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Rollrasen und Blütenpracht

Die Gartenschau im holsteinischen Eutin will Freiraumplanung und Stadtsanierung verzahnen.

01.05.20166 Min. Kommentar schreiben
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Sonne, Sommer, spielende Kinder: Seepark (oben); Stadtbucht (unten). Ob es wirklich so ­lebendig wird, wie in den Renderings ­dargestellt, muss erst noch bewiesen werden.

Text: Stefan Kreitewolf

Eutin wendet sich seinen Grünflächen zu“, sagt Bernd Rubelt. Der Bauamtsleiter der Stadt bekommt leuchtende Augen, wenn er von seinem „Baby“ spricht. Gemeint ist die Landesgartenschau (LGS) 2016. Sie ist nicht nur Blümchenparade, sondern ein 12_Artikel_2Instrument zur Stadtentwicklung. 21 Millionen Euro pumpen Land, Bund und EU in die ostholsteinische Kreisstadt. Öffentliche Räume in der Altstadt sollen aufgewertet werden. „Mit der LGS soll Eutin schöner werden und in vielerlei Hinsicht moderner, funktionaler, lebenswerter“, erläutert Rubelt, der auch Geschäftsführer der LGS ist. Die historische Altstadt von Eutin grenzt unmittelbar an eine 27 Hektar große, teils denkmalgeschützte Parkanlage. „Deswegen ist die LGS Eutin zu 90 Prozent Stadtentwicklung“, sagt Rubelt. Natur und Stadt in einem Gesamtpaket. Seit dem 28. April empfängt die LGS Gäste im Osten Holsteins zwischen Kiel und Lübeck.

Das Areal reicht vom Seepark, einer Halbinsel im Norden der Stadtbucht des Großen Eutiner Sees, über den historischen Schlossgarten bis zum Süduferpark, einem Gelände im Süden der Bucht. Eine Elektrofähre bringt die Besucher von einem Ufer zum anderen. „Die Gartenschau ist aber nur ein Etappenziel“, sagt Stadtmanagerin Kerstin Stein-Schmidt, zuständig für Marketing und Entwicklung. Sie erhofft sich von der LGS „einen Schub für die Stadtentwicklung, eine Verbesserung der Infrastruktur und positive Impulse für die regionale Wirtschaft“. Deswegen wurden für die Gartenschau das Bahnhofsgebäude, der Marktplatz und drei Straßen in der Innenstadt saniert. Im kommenden Jahr soll die historische Reithalle an der Stadtbucht umgebaut werden.

Gartenschau als „Etappenziel“

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Am Wasser gebaut: Lageplan (oben); Süduferpark (unten). Die LGS in Eutin will auch das Wasser „bespielen“. Elektrofähren befördern die Gäste entlang der Ufer des Großen Eutiner Sees.

Das sanierte Eutin soll Besucher anlocken. „Bis zum 3. Oktober erwarten wir 600.000 Gäste, konservativ gerechnet“, sagt Rubelt. Die Renovierungen in der 17.000-Einwohner-Stadt haben sich gelohnt: Die Stadtbucht hat eine neue Promenade bekommen, der Seepark wurde Freizeitort für Jung und Alt. Der Süduferpark mit dem historischen Bauhofareal, den ­Tor­häusern und dem Vogthaus ist zu einem Nah­erholungsgebiet geworden. Federführend koordinieren die Landschaftsarchitekten des Berliner Büros A24 die LGS in Eutin. Sie haben mit Unternehmen aus der Region Themengärten mit einer Gesamtfläche von 7.000 Quadratmetern realisiert. 160.000 Blumenzwiebeln kommen zum Einsatz. Buchenhecken wurden gepflanzt, Wassergräben angelegt, künstliche Hügel errichtet und Findlinge gesetzt. Beim Besuch im März erschienen aber insbesondere die Stadtbucht mit dem hellen Holzdeck und der lichte Seepark noch klinisch steril.

NABU kritisiert Umweltverträglichkeit

„Insbesondere der Seepark war früher stark verwildert“, sagt Joachim Naundorf von A24Architekten. Wer sich überhaupt noch in den dunklen, zugewachsenen Park traute, habe gar nicht gewusst, dass er sich am See befinde. „Das Gestrüpp war so hoch, der See war faktisch nicht zu sehen.“ Naundorf und seine Kollegen haben den See zurück in den Park geholt. Lineare Blickachsen und Holzstege, die eine Aussicht auf die Fasaneninsel im See bieten, laden Besucher zum Verweilen ein. Der aus Zeitmangel verlegte Rollrasen wirkt indes anfangs nicht gerade einladend. Ein aufgeschütteter Strand und die Entfernung der typischen Ufergehölze wie Weiden und Erlen sind für den Umweltverband NABU gar Grund zur Kritik. „Die LGS-Planungen führen zu erheblichen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft“, sagt Oscar Klose von der Eutiner NABU-Gruppe. LGS-Chef Rubelt kontert: „Es gab ausführliche Fachgutachten.“ Die Natur werde keineswegs eingeschränkt. Außerdem käme es auf den Gesamtzusammenhang an. Fakt ist: Insgesamt fielen der LGS knapp 400 Bäume zum Opfer.

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Und zwar auch im Süduferpark. Dort stehen Holzwände, die mit Gucklöchern den Blick aus dem eigenen Fenster simulieren sollen. Für die LGS wurden die maroden Fachwerk-Torhäuser samt Bauhof instand gesetzt. Die Reetdächer sind neu gedeckt, morsche Balken wurden ausgetauscht oder gleich durch hohe Fenster ersetzt. Floristen und Gärtner wollen in den Baudenkmälern einen Pflanzenmarkt veranstalten. Nach der LGS sollen hier Kulturevents stattfinden. Eine Jugendherberge ist nebenan geplant.

Weitestgehend ohne Blumenschmuck präsentiert sich der Eutiner Schlossgarten. Als einer der bedeutendsten englischen Landschaftsgärten des ausgehenden 18. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein will er einen Einblick in die Gartenkunst dieser Zeit geben. Im seit Jahren brach liegenden Küchengarten des Schlosses gedeihen wieder Kräuter für Topf und Pfanne sowie Apothekerpflanzen. Vor der alten Orangerie des Schlosses sind Show- und Kinderküchen aufgebaut worden. „Pflanzen können nicht nur betrachtet, sondern aktiv erlebt werden“, erläutert Naundorf.

Baustellen, Lärm und Dreck

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Blickachse zum See: Im Seeuferpark wurde das Ufer freigelegt, um den Blick über das Wasser schweifen zu lassen. Dass dabei für das Ökosystem wichtige Uferpflanzen entfernt wurden, kritisiert der NABU.

Das kostet allerdings viel Geld. „Mit 21 Millionen Euro werden Gartenschau und Stadtsanierung zu Buche schlagen“, sagt LGS-Geschäftsführer Rubelt. Der LGS-Haushalt beträgt allein 8,9 Millionen Euro. Das ist nicht wenig für eine Stadt wie Eutin. Dennoch: „Die Initiative um die LGS macht Sinn“, sagt Anselm-Benedikt Buggert. Er lehrt Architektur im Fachbereich Bauwesen an der FH Lübeck und wohnt in Eutin. Buggert ist überzeugt: „Mit der LGS geht die Stadt einen Schritt in die richtige Richtung, weil mehr Besucher von der Küste nach Eutin gelockt werden.“ Konkret hieß das im Vorfeld aber: Baustellen, Lärm und Schmutz. Sonntags am See spazieren gehen – das war während der Bauphase nicht möglich. „Für viele Bürger war das nicht ganz so einfach“, sagt Stein-Schmidt. Kein Wunder. Das Entwicklungskonzept sei schließlich die größte Veränderung in Eutin nach 1945. „Warum müssen die alles umkrempeln?“, fragt ein Taxifahrer, der seinen Namen nicht nennen will. „Sollen sie doch ihre Blümchenschau machen und gut ist.“

„Damit es wirklich gut wird, müssen beide Elemente – LGS und Städtebau – stets zusammenkommen“, sagt Rubelt und verweist auf die Geschichte der LGS. Die Idee der Gartenschauen entstammt den Nachkriegsjahren, als Instrument zum Wiederaufbau städtischer Grünanlagen. Erst später, in den 1970er-Jahren, entwickelten sie sich zu touristischen Events. Spätestens seit der Wiedervereinigung werden Gartenschauen als Motoren der Stadtentwicklung genutzt. Das Image der Stiefmütterchen-Parade hängt dem gefälligen Format allerdings nach.

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Schloss Eutin mit Schlossgarten: Hier sollen Gäste den Blick auf das Schloss genießen. Einige Bäume ­wurden gefällt.

Von der Stadt in die Natur

Ein langjähriger Beobachter und Gutachter zahlreicher LGS und Bundesgartenschauen ist Ernst Herbstreit, selbstständiger Landschaftsarchitekt in Witten. Er ist allerdings weiterhin von dem Konzept überzeugt. „Gartenschauen aktivieren auf vielfältige Weise planerische und finanzielle Ressourcen“, sagt er. Gleichzeitig seien Gartenschauen „eine eingeführte und Erfolg versprechende Marke“. Notwendig seien allerdings langfristige Nutzungskonzepte. Die Eutiner Planer betonen zwar, dass es für 80 bis 90 Prozent der Gebäude und Flächen der LGS ein Nachnutzungskonzept gebe. Wenig müsse zurückgebaut werden. Dennoch: „Jährlich ist mit laufenden Kosten von bis zu 300.000 Euro zu rechnen“, bilanziert Rubelt. Wie das genau finanziert werden soll, darauf

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Kulturgarten für den Sommer: Wenige Wochen vor Eröffnung der Gartenschau Eutin gab es noch viel zu tun. Die LGS hatte von Beginn an einen straffen Zeitplan haben die Verantwortlichen keine Antwort. „Das ist problematisch“, sagt Herbstreit.

Rubelt ist indes zuversichtlich. Schließlich weiß der LGS-Chef, wie er das nötige Kleingeld einsammelt. Die Stadt konnte sich bis zur Eröffnung der Gartenschau 13 Millionen Euro für die Stadtsanierung sichern. „Ohne die LGS wäre das gar nicht möglich gewesen“, sagt er. Deswegen wurde selbst die Innenstadt der LGS angepasst. „33 Geranientürme sorgen für eine florale Wegeführung von der Stadt in die Natur“, erläutert Stein-Schmidt. Am Ende heißt es also in der ostholsteinischen Kreisstadt: Immer den Blümchen nach!

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