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Zurück Malls in der Krise

Nutzungsmix im Shopping-Center: Umbau-Beispiele

Die reine Shoppingmall hat ausgedient. Für die Innenstädte ist das ­keine schlechte Nachricht. Denn auf der Suche nach tragfähigen Konzepten setzen die Betreiber der Konsumriesen nun von Berlin bis Bayern auf zukunftsweisende Misch­konzepte – und öffnen die einst hermetischen Gebäude zu ihrer Umgebung

01.11.20239 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Nutzungs-Vielfalt statt Shopping-Einerlei“ im Deutschen Architektenblatt 11.2023 erschienen.

Diese bereits umgebauten Malls werden im Beitrag vorgestellt:

Von Simone Hübener

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Shopping-Center Umbau-Beispiel 1: The Playce, Berlin

Mit dem Fall der Mauer war der Potsdamer Platz plötzlich wieder das Zentrum Berlins. Die dort über acht Jahre hinweg entstandene „Hochhaus-City“ prägt die Stadt bis heute. Nach zwei Jahrzehnten haben sich allerdings die Anforderungen an Büros, Gastronomie und Einkaufen derart verändert, dass derzeit fleißig umgebaut und modernisiert wird. Vor gut einem Jahr eröffneten die umgestalteten ehemaligen Potsdamer Platz Arkaden, die nun ein englisches Wortspiel als Namen tragen: The Playce.

Damit soll die Botschaft transportiert werden, dass man in der Mall erleben, entdecken und erfahren kann und sie zugleich ein Ort zum Verweilen ist. Anstoß für diese grundlegende Veränderung der bekannten Shoppingmall gab auch die in den letzten Jahren in Berlin eröffnete Konkurrenz, allen voran die Mall of Berlin in direkter Nachbarschaft. Vier Jahre nach deren Eröffnung boten 2018 zahlreiche auslaufende Mietverträge die einmalige Chance, sich mit einem neuen Konzept zu positionieren.

Fokus auf Gastronomie und Unterhaltung

Während sich der Ursprungsbau nach Plänen des Büros Renzo Piano Building Workshop als abgeschlossene Mall mit einem Umlauf im ersten Obergeschoss präsentierte, zeigt sich The Playce als überdachte Ladenstraße mit sich architektonisch unterscheidenden Einzelgebäuden und einer vertikalen Erschließung. Dafür wurden die Fassaden und die Seiteneingänge in Zusammenarbeit mit dem Büro von Renzo Piano umgestaltet sowie die gesamte Technik und die Bodenbeläge erneuert.

Die Ladeneinheiten sind nun großzügiger und der Fokus liegt auf Gastronomie und Unterhaltung mit sogenannten Ankermietern, die teils in Deutschland oder gar Europa einzigartig sind (wie Europas größter NBA-Store und der Flagship-Store „Mattel: Mission Play!“, der noch in diesem Jahr eröffnen soll).

Straße wird zur Fußgängerzone

Das Untergeschoss wurde zu einem Nahversorgungszentrum weiterentwickelt mit Supermarkt, Drogerie, Optiker und Reinigung – eben allem, was die arbeitende Bevölkerung aus den umliegenden Büros benötigt. Diese möchten die Potsdamer-Platz-Eigentümergesellschaften als Bauherr und die ECE als Generalplaner, die maßgeblich für die Neuplanung verantwortlich zeichnen, auch durch eine Aufwertung des ganzen Bereichs länger als nur zu Bürozeiten vor Ort halten. Karl L. Wambach, Executive Vice President Europe beim Asset Manager Brookfield Properties, erklärt: „Ein wichtiger Teil dieses Projekts ist die Umgestaltung der Alten Potsdamer Straße in eine Fußgängerzone, die bis zu 32 Meter breit ist.“

Ihr erster Abschnitt wurde Mitte September eröffnet. Auf zahlreichen, sogenannten nicht kommerziellen Sitzmöglichkeiten können sich die Menschen niederlassen, Radfahrende die Straße sicher nutzen. Der hellgraue Granit des Außenbereichs dient auch in The Playce als Bodenbelag, um Außen- und Innenraum optisch miteinander zu verbinden. Die damit verbundene Hoffnung ist, dass die Besucherinnen und Besucher sich länger aufhalten, ins Einkaufszentrum hineingezogen werden und anschließend im gesamten Quartier umherschlendern.

Verschiedene Fassaden suggerieren Stadt

Die verschiedenen Fassaden der sechs Gebäude und vor allem der Bereich des sogenannten Manifesto Market prägen den Innenraum. Dort findet sich eine „kuratierte Auswahl an Restaurants“, wie auf der Website zu lesen ist. Will heißen: Der Betreiber wählt die gastronomischen Mieter gezielt aus, wie hier in Berlin mit Küchen von Europa über den Fernen Osten bis nach Südamerika.

Verschiedene kostenlose Veranstaltungen, wie sonntagmorgens das „Kidz Kino“ oder After-Work-Events mit Live-Musik sind selbstverständlich immer verbunden mit dem Hinweis auf das zu erwerbende kulinarische Angebot. Zusätzlich zu den 750 Plätzen der verschiedenen Restaurants dient eine breite Sitztreppe in ungezwungener Weise als Tribüne. Wenn, wie geplant, im ersten Quartal 2024 alle Mieter eingezogen sein werden, wird sich zeigen, ob das Konzept mit seinem Investi­tionsvolumen von rund 200 Millionen Euro an dieser Stelle aufgeht.


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Shopping-Center Umbau-Beispiel 2: Donau Quartier, Passau

Auch der Donau Passage in Passau – einst ein Prestigeprojekt der aufstrebenden bayerischen Stadt – hat die Neueröffnung eines größeren Shoppingcenters nur 200 Meter entfernt den Garaus gemacht. Hinzu kamen schwere Schäden aufgrund des Hochwassers 2016. Zu dieser Zeit standen jedoch bereits fast alle Ladengeschäfte leer. Einzig gut gebucht war schon immer das Hotel in den oberen Etagen. Es sollte deshalb unbedingt erhalten bleiben. Für den Rest des Gebäudes musste auch in Passau ein neues Nutzungskonzept her.

Die Lage in der Innenstadt zwischen Bahnhof und Fluss ist für ein Einkaufszentrum erst einmal gar nicht so schlecht. Es müsse allerdings, so das Ergebnis der umfassenden Analyse des beauftragten Architekturbüros RKW Architektur +, für neue Zielgruppen ansprechende Angebote geben, die sich ansonsten eher am Stadtrand finden. Dazu gehören ein Fachmarkt, ein Nahversorger und ein Fitnessstudio, verschiedene gastronomische Angebote und eine Postfiliale.

Einige Studierendenwohnungen sowie Büros ergänzen den neuen Nutzungsmix des Donauquartiers – wie der Name des ehemaligen Centers nun mit Verweis auf die urbane Mischung etwas vollmundig lautet.

Fassaden öffnen sich nach außen

Im Gegensatz zum Berliner Beispiel transportiert sich die Veränderung auch deutlich in den Stadtraum: Beim Umbau wurden die Fassaden nach außen hin geöffnet (Ausführungsplanung: Wagner Architekten, Dingolfing). Ein neues, markantes Vordach schmiegt sich einer Skulptur gleich an die zum Bahnhof ausgerichtete Südfassade und schenkt der Osteria an der Ostecke, wo sich früher der Haupteingang befand, einen geschützten Außenbereich. Die Unterseite des Dachs ließ das Architektenteam mit glänzenden und matten Metallpaneelen verkleiden, die aufgrund der unterschiedlichen Reflexion des Lichts ein zweifarbiges, unregelmäßiges Muster ergeben. Sie finden sich ebenso in den öffentlichen Bereichen im Innenraum – auch hier sollen Außen und Innen miteinander verschmelzen.

Energetisches und gestalterisches Update

Die unter dem Dach liegenden Fassadenbereiche sind jetzt voll verglast. Die über dem Dach liegende Hotelfassade wurde mit neuen Fenstern und einer Dämmung energetisch auf den aktuellen Stand gebracht. Die ehemaligen Tonnengauben auf dem Dach, die nur mit sehr großem Aufwand hätten entfernt werden können, wurden mit Flachdachgauben überbaut. Mit den richtigen gestalterischen Eingriffen, der Verwendung zeitgemäßer, hochwertiger Materialien und einer neuen Farbgestaltung gelang es RKW Architektur +, die von vielen bereits abgeschriebene Donau Passage zu einem neuen Anziehungspunkt in der Passauer Innenstadt werden zu lassen.

Respekt zollt der assoziierte Büropartner Jens Thormeyer auch den Beteiligten der Stadt Passau: „Die Stadt ließ die Straße vor dem Donauquartier instand setzen sowie den Europaplatz vor dem Bahnhof neu möblieren und in Abstimmung mit den Gastronomen bepflanzen“, erzählt der Architekt. „Sie hat damit einen wichtigen Teil zum Gelingen des Projekts beigetragen.“


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Shopping Center Ems Quartier nach dem Umbau mit Sitzstufen am Ufer
Die monofunktionale Meppener Einkaufspassage MEP war schon nach weniger als zehn Jahren nicht mehr rentabel. Jetzt soll es eine Mischung aus Handelsflächen, Wohnungen, Veranstaltungs- und Co-Working-Räumen richten. Neue Sitzstufen sollen die Lage am Fluss in Zukunft erlebbar machen.

Shopping-Center Umbau-Beispiel 3: Ems-Quartier, Meppen

Während die Shopping-Center in Berlin und Passau nach 25 beziehungsweise 35 Jahren umgestaltet wurden, ist die Halbwertszeit bei anderen deutlich geringer. Erst zehn Jahre alt ist das Meppener Einkaufszentrum, das sich mit seinem „Diamanten“ – wie der runde Baukörper am Wasser mit seinen dreieckigen Fassadenelementen von der Bevölkerung genannt wird – von der Umgebung der niedersächsischen Kreisstadt abhebt.

30 Wohnungen auf dem Dach der Mall

Doch das ursprüngliche Konzept eines großen, ausschließlich auf das Einkaufen ausgerichteten Centers auf zwei Ebenen entpuppte sich schnell als wenig beständig. Bereits Anfang 2022 stand rund die Hälfte der rund 17.000 Quadratmeter leer. Zu optimistisch sei von Beginn an geplant worden, ist das als Generalplaner beauftragte Büro Chapman Taylor überzeugt. Eine breit gestreute Mischnutzung soll die Immobilie wieder rentabel machen – inklusive 30 Wohnungen auf einem Teil des Dachs mit 50 bis 80 Quadratmetern.

Gute Wasserlage ausnutzen

Die Lage des nun „Ems-Quartier“ genannten Komplexes ist eigentlich hervorragend und mit dem Donauquartier vergleichbar: nur wenige Meter vom Bahnhof entfernt und mit der Südseite am Wasser gelegen. Derzeit schottet sich das Shopping-Center allerdings vom Wasser eher ab, denn die Hase, ein Nebenfluss der Ems, ist in diesem Bereich als Bundeswasserstraße ausgewiesen, deshalb ist das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt an allen Planungen zu beteiligen.

Dem Bauherrn und dem Team von Chapman Taylor gelang es jedoch in ersten Gesprächen, eine grundsätzliche Zustimmung für eine große neue Treppenanlage mit Sitzstufen zum Wasser hin zu erhalten. Der dahinter liegende Platz soll mit Außengastronomie bespielt werden.

Einkaufspassage mit Passanten in Meppen.
Geschäfte wird es im Ems-Quartier nur noch im Erdgeschoss geben. Darüber entstehen Arztpraxen, Büros und Wohnungen.

Nutzungsmix aus Arztpraxen, Hotel und Co-Working

Diese Veränderung wird die von außen sichtbarste, denn alles andere werden baulich „chirurgische Eingriffe sein“, wie Hendrik Wirths, Director bei Chapman Taylor, es bezeichnet. Dazu zählt, dass die Dachfläche über der Passage im ersten Obergeschoss abgerissen wird, denn Handelsflächen mit einem Schwerpunkt auf Nahversorgung wird es künftig nur noch im Erdgeschoss geben.

Die im ersten Obergeschoss neu angesiedelten Büros, Arztpraxen und das Hotel können so mit Tageslicht versorgt werden. Für das Hotel mit seinen etwa 90 Zimmern wird ein weiterer Innenhof eingeschnitten und eine zusätzliche Etage aufgestockt. Im Diamanten – vorher ebenfalls genutzt für den Einzelhandel – werden Veranstaltungsflächen und Co-Working-Räume für die Stadt Meppen eingerichtet. Alles in allem wird ein hoher zweistelliger Millionenbetrag investiert werden.

Nachhaltige Mall mit Begrünung und Photovoltaik

Passend zu diesem Konzept, das auch die Begrünung der Dachflächen und eine Photovoltaikanlage vorsieht, strebt der Bauherr, die Ems-Quartier Meppen GmbH, eine Breeam-Zertifizierung des zweitbesten Status „Exzellent“ an. Wenn alles nach Plan läuft, starten die Bauarbeiten in Meppen im kommenden Jahr. Dass das umgebaute und umgenutzte Center dann, wie auch in Passau, in Bezug auf den Quartiersgedanken als „Ems-Quartier“ wiedereröffnet werden soll, zeigt, wohin der Trend sich derzeit entwickelt.

Ab 2025 wird man sich voraussichtlich in Meppen ein Bild davon machen können, ob mit den neuen Mischnutzungen ein zukunftsfähiger Weg für die einstigen Konsumriesen eingeläutet werden kann.

Weitere Beiträge zum Thema finden Sie in unserem Schwerpunkt „Vorher-Nachher“

 

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