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Roter Faden für die Stadt

Masterpläne sollen Zentren und Regionen für die Zukunft fit machen. Immer öfter werden sie in Auftrag gegeben – bei bekannten Planern, finanziert durch die Wirtschaft. Ein Blick auf Köln und Duisburg.

01.11.20078 Min. Kommentar schreiben

Nils Hille

Der Unternehmer greift zu deutlichen Worten: „Planen heißt nicht einengen, sondern sortieren. In zehn bis fünfzehn Jahren kann man auch alles wieder auf den Haufen werfen, aber eine Struktur hilft erst einmal weiter.“ Dafür hat Paul Bauwens-Adenauer, IHK-Präsident der Stadt Köln, als Vorsitzender des Vereins „Unternehmen für die Region Köln“ Spenden bei der örtlichen Wirtschaft gesammelt, um einen Masterplan für die Stadt am Rhein in Auftrag geben zu können. Vom Frankfurter Büro Albert Speer wird dieser nun umgesetzt.

Zukunftsplan für Duisburg: Die Zeichnung vom Büro Foster + Partners zeigt das Zentrum der Ruhrgebietsstadt. Weiße und gelbe Markierungen heben die wichtigen Bereiche der Stadterneuerung hervor.

Mit der Idee, Städte und ihre Strukturen genauer unter die Lupe zu nehmen und dann einen Plan erstellen zu lassen, sind die Kölner keine Vorreiter. Schon viele Orte und Regionen haben diese Idee verfolgt, sagt Professorin Christa Reicher von der Uni Dortmund: „Der heute sogenannte Masterplan ist ein relativ altes Instrument, das in verschiedenen Gewändern aufgetaucht ist. Mal als Leitbild, mal als Stadtentwicklungskonzept.“ In den letzten Jahren habe das Thema aber einen neuen Schwung bekommen, freut sich die Architektin und Stadtplanerin: „Es wurde zu wenig in solche Planungsinstrumente investiert. Ich bin froh, dass die Phase, in der Städte Befürchtungen hatten, Visionen zu kommunizieren und damit Investoren abzuschrecken, vorbei ist.“

Diese Sorge mag zwar überwunden sein, aber an Geld fehlt es nach wie vor. So greifen zwar meist nicht die Kommunen für Wegweiser in die eigene Zukunft in die Kassen, sondern die lokale Wirtschaft zahlt die Planer. In Duisburg und Köln sind jeweils rund eine halbe Million Euro dafür locker gemacht worden. Nicht aus reiner Liebe zur Stadt, sondern aus Angst: Im neusten Städtetest der „Wirtschaftswoche“ (Ausgabe 37/2007) fiel Köln in der Gesamtwertung vom neunten Rang (2006) auf Platz 15. Vom 25. Platz in der Unterrubrik „Standortqualität“ mag in der viertgrößten Stadt Deutschlands fast schon keiner mehr sprechen. Bauwens-Adenauer: „Es ist ein harter Wettbewerb, wie im Sport, der auch zunehmend noch europäischer geprägt sein wird. Ohne den strukturierenden Eingriff läuft es nicht.“

Kein Kölner Klüngel?

Ein Blick von außen soll nun Lösungen bringen. Dies kann die Politik nach Ansicht von Bauwens-Adenauer nicht leisten: „Jedes Bauvorhaben geht da einzeln in die Gremien. So wird nur die momentane Situation wahrgenommen und ein größeres Ganzes aus den Augen verloren.“ Um frei von jeglichen politischen Einflüssen zu sein, wurde gezielt kein Kölner Büro mit dem Masterplan betraut.

Für Albert Speer ist die Stadt Neuland; hier hatte er bisher noch keine Visionen entwickelt. Seine Mitarbeiter werden nun alle Wege und Quartiere im Innenstadtbereich in Augenschein nehmen, die Daten zusammentragen, um dann Lösungen zu finden. Vor allem für die Verkehrsknotenpunk-te Nord-Süd-Fahrt und Ost-West-Achse erhoffen sich viele Kölner Verbesserungen. Zu detaillierte Lösungen sollten bei dem bisher auf ein Jahr angelegten Projekt nicht erwartet werden, sagt Bauwens-Adenauer: „Der Masterplan kann keine neue Stadtentwicklung, sondern nur grundsätzliche räumliche Definitionen in gröberen Maßstäben zeigen“, wie zum Beispiel einen Vorschlag zur einheitlichen Höhenbegrenzung von Gebäuden sowie zu neuen Verkehrswegen.
Vorgaben hätten die Sponsoren des Masterplans trotz ihrer wirtschaftlichen Interessen nicht gemacht, beteuert Bauwens-Adenauer: „Wir wollten nicht dominieren und definieren. Unser Vertrag mit Speer beschreibt also kein von uns gewünschtes Ergebnis.“ Die als großes soziales Engagement der Kölner Wirtschaft für die Stadtentwicklung ver­kaufte Investition in den Masterplan soll also frei von konkreten Vorstellungen der Geldgeber umgesetzt werden?

Das ist für viele schwer zu glauben. Noch halten sich aber die kritischen Stimmen zurück; viele warten wohl die konkreten Vorschläge von Albert Speers Büro ab. Eine mögliche Tieferlegung der Nord-Süd-Fahrt sowie die Zukunft des ­Offenbachplatzes mit dem denkmalgeschützten Schauspiel- und Opernhaus werden aber schon längere Zeit in der Stadt diskutiert. Wenn die Ideen dazu aus Frankfurt Ende 2008 vorliegen, werden sie sicher neuen Zündstoff bieten.

Trotzdem verbindet Bauwens-Adenauer mit ihnen große Hoffnungen, auch wenn es nur der erste Schritt auf einem langen Weg sein wird: „Wenn man eine große Entwicklung definiert und transportiert, dann kommen auch die Investoren in die Stadt.“

Auch die Duisburger

hoffen auf diese Wirkung. Sie sind einen Schritt weiter als Köln. Vor zwei Jahren beauftragte die lokale Wirtschaft Sir Norman Foster mit dem Masterplan. Mittlerweile liegen die Ideen seines Büros gebündelt und anschaulich dargestellt vor. Wichtigste Erkenntnis: Die am Rande des Ruhrgebiets liegende Stadt muss vor allem ihre Bürger dazu bekommen, das verdiente Geld auch in Duisburg wieder auszugeben. Dafür sollten zum Beispiel die Nutzungen der Innenstadtviertel stärker gemischt werden, damit viele Menschen inder Nähe der Geschäfte wohnen. In einer Viertel­stunde sind sie sonst mit dem Zug in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Wolfgang Rabe, Beigeordneter der Stadt Duisburg und Geschäftsführer der Innenhafen Duisburg Entwicklungsgesellschaft mbH sieht in dieser und weiteren guten Verkehrsanbindungen der Stadt eine große Chance: „Elf Mil­lionen Menschen können rein rechnerisch in einer Stunde nach Duisburg kommen. Damit sind wir hinter Düsseldorf die Nummer zwei in ganz Deutschland.“

Bisher geht diese Rechnung nicht auf, doch Duisburg ist auf einem guten Weg. Mit der Neugestaltung des Innenhafens ist die Stadt den ersten wichtigen Schritt in der Stadtentwicklung schon gegangen. Wohnungen und Büros zieren das Ufer, Restaurants und Museen laden ein. Und vor allem: Zahlreiche Investoren und Nutzer haben sich der Idee angeschlossen, Natur und Stadt zusammenzuführen. Auch sie stammt von Foster, der für diesen Teil der Stadt schon 1991 einen ersten Masterplan entwickelt hatte. Dazu schreibt sein Büro im jetzigen Plan: „Die positiven Erfahrungen, die im Innenhafen gemacht wurden, sollen auf die Innenstadt übertragen werden.“

Noch ohne Plan: Die Ideen für die ­Zukunft der Kölner Innenstadt sollen vom Büro Alber Speer bis Ende 2008 vor­gelegt werden. Besonders im Blickfeld: die Nord-Süd-Fahrt und der Offenbachplatz.

Mit der Umsetzung von vier Ideen könnten in Zukunft viele Menschen den kurzen Weg nach Duisburg finden. Bei der ersten Maßnahme braucht sich die Stadt schon einmal keine Sorgen um die Realisierung zu machen. Direkt vor dem Hauptbahnhof verläuft abgesenkt die Autobahn 59, nur zum Teil verdeckt: kein gelungener Eingang in die Stadt. Bei dem vom Land bezahlten sechsspurigen Ausbau ab Ende des Jahres wird nun eine Überdeckelung der Straße gleich mitgeliefert. So entsteht Platz für eine einladende Allee. Durch den Neubau eines Nebengebäudes des Bahnhofs als Passage sollen die Besucher auf den richtigen Weg in die Fußgängerzone gelotst werden. Momentan führt der gerade Weg aus dem Bahnhofsausgang noch auf die unansehnliche Parallelstraße des eigentlichen Einkaufsboulevards.

Hinter dem Titel „Boulevard“

verbirgt sich das zweite städtebauliche Problem, das Foster unter dem Stichwort „Aufwertung des öffentlichen Raums“ behandelt hat. Denn die Königstraße als neue Hauptfußgängerzone Duisburgs hat momentan zu viel ungenutzten Platz. Mit einem Durchschnitt von 37 Metern ist sie fast doppelt so breit wie die Kaufingerstraße in München; die Kölner Schildergasse fände sogar dreimal darin Platz. Wie verloren wirken hier die Geschäfte, die nur auf der einen, sonnenscheinarmen Seite zu finden sind. Gegenüber liegen hauptsächlich große Bankgebäude. Rabe: „Einige Gastronomen nutzen den Bereich davor schon für Cafés. Diese Atmosphäre wollen wir nach Fosters Vorschlag nun verstärken.“ Durch eine Bodenbegrünung des Alleebereichs, mit einem schmalen Wasserlauf als optische Trennung, wird die Fußgängerzone zweigeteilt.

Für diesen zweiten Schritt steht die Finanzierung allerdings noch nicht. Momentan sind die Duisburger an der grobkonzeptionellen Planung. Rabe hofft, dass auch diese Maßnahme realisiert werden kann: „Wir können Menschen nur bewegen, wenn wir die ersten Schritte selbst vollziehen und an diesen zentralen Punkten Zeichen setzen. Dann kann auch eine Eigeninitiative erfolgen.“ Mit diesem Wunsch spielt Rabe auf eine weitere Idee von Foster an: Durch das Schließen von Baulücken sollen Quartiere wieder vervollständigt werden. Für diese Nachverdichtung der Innenstadt müssen allerdings die Haus- und Grundstücksbesitzer animiert werden, selbst Geld zu investieren. Ob dies gelingt, weiß momentan aber niemand.

Flexibel bleiben.

Doch Rabe ist optimistisch. Für die Rea­lisierung dieser Maßnahmen sieht er auch keine zwangsläufige Abfolge: „Da wollen wir uns nicht festlegen. Hauptsache, es geht voran. Durch die hohe Qualität des Masterplans kann uns das gelingen.“ Diese Freiheiten beim Blick in die Zukunft brauche man auch, bestätigt Professorin Reicher: „Die Vorstellung, einen Masterplan eins zu eins umsetzen zu können, führt nicht zum Ziel.“ Auch Bauwens-Adenauer macht immer wieder deutlich, dass der Kölner Plan nur eine Orientierungshilfe für die Stadtentwicklung der nächsten Jahrzehnte sein soll. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn die Kölner in zehn Jahren ganz andere Bedürfnisse beim Blick auf den Stadtplan verspüren, dann sei das auch in Ordnung. Aber ohne Plan? Planlos! Bauwens-Adenauer: „Jede Stadt braucht Visionen, denn eine langfristige Perspektive ist nicht aus dem Zufall heraus zu entwickeln.“

Ein Masterplan muss also wieder und wieder fortgeschrieben werden. Immer unter der Frage: In welche Richtung soll sich eine Stadt bewegen? Wenn dies konsequent praktiziert wird, kann der aufgebrachte Startbetrag sich für lange Zeit lohnen, wie Reicher für Köln vermutet: „Die Reinvestition kann dort schnell viel höher werden, als es die Erstinves­tition in ihre Zukunftsvision war.“

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