Text: Christoph Gunßer
In der Frankfurter Innenstadt gibt es 22 Parkhäuser mit insgesamt rund 350.000 Quadratmetern Nutzfläche. Das entspricht 30 Prozent der Kernstadtäche. Wo ein Quadratmeter Luxuswohnung schon mal 50.000 Euro kostet, wecken solche Reserven Begehrlichkeiten. Um hier architektonische Anleitung zu geben, startete die Architektenkammer Hessen die Initiative „Mehr als nur parken – Parkhäuser weiterdenken“, bei der es um neue Perspektiven für in die Jahre gekommene Großgaragen ging (als Buch erschienen im Jovis Verlag, gemeinsam mit dem Deutschen Architekturmuseum). Realisiert wurde von den Ideen in Frankfurt noch nichts. Andernorts ist man da weiter – ein Überblick.
Vom rauen Charme der Parkdecks
Gerade die oberste Etage von Parkhäusern wird zum Parken eher ungern genutzt und steht meist leer. Da es hier oben luftig ist und die Aussicht nicht selten spektakulär, siedeln sich Gastronomie, Kultur- oder Stadtgärtner-Projekte an: Das Berliner „Deck 5“ in der Schönhauser Allee besteht bereits zehn Jahre. In Tübingen spielte man auf dem Dach des ehemaligen Karstadt-Parkhauses einen Sommer lang Shakespeare. Auch temporäre Aktionen und Installationen mögen das düstere Setting der Garagen: Kunstausstellungen, insbesondere von Skulpturen, ziehen gern in die ebenso spröden wie stabilen Parkhaus-Etagen. In Atlanta entwickelten Architekturstudenten Wohncontainer für ihre Bedürfnisse, die jeweils in eine Parkbucht eines City-Parkhauses passten – als Experiment gegen die Wohnungsnot.
Aufstockungen von Parkhäusern gibt es bereits einige: Auf ein 1964 erbautes Parkhaus in Hannover setzten Cityförster Architekten zwölf Penthouses mit Blick auf die Oper. Die Parkhausfassade darunter wurde modern geliftet. Bereits zur letzten documenta wurde in Kassel ein temporäres, 300 Quadratmeter großes „Pop-up-Hotel“ auf ein Parkhaus gesetzt.
In der dicht bebauten Nürnberger Südstadt wurden die beiden obersten Etagen eines Parkhauses von querwärts Architekten zu einer Kindertagesstätte umgebaut (siehe dazu auch „Spieltrieb frei Haus“). Die integrative und interkulturelle Einrichtung, die passenderweise einen musikalischen Schwerpunkt hat, unterteilt sich in einen länglichen Holzbau mit Panoramascheiben und einen tiefer gelegenen Freibereich, der durch drei Meter hohe Mauern gut gesichert ist. Erschlossen wird die Kindertagesstätte durch einen eigenen Aufzug.
Rückgewinnung von Stadtraum
Komplette Parkhaus-Umbauten sind bislang eher selten: In Köln wurde unlängst das Parkhaus am Friesenplatz von 450 auf 250 Stellplätze zurückgebaut, die den erwarteten Bedarf decken sollen. Die oberen zwei Etagen wurden neu gebaut und mit 30 Wohnungen gefüllt. Eine neue Stanzmetallfassade von V-Architekten aus Köln, Gewinner eines Wettbewerbs, fasst beide Nutzungen zur Straße hin effektvoll zusammen.
In Münster wurde ein errichtetes Parkhaus zu einem Wohn- und Geschäftshaus mit Fahrradgarage umgebaut. Auch hier trug man die oberen Geschosse ab und ersetzte sie durch Wohnungen. „Ein nüchterner Zweckbau wurde zum komplexen Raumkunstwerk“, schreiben die Architekten Fritzen und Müller-Giebeler aus Münster. Eigentlich für die Nutzung als Parkhaus optimiert, entfaltet die Stahlbetontragstruktur durch die Setzung in einen neuen Zusammenhang eine ästhetische Wirkung. Das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss mit Mezzanin wurden zu Verkaufs- und Ausstellungsflächen mit Loftcharakter. Das Projekt erhielt als Teil eines Gesamtensembles den Deutschen Städtebaupreis 2010 und den Nationalen Preis für integrierte Stadtentwicklung und Baukultur 2012.
Solch behutsames Vorgehen bewahrt wenigstens Teile der einstigen Hülle und verhindert, dass die in den massiven Strukturen verbaute „graue Energie“ unnötig verpulvert wird. Hinderlich beim Umbau von Parkhäusern sind oftmals die geringe lichte Höhe und die große Tiefe der Parkhaus-Etagen. Probleme bereitet auch das Gefälle der Fußböden. Die robusten Strukturen vertragen jedoch in der Regel das Einfügen von Lichthöfen und Treppenhäusern. Nennenswerte Fassaden tragen die meisten dieser Zweckbauten ohnehin nicht, sodass ein neues „Gesicht“ leicht vorgehängt werden kann. Dies geschah auch schon in der Vergangenheit, als zahlreiche Parkhäuser ein „Facelifting“ erfuhren.
Dennoch wurden einige Parkhäuser auch schon abgerissen und durch Neubauten ersetzt. An der Berliner Briesestraße hatten BeL Architekten aus Köln 2013 den Umbau einer Parkgarage zu Low-Cost-Wohnungen geplant. Das schon sehr weit gediehene Projekt machte aus dem elementierten Gebäude ein labyrinthisches Ensemble von Hofhäusern, wurde dann aber nicht realisiert. Nicht weit vom Potsdamer Platz wird gerade ein von Renzo Piano geplantes, kaum zwanzig Jahre altes Parkhaus zum Großteil wieder abgerissen und durch hochwertigen Wohnungsbau ersetzt – der Bedarf sei nicht vorhanden, heißt es, und die attraktive Lage am neuen Gleisdreieck- Park mache dies wirtschaftlich möglich.
Rollback für mehr Lebendigkeit
Diese Pilotprojekte machen Mut. Tatsächlich sind es nicht nur bessere Renditen, die beim Umbau von Parkhäusern „herausspringen“. Es sind lebenswertere Städte. Der noch zaghafte, aber absehbare Wandel im Mobilitätsverhalten der Menschen wird die hässlichen Kolosse aus der Ära der „autogerechten Stadt“ verzichtbar machen. Manche vergleichen diese Entwicklung mit dem Obsoletwerden der Pferdeställe in den Städten zu Beginn des 20 . Jahrhunderts, das den Städten attraktive umgenutzte Remisen beschert hat.
Wo trotzdem neue Parkgaragen entstehen, werden sie künftig nutzungsneutral ausgelegt, mit lichteren, ebenen Decks und repräsentativeren Entrees, sodass sie jederzeit umnutzbar sind, wenn etwa selbstfahrende Autos an die Stelle individueller Fahrzeuge treten sollten. Ausgerechnet im Auto-Land USA gibt es hierzu Pilotprojekte von Investoren.
Vielerorts weicht man bislang eher in den Keller aus und baut Tiefgaragen – eine neue Form der (optischen) Verdrängung des Autos, die das Bauen weiter verteuert. Dabei könnten die Planungsämter in gut erschlossenen Lagen auch die Zahl der geforderten Stellplätze senken, wie es zum Teil schon geschieht. München geht im Einzelfall schon bis auf 0,3 Stellplätze pro Wohnung herunter – in Kassel beispielsweise liegt der Wert derzeit noch bei unzeitgemäßen 1,5.
Ein frühes Pionierprojekt für eine Parkhaus- Umnutzung ist übrigens noch immer in Berlin zu besichtigen: Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) bauten Dieter Frowein und Gerhard Spangenberg 1986 ein Parkhaus am Kottbusser Tor zu einer Kindertagesstätte um. Den Mittelpunkt bildet ein über drei Etagen reichendes Glashaus. Bereits mit dieser Umnutzung sollte laut IBA „der Nachweis erbracht werden, dass auch städtebauliche Fehlplanungen der 1960er-Jahre sinnvoll weitergenutzt und ökologisch nachhaltig umgebaut werden können“. Damals sangen die Talking Heads visionär: „Once there were parking lots; now it´s a peaceful oasis“. Manchmal dauert es eben etwas länger, bis sich wegweisende Ideen durchsetzen.
Christoph Gunßer ist freier Fachautor. Er lebt in Bartenstein (Baden-Württemberg).
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