Text: Simone Hübener
Drei Schwerpunkte hat das neue „F.3 Familien- und Freizeitbad Fellbach“ im gleichnamigen Stuttgarter Vorort. Das städtische Bad wartet mit einem großen Sportbereich mit Hallen- und Freibad auf, einem Erlebnisbad mit zwei Innen- und einem Außenbecken sowie drei verschiedenen Rutschen und schließlich einem großzügigen Saunabereich, der ebenfalls Innen- und Außenräume zu bieten hat. 4a Architekten aus Stuttgart verliehen jedem Teil einen leicht anderen Charakter, stellten den gesamten Entwurf aber unter ein einheitliches Motto: die Fellbacher Weinberge.
Wein in Formen und Farben
Das F.3 liegt einige Hundert Meter nördlich des Kappelbergs, dessen Hänge von Weinreben überzogen sind. Sie färben ihn mal grün, mal orange, mal rot und im Winter natürlich braun. Und sie verleihen ihm ein lineares Raster. Diese beiden Elemente standen den Architekten bei Farbgebung und Grundriss Pate. Auch über das Grundstück legten die Architekten ein lineares Raster und platzierten alle nötigen Gebäudeteile und Elemente des Außenbereichs darauf. Diese Struktur lässt sich heute aber im Wesentlichen nur noch aus der Luft erkennen. Und das ist auch gut so: Mottos für die Entwurfsgestaltung sind wichtig und richtig, führen sie doch meist zu einem klareren Ergebnis. Würde das gewählte Motto aber allem anderen übergeordnet, wäre es zu viel. Die Badenixen und Wasserratten betreten das Grundstück von Süden über einen großzügigen, mit nur wenigen Bäumen bepflanzten Platz. Wer jetzt im Sommer ins Freibad gehen möchte, findet linker Hand sofort den Kassenbereich. Alle anderen werden von einer dunkelgrauen, von nur wenigen Lichtbändern durchbrochenen Wand zum Haupteingang geleitet. Sie schließt den lang gestreckten, abgewinkelten Baukörper ab, der in seinem Innern die verschiedenen Funktionsbereiche beherbergt, also Umkleiden, Duschen, Foyer und vieles mehr. Am nördlichen Ende treten Kuben mit abgerundeten Ecken hervor; ein Element, das den Gästen in diesem neuen Bad noch öfter begegnet. Wer genau hinschaut, der erkennt in den Putz eingelassene, sehr kleine Glasperlen. Sie lassen die Fassade in verschiedenen Nuancen schimmern und nehmen – je nach Licht – auch die Farben der Umgebung auf. Damit diese Putzfassade möglichst lange so schön bleibt, arbeiteten die Architekten nicht mit einem Wärmedämmverbund-System, sondern mit einer vorgehängten, hinterlüfteten Fassade. Die Investitionskosten sind zwar etwas höher als bei einem WDVS, dafür ist ein solches System dauerhafter und auch mechanisch beanspruchbar.
Klare Struktur, edle Materialien
Der Kassenbereich des Hallenbades empfängt die Schwimmer mit einer hellen und freundlichen Atmosphäre. Und hier müssen sich die Besucher entscheiden: Wer sich mit der klassisch-rechteckigen „Sportwelt“ begnügt, zahlt nur 3,10 bis 3,60 Euro; die „Erlebniswelt“ kostet je nach Zeitdauer das Zweieinhalb- bis Vierfache. Das ist für puristische Bahnenschwimmer, die die von ihnen ungenutzten Rutschen, Whirlpools, Nackenduschen und Solebecken nicht quersubventionieren müssen, sehr günstig. Spaßbadenden und Familien kommt der Besuch dagegen recht teuer zu stehen. Der Blick kann von der Kasse durch eine raumhohe Glaswand gleich in den Schwimmbereich fallen und die Vorfreude steigern. Im angrenzenden Umkleidebereich wird dann zum ersten Mal das Farbensystem des Bades mit der erwähnten Anlehnung an das Weinlaub deutlich sichtbar. Die edel wirkenden Glaswände der Umkleiden und Spinde verlaufen von einem satten Rot über ein kräftiges Orange und Gelb bis hin zu einem an Gras erinnernden Grün. Gleichzeitig weist der Farbverlauf auch auf die verschiedenen Temperaturen hin, die Wasser und Luft in den drei Badebereichen haben. Im Frei- und im Sportbereich des Hallenbades ist das Wasser kühler als im Erlebnisbereich.
Diese feinen Nuancen in der Farbgebung sehen aufmerksame Besucher auch in den Schwimmbereichen. Dort ließen die Architekten zwischen die hellbraunen, hölzernen Akustikelemente der Decke verschiedene bunte einbauen. Während im Sportbereich Grüntöne überwiegen, prägen das Erlebnisbad mehr gelbe und orangefarbene sowie einige rote Elemente. Das kräftige Rot in Kombination mit dunklen Farben gibt dann in der Sauna den Ton an, allerdings mehr an den Wänden als an der Decke. Denn die bereits beschriebenen Kuben, die in der Straßenfassade ebenso auftauchen wie in der Gartenfassade und frei stehend im Außenbereich, sind mit kleinen Mosaikfliesen gekachelt. Der Farbverlauf, der teilweise etwas zu hart und zu streifig erscheint, erstreckt sich von Weiß nach Rot und macht auf die Temperaturunterschiede beim Saunieren aufmerksam. Leider läuft die Zonierung der Grundrisse dem außen sichtbaren Verlauf hin und wieder komplett entgegen. Dort, wo Rot drauf ist, liegen die Kaltduschen. Und wo außen weiße Fliesen verwendet wurden, befindet sich im Innern die Saunakabine.
Konzept verinnerlicht
Die Möbel zum Sitzen, Ausruhen und Essen wurden zum Großteil leider nicht von den Architekten ausgewählt. Doch wenigstens die Farbwahl für die Sitzbezüge zeigt, dass auch der kommunale Betreiber auf seine Weise das Konzept verinnerlicht hat und dahintersteht. Ein Highlight dieses Neubaus ist für alle Saunaliebhaber der liebevoll gestaltete Garten. Saunahäuser, Pfade, ein Wasserbecken und Liegebereiche wechseln sich ab und sind strikt nach dem linearen Weinbergmuster angeordnet. Die Bambussträucher und die Bäume nehmen dem Ganzen etwas von seiner Strenge, was zu einer gelungenen Mischung führt. Das Tüpfelchen auf dem i dürften in Zukunft die niedrigen, bepflanzten Wälle sein, die als Sichtschutz zum landwirtschaftlich genutzten Nachbargrundstück dienen. Sie werden in Kooperation mit den Fellbacher Weingärtnern nun nach und nach mit Reben bepflanzt. So rückt der Wein, der zur Entwurfsidee inspirierte, vom Kappelberg direkt an das Bad heran.
Simone Hübener ist Fachjournalistin für Architektur und Bauen in Stuttgart.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: