was wir machen und können, steigt.“

Neben ihrem Schwerpunkt Arztpraxen experimentieren die Inhaberinnen des Büros null2elf gern, wie beim Innenausbau der Stadtwerke Ratingen. Um ­deren Empfang bilden in unterschied­lichen Ebenen angeordnete Kuben eine „Pixelwand im Raum“.

Für die beiden gibt es, wie sie sagen, „keine Probleme, sondern nur Aufgabenstellungen“. Um diese zu erfüllen, greifen sie gern auf Kontakte und Kooperationen zurück. Geht es um Brandschutzfragen, werden diese schon mal an ein spezialisiertes Architekturbüro abgegeben. Ebenso pflegen sie den Kontakt zu einem Architektenkollegen, der sich mit Raumakustik und Energieeffizienz auskennt.

„Für uns sind andere Büros keine Konkurrenz“, meint das Duo. Das gilt für Architekten wie Innenarchitekten – die beiden tauschen mit anderen Büros auch freie Mitarbeiter.Was ist nun ihr innenarchitektonisches Markenzeichen? „Wir sind immer an Unverwechselbarem, also neuen Materialien und Forminnovationen interessiert“.

Dafür besuchen sie schon mal die Messe Material Vision in Frankfurt und können dann eine Kinderarztpraxis mit in Epoxydharz eingegossenem Gras ausstatten.

Vor allem aber wollen sie sich „gestalterisch austoben“, wie etwa im Messebau, ein Bereich, in dem sie seit Kurzem tätig sind. Wie es dazu kam? Nun, eine befreundet Agentur hat sie angesprochen.

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