Text: Cornelia Dörries
Was die einen als überkommene Stiefmütterchen-Parade belächeln, feiern die anderen als belebende Strukturmaßnahme: Das Modell Gartenschau ist sowohl ein populäres Volksfest als auch ein kommunales Großvorhaben in Sachen Stadterneuerung, das den Austragungsorten Besucher, Fördergelder und am Ende einen langfristigen Attraktivitätszuwachs in Gestalt neuer oder neu gestalteter Parks und Grünanlagen beschert. Mit dieser Hoffnung sind in Deutschland allein in diesem Jahr eine große Bundesgartenschau und fünf Landesgartenschauen gestartet (siehe Kästen).
Dass die landschaftsplanerischen und gartenarchitektonischen Aufgaben, die mit einer Gartenschau verbunden sind, hinter dem bunten Belustigungsprogramm zurücktreten, ist angesichts des Event-Charakters der sechsmonatigen Veranstaltung sicher unvermeidlich. Doch ist das Format „Gartenschau“ in seinem überlieferten Zuschnitt überhaupt noch geeignet, die gegenwärtigen Fragestellungen der Landschaftsarchitektur zu reflektieren?
Stephan Lenzen hat da keinen Zweifel. Der Inhaber des Bonner Büros RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten und Vizepräsident des BDLA meint: „Die Gartenschau ist grundsätzlich ein sehr gutes Instrument, wenn es darum geht, landschaftsarchitektonische Aufgabenstellungen für einen konkreten Ort zu formulieren.“ Für ihn liegen die Vorzüge dieser Veranstaltung auf der Hand. „Gerade bei der Realisierung komplexer Vorhaben ist der feste Zeithorizont, den eine Gartenschau bietet, ein Segen“, sagt Lenzen. „Weil zum Eröffnungstermin wirklich alles fertig sein muss, ziehen Planer, Verwaltung und ausführende Firmen in seltener Eintracht an einem Strang.“ Doch nicht nur für die Projekte ist der feste Rahmen, den eine Institution wie die Gartenschau bietet, von Vorteil. Auch die Austragungsorte profitieren seiner Meinung nach in jedem Fall.
„Vor allem in kleinen und mittelgroßen Städten bietet sich mit einer Gartenschau die Chance, nicht mehr nur in einzelnen Objekten, wie Parks oder Grünanlagen, zu denken, sondern den gesamten vorhandenen Freiraum als Zusammenhang, als grüne Infrastruktur zu begreifen.“ Und nicht weniger wichtig sind ihm die zusätzlichen fachlichen und personellen Kapazitäten, die den oftmals unterbesetzten kommunalen Grün- und Gartenbauämtern im Zuge einer Gartenschau zugutekommen. Doch Stephan Lenzen räumt ein, dass es in der mittlerweile 64-jährigen Geschichte der Gartenschau auch Vorhaben gab, die dieser Veranstaltung nicht notwendigerweise bedurft hätten. „Die BUGA 2005 in München war so ein Fall“, sagt er. „Die Errichtung des Riemer Parks auf einem Gelände des ehemaligen Flughafens nach den Plänen von Gilles Vexlard war zu diesem Zeitpunkt ja schon abgeschlossen, und Teilflächen des BUGA-Geländes wurden später bebaut. Die Gartenschau war hier kein Impulsgeber, sondern eher ein Fest am Rande.“
Es ist genau dieses Fest, das für Austragungsorte zum riskanten, weil teuren Zuschussgeschäft werden kann. So schloss die Internationale Gartenschau 2013 in Hamburg-Wilhelmsburg mit einem Defizit von 37 Millionen Euro. Statt der 2,5 Millionen erwarteten Besucher kamen nur etwas über eine Million zahlender Gäste in die neuen Parks und Freianlagen auf der Elbinsel. Lag es am schlechten Wetter? Stimmte das Veranstaltungskonzept nicht? Oder hat sich die Idee „Gartenschau“ als solche einfach überlebt?
Die letzte Frage verneint Stephan Lenzen entschieden. Für ihn bestehen Erfolg und Gewinn einer Gartenschau nicht in einer möglichst hohen Besucherzahl, sondern in den Qualitäten, die über den Tag hinaus Bestand haben.
„Der nachhaltige Wert der im Rahmen einer Gartenschau entstehenden attraktiven Daueranlagen für die Städte ist unbestritten“, sagt der Landschaftsarchitekt. Für ihn rechtfertigen diese bleibenden Qualitäten auch die wirtschaftlichen Risiken, die mit der Austragung des Events „Gartenschau“ verbunden sind. „Das ist gut angelegtes Geld“, sagt er kurz und knapp. Und schließlich endet nicht jede Bundes- oder Landesgartenschau in einem finanziellen Fiasko. „Beim Erfolg dieser Veranstaltung gibt es erstaunlicherweise ein Nord-Süd-Gefälle“, so Lenzen. Während die Gartenschauen in Bayern und Baden-Württemberg immer gut besucht sind und für die jeweiligen Standorte sogar kleine Gewinne abwerfen, zahlen die Kommunen in den nördlichen Bundesländern fast immer drauf. Eine schlüssige Erklärung für diesen Umstand hat er allerdings nicht. Das mutmaßlich unbeständigere Wetter im Norden? Die vergleichsweise höhere touristische Attraktivität der traditionellen Urlaubsgegenden in Süddeutschland? Eine regional unterschiedlich ausgeprägte Begeisterung für das Thema Garten?
Für Jürgen Milchert stellt sich die Frage nach den Erfolgsfaktoren einer Gartenschau ganz anders. Der Professor für Landschaftsarchitektur an der Fachhochschule Osnabrück gehört zu den schärfsten Kritikern des Gartenschau-Konzepts in seiner jetzigen Form, bei dem ihn schon aufregt, dass die ökonomischen Risiken einer Gartenschau allein von der öffentlichen Hand getragen werden, während die beteiligten Gartenbaubetriebe immer auf ihre Kosten kommen, egal, wie die Rechnung am Ende aussieht. Doch vor allem vermisst er bei der Gartenschau eine zeitgemäße Botschaft, mit der die Disziplin auf sich wandelnde gesellschaftliche Erwartungen an Parks, Gärten und Freiräume reagiert.
Milchert sagt: „Diese Veranstaltung ist zum Nonsens verkommen. Eine Gartenschau, die sich ernsthaft mit Fragen zum sozialen Grün beschäftigt, müsste ganz anders aussehen.“ Dass sich die Gartenschau als solche so erfolgreich etablieren konnte, hat für ihn auch mit dem Vermögen dieser Institution zu tun, sozialen Veränderungen mit landschaftsarchitektonischen Konzepten entgegenzukommen – von den Wiederaufbau-Projekten der Nachkriegszeit über die sozial inspirierten Parkanlagen der 1960er- und 1970er-Jahre bis hin zu den Konversions- und Renaturierungsvorhaben der letzten beiden Jahrzehnte. Nur so, findet Milchert, ließen sich auch die gewaltigen Investitionen rechtfertigen, die mit dieser Veranstaltung verbunden sind. Er plädiert deshalb für ein modernes Gartenschau-Konzept, das nicht mehr auf Blümchen und Platzkonzert setzt, sondern sich einem experimentierfreudigen Freiraumprogramm öffnet. Digitalisierung, demografische Alterung, Zuwanderung, soziale Ungleichheit – all diese Themen vermisst er sowohl bei den derzeit laufenden Gartenschauen als auch in der gegenwärtigen landschaftsplanerischen Diskussion.
Er selbst erarbeitet zusammen mit Studenten gerade Pläne für Gesundheitsparks: speziell gestaltete Freiräume für Menschen, die an verbreiteten Zivilisationskrankheiten wie Depression und Diabetes leiden. „Das ist nur ein Beispiel für Parkplanungen, die auf soziale Entwicklungen reagieren“, sagt er. „Genauso ließe sich der schöne Gedanke des Lustgartens wieder aufnehmen, bei dem man einen Park mit einem Dating-Portal kurzschließt.“ Solche Ideen fände Milchert bei einer Gartenschau, die gesellschaftliche Entwicklungen in die Gestaltung von Gärten und Parks übersetzt, bestens aufgehoben. Die Schau als Labor für Landschaftsarchitekten und Gartenkünstler, die innerhalb eines solchen Rahmens zeigen könnten, was ihre Disziplin angesichts neuer gesellschaftlicher und stadträumlicher Trends und sich daraus ergebender Fragen beizutragen hat – mit dieser Vorstellung kann auch der Gartenschau-Skeptiker Milchert seinen Frieden machen. Denn bei aller Kritik an diesem Format muss er zugeben: „Die Welt als Garten zu sehen, das ist eine schöne Vision.“
Weitere Landesgartenschauen in diesem Jahr:
- Landau/Rheinland-Pfalz:www.lgs-landau.de
- Alzenau/Bayern: www.gartenschau-alzenau.de
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