Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Hinfallen, wieder aufstehen, weitermachen“ im Deutschen Architektenblatt 01-02.2024 erschienen.
Am Anfang war das Hobby. Seit 1980 hatte sich Ralf Maier dem BMX-Sport verschrieben, war Deutscher Meister und Weltmeister. Die Skate-Anlagen, auf denen er viel Zeit verbrachte, wurden damals von Spielgeräteherstellern geplant und gebaut und als Spielgeräte verkauft. Sie entsprachen nicht den Anforderungen der Skater oder BMXer.
Nach dem Landschaftsarchitekturstudium wollte Ralf Maier diese Lücke füllen. „Zunächst war es sehr schwierig, als junger Architekt in einem noch dazu wenig bekannten Spezialgebiet Aufträge zu bekommen“, erzählt er. Letztlich habe ihm seine Bekanntheit aus der Sportszene den Einstieg deutlich erleichtert.
Skate-aid: Jugendarbeit mit dem Skateboard
Auch den Münsteraner Unternehmer und Skateboardpionier Deutschlands, Titus Dittmann, kannte Ralf Maier aus seiner Profizeit. Er verfolgte mit, wie dieser im Jahr 2009 die Stiftung skate-aid gründete. Ihr Ziel: jungen Menschen in aller Welt mithilfe von pädagogisch gut begleiteten Skateboard-Projekten dabei zu helfen, starke Persönlichkeiten zu werden. Die erste Skate-Anlage der Stiftung sollte in Zusammenarbeit mit Rupert Neudeck und dem Verein Grünhelme in Afghanistan entstehen.
„Titus wollte dafür Fertigteile mit dem Schiff transportieren. Ich habe ihm erklärt, dass man das so nicht mehr macht“, schmunzelt Maier. Der Landschaftsarchitekt realisierte dann das, was er provokativ „Betonlandschaften“ nennt – eine Skate-Anlage in Ortbetonbauweise. Dadurch kann er die bestehende Topografie besonders gut nachempfinden, die Natur berücksichtigen und Flächen mit Bepflanzung und Versickerung natürlich gestalten.
Entwicklungshilfe mit Beton und Skateboard
Mit Afghanistan begann eine mittlerweile bewährte Zusammenarbeit: Die Stiftung organisiert Projekte mit lokalen Partnern, kümmert sich um die Finanzierung des Baus und sammelt Material-Spenden, die dann weltweit verteilt werden. Sobald eine Anlage betriebsbereit ist, geben Betreuer vor Ort zu festen Trainingszeiten Skateboards und Schoner aus und sammeln sie wieder ein. Damit haben alle eine Chance, skaten zu lernen. Das Büro maier landschaftsarchitekten übernimmt die Planung. „Das Bauen ist in vielen Ländern viel einfacher als in Deutschland: Die Lokalität, die verfügbare Fläche und das Budget bestimmen das Design“, beschreibt Ralf Maier.
Uganda: Skate-Park wird zum Jugendzentrum
Eines der Projekte, das ihm am meisten am Herzen liegt, ist die Anlage in Kampala, Uganda. Im dortigen Township Kitintale hatte die Uganda Skateboard Union (USU) 2005 einen eigenen kleinen Skate-Park gebaut. Er wurde zum Anlaufpunkt für die Kids und Jugendlichen, zum stabilen Anker in einem Umfeld, das von Bildungsarmut, Arbeitslosigkeit, HIV und Drogenmissbrauch geprägt ist.
Seit 2010 wird die USU von der Stiftung skate-aid und von Landschaftsarchitekt Maier unterstützt. Sie haben die Anlage renoviert, mehrfach erweitert und unter anderem 2021 eine sogenannte Skull Bowl, also einen Skate-Pool in Form eines Totenkopfs, errichtet.
Beton mit der Hand gemischt
Vor Ort musste das Team als Erstes den Entwurf dafür überarbeiten – denn ab einer Tiefe von 50 Zentimetern kommt bereits das Grundwasser. Also wurde nicht im Boden, sondern darauf gebaut. Den Transport der Zementsäcke, Ziegelsteine, Stahlstangen und sonstigen Materialien bewältigten die Helfer ab dem 50 Meter entfernten Anlieferungspunkt mit dem Fahrrad oder der Schubkarre, den Beton mischten sie mit der Hand.
„Viel Gelassenheit gelernt“
Im Folgejahr kamen eine Miniramp, eine Plaza, ein Schulungsgebäude mit Bibliothek und ein Freiwilligenhaus dazu. Schritt für Schritt entsteht so ein vollständiges Jugend- und Kulturzentrum. Ralf Maier prägten die dortigen Erfahrungen: „Ich habe viel Gelassenheit gelernt und einen anderen Blick auf die Welt entwickelt. Wenn man in Slums wie in Uganda ohne Wasser zwischen offenen Fäkalien arbeitet, die Gerüche einatmet und die Kinder dort sieht, dann sind unsere vermeintlichen Probleme hier in Deutschland oder Europa nur Luxusprobleme.“
Skate-Park in Nepal: Lokale Politiker überzeugen
Auch den rund 400 Quadratmeter großen Skate-Park am Rand der 150.000-Einwohner-Stadt Butwal in Nepal kennt Ralf Maier aus eigener Anschauung. Zusammen mit Titus Dittmann und seinem Team, unzähligen Kids, vielen freiwilligen Helfern sowie hochrangigen Vertretern der Stadt- und Provinzregierung war er bei der feierlichen Einweihung im Frühjahr 2022 dabei. Wo heute Kinder mit ihren Boards über Bänke springen, Jugendliche über Geländer skaten und Erwachsene begeistert zuschauen, war wenige Monate zuvor eine staubige Kiesfläche, gesäumt von einzelnen Bäumen.
Mit Geduld traten die Initiatoren von skate-aid an die lokalen Politiker heran, um deren Potenzial zu heben. „Unser Bauleiter in Nepal war dreimal mit den Verantwortlichen Tee trinken. Beim vierten Mal wurde dann über den Skate-Park gesprochen“, erinnert sich der Landschaftsarchitekt. Dann wurde etwa vier Monate lang gebaut. Für viele der mehr als 30 freiwilligen Helfer war es das erste Mal, dass sie mit Beton gearbeitet haben.
Skate-Park flexibel für Umnutzungen
Entstanden ist eine kreuzförmige betonierte Fläche – die Abstraktion zweier gekreuzter Skateboards, die das Logo der Stiftung bilden. Der mittlere Bereich ist ausschließlich den Skatern vorbehalten. Die beiden Enden wurden als Rampen zum Schwungnehmen geformt. Rechts und links der Mittelachse, in den beiden anderen Flügeln des Kreuzes, befinden sich ein Skate-Pool und eine Streetball-Fläche.
Diese beiden Bereiche können flexibel für andere Nutzungen angepasst werden, etwa für Veranstaltungen, als Spielplatz oder für den Bau eines Jugendzentrums. Auch eine spätere Überdachung von Teilbereichen ist dank der klaren und einfachen Formen unkompliziert möglich. „Wir versuchen, die Anlagen so zu bauen, dass sie zu sozialen Treffpunkten werden“, erklärt Maier.
Die Betreuung hat der lokale Verein „Yuwa for Change“ übernommen. Innerhalb eines halben Jahres haben mehr als 2.000 Kinder und Jugendliche an den 234 Workshops der NGO teilgenommen. Mittlerweile hat sich der Skate-Park als sicherer Treffpunkt für die Sportbegeisterten etabliert. Sie lernen hier vor allem: hinfallen, wieder aufstehen, weitermachen.
Als Planer braucht man Partner vor Ort
Uganda und Nepal reihen sich ein in die immer länger werdende Liste der internationalen ehrenamtlichen Projekte von maier landschaftsarchitekten und skate-aid, die inzwischen gemeinsam schon Parks in Afghanistan, Indien, Syrien, Kenia, Ruanda, Namibia, im Westjordanland, im Libanon, in der Dominikanischen Republik und in Benin realisiert haben.
„Jeder einzelne Standort ist anders und einzigartig, die Gegebenheiten vor Ort, unsere Sozialpartner und Helfer…“, reflektiert Ralf Maier. Er und sein Team stellen sich jedes Mal neu auf die geografischen und gesellschaftlichen Verhältnisse ein, bauen in ortsüblicher Bauweise mit lokal verfügbarem Material und binden die Bevölkerung mit ein, damit sie sich mit dem Projekt identifiziert.
„Natürlich werden keine Leistungsphasen nach HOAI erbracht. Die Vorgehensweise, auch die Abstimmung mit den Behörden, ist immer sehr vom jeweiligen Land abhängig“, erklärt Maier. „Wir müssen viel improvisieren und auch sehr flexibel reagieren. Ohne Partner vor Ort funktioniert das nicht.“
Skate-Parks in Köln geplant, Bauleiter vor Ort
Die Partner sind lokale Vereine oder internationale Organisationen wie die SOS-Kinderdörfer. In der Regel geht die Initiative von ihnen aus: Sie kommen auf die Stiftung zu, die prüft zusammen mit maier landschaftsarchitekten, wie der Partner vor Ort organisiert ist und ob das Projekt nachhaltig betrieben werden kann. Die Planung findet im Kölner Büro des Landschaftsarchitekten statt. Ein von der Stiftung benannter Bauleiter übernimmt die Gesamtabstimmung und die Umsetzung mit dem Partner vor Ort.
Nur einmal gab es Differenzen mit einem lokalen Partner, sagt Ralf Maier: „In Tansania haben wir eine Anlage zusammen mit Don Bosco auf einem Kirchengelände geplant. Die dürfen Kinder jetzt nur nutzen, wenn sie vorher gebetet haben.“ Ein Unding, findet Maier, der daraus gelernt hat: „Wir wollen nicht, dass die Anlage oder der Sport instrumentalisiert wird. Also bauen wir nur noch auf öffentlichem Gelände.“
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