Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Dem Himmel so nah“ im Deutschen Architektenblatt 12.2021 erschienen.
Skybars finden in immer mehr oberen Etagen von städtischen Hochhäusern einen Platz. Vor allem auf Hotelbauten sind sie seit einiger Zeit ein beliebtes Add-up. Während Hotels früher nach dem Schema „Übernachten, frühstücken, wieder gehen“ konzipiert waren, haben in den vergangenen Jahren die öffentlichen Bereiche immer mehr an Bedeutung gewonnen. Restaurants im Erdgeschoss ziehen externe Gäste mit einladenden Sitzbereichen auf den Gehwegen an – die Skybars locken mit dem Versprechen auf ein besonderes Ambiente.
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Berlin: Loft14 im Vienna House
Dieses versucht die Bar „Loft14“ im 14. Stock des Vienna House Andel’s Berlin durch eine aufsehenerregende Innenarchitektur zu schaffen. Alles in diesem 210 Quadratmeter großen Raum ist spannungsgeladen. „Der Großstadtdschungel Berlins überträgt sich als Gestaltungselement in den Raum: das Gewirr der Geräusche, die Vielfalt, die Farbigkeit, das Anderssein …. Das Ergebnis: eine bunte Oase mit spektakulärem Blick auf den ‚urban jungle‘ Berlin“, beschreibt Maren Mogalle, Innenarchitektin vom Augsburger Büro Dreimeta, das Konzept.
Herzstück des Raumes ist eine zehn Meter lange Bar. Die umlaufende indirekte Beleuchtung unter der dunklen Eichentheke lässt ihre grüne Marmorfront lebendig werden. Davor reihen sich Barhocker in frechem Flamingorosa. Flaschen schweben in unterschiedlichen Höhen in einem beleuchteten Stahlregal über dem Tresen. Damit ist der Blick frei auf die Rückwand, ein Mosaik aus glänzenden ockergelben und terrakottafarbenen Fliesen, das an die Wände in der Berliner U-Bahn erinnert.
Opulenz bei Farben und Materialien
Für die wichtigste Laufzone rund um den Tresen wurden Massivholzdielen mit Dielen in unterschiedlichen Grüntönen ergänzt. Sie laufen auf einem grün marmorierten Teppich aus, der wohnlichen Grundlage für den großzügigen, u-förmigen Sitzbereich entlang der drei Glasfassaden. Sessel und Sofas in verschiedenen Größen und Farben sind mit runden Marmor- und Messingtischen zu intimen Zweiergruppen und familiären Runden arrangiert. Blickfänger sind die gelb gefliesten Stützen, die die Fassade rundherum tragen. Sie stehen im deutlichen Kontrast zu den sonst eher weichen und edlen Oberflächen und Bezügen der Sessel.
Für jeden die passende Sitzgelegenheit
Halbkreisförmig angeordnete raumhohe Messingstangen deuten zwei Separees an. Weiter hinten lädt ein opulentes halbrundes Velourssofa vor einer bunten Dschungeltapete zum Abhängen ein. Die botanischen und zoologischen Skizzen des Berliner Forschungsreisenden von Humboldt standen Pate. „Bei Sitzbereichen versuchen wir immer, möglichst vielfältig zu gestalten – exponierter, zurückgezogener, hochsitzend an der Bar –, sodass jeder Gast seinen persönlichen Lieblingsplatz findet“, erklärt Innenarchitektin Mogalle.
Beleuchtung gezielt gesetzt
Stark zurückgenommene Beleuchtung verbreitet eine gedämpfte Atmosphäre. Steh-, Tisch- und Pendelleuchten schaffen Lichtpunkte auf verschiedenen Höhen. Sie sind in mehrere Schaltgruppen zusammengefasst und dimmbar, genau wie die Grundbeleuchtung. Wer den Blick auf das Lichtermeer der Stadt sucht, kann ihn von jedem Punkt im Raum genießen. Wer vorrangig den gewagten, kontrastreichen Raum und seine bunt gemischte Klientel erleben will, findet sich vor einer spektakulären, funkelnden Kulisse wieder.
Münster: Skybar im Atlantic Hotel
Ganz anders ist das Ambiente in der Skybar des im September eröffneten Atlantic Hotels in Münster. Hier ist die gesamte Raumgestaltung darauf ausgerichtet, Ablenkungen zu vermeiden. Der Ausblick soll wirken und nicht durch Lautes oder Schrilles überdeckt werden, so das Credo von Petra Tiefenthaler vom Münchner Büro Olufemi Moser Architekten. Sie konnte ihre Ideen zu einem außergewöhnlich frühen Zeitpunkt in den Neubau einbringen, als es um die Fassadengestaltung und die Aufteilung des Obergeschosses ging.
„Das Gebäude ist ein Eckgebäude. Die Bar verfügt nun über große Fensterflächen sowohl nach Süden als auch nach Westen, kann also das wunderbare Licht von Sonnenuntergängen nutzen“, beschreibt Tiefenthaler. „Zugleich ist die westliche Front zur Promenade ausgerichtet. Dieser Grüngürtel mit uralten Lindenbäumen ist einer der wichtigsten Ringe um Münster. Unser zentrales Anliegen war, die Promenade ins Gebäude zu holen.“
Zonierung durch Lichtobjekte
Durch eine stufenförmige Anordnung in dem 115 Quadratmeter großen Raum wird eine größtmögliche Öffnung zu den bodentiefen Fenstern erreicht: Die niedrigste Ebene bilden die Sitzgruppen entlang der Fensterfronten. Von den Barhockern vor dem Tresen schauen die Gäste über die Sitzenden hinweg. Zwischenwände oder Raumteiler, die den Blick verstellen könnten, gibt es nicht. Einzig durch Lichtobjekte wird eine leichte Zonierung geschaffen.
Wer in der Skybar Platz nimmt, hat das Gefühl, gerade über den Wipfeln der mächtigen Gehölze vor den Fenstern zu sitzen. Farben und Materialien im Raum greifen die Natur auf. Warme, erdfarbene, eher dunkle Töne dominieren. Der Boden ist mit Parkett belegt. Petrolgrüne Samtsessel mit abgerundeten Lehnen gruppieren sich um niedrige runde Holztische.
Warmes und indirektes Licht
Der auffälligste Bereich ist hinter der Bar an der Rückwand des Raumes: In den Regalen mit dem Getränkesortiment befinden sich indirekt beleuchtete Kupferelemente. Bronzene Spiegelelemente an der Decke über der Bar nehmen diese Gestaltung auf und reflektieren sie weichgezeichnet. „In Zusammenarbeit mit dem Lichtplaner Bernd König war unser Ziel, Kerzenscheinfeeling zu schaffen – durch möglichst warme Lichtfarben, viel indirektes Licht, kleine, im Raum verteilte Lichtpunkte und verspielte Lichtobjekte in unterschiedlichen Höhen“, erläutert Tiefenthaler. Selbst die immensen Fensterfronten stören diese gemütliche, geschützte Atmosphäre nicht. Sie werden durch transparente Stoffbahnen gebrochen. Auf den Glasflächen treffen sich die glitzernden Lichter der Stadt und die reflektierenden Lichtpunkte aus dem Raum.
Hamburg: Puzzle Bar in der HafenCity
Die introvertierte Gestaltung in Münster und die extrovertierte Innenarchitektur in Berlin sind vergleichsweise extreme Formate. Irgendwo dazwischen findet sich die Hamburger Puzzle-Bar. Hier haben die Inszenierung des Panoramas und des Bargeschehens das gleiche Gewicht. Ihr Betreiber, Deutschlands jüngster Drei-Sterne-Koch Kevin Fehling, hat in der 15. Etage des Campus Towers so etwas wie ein Gegenstück zu seinem nur einen Steinwurf entfernten Restaurant The Table in der Hamburger HafenCity geschaffen.
Tresen erinnert an Eisblock
Wie in The Table, bildet auch in der Puzzle-Bar ein gigantischer Tisch das Zentrum des Raumes. Die Drinks, die an diesem Tresen kredenzt werden, haben das Hamburger Büro Cubik³ Innenarchitekten zu einer ungewöhnlichen Formensprache inspiriert. „Das beste Eis für Drinks enthält keine Lufteinschlüsse und schmilzt somit nur sehr langsam. In der Natur findet sich das in der Antarktis, wo Eisblöcke unter hohem Druck geformt werden. Diese Assoziation haben wir mit dem Tresen umgesetzt: Mit seiner kristallinen Form erinnert er an einen gesprengten Eisblock“, sagt Innenarchitekt Jens Schneider. „Die Stücke, die „weggebrochen“ sind, finden sich an anderen Stellen im Raum wieder – an den Tischen an der Fensterfront zum Beispiel oder an der Verkleidung der Lüftungsanlage an der Decke.“
Der 15 Meter lange Tresen besteht aus vier schwarz durchgefärbten MDF-Blöcken. Sie wurden mit einem Kran „angeliefert“, vor Ort zusammengesetzt und aufwendig endbearbeitet. Die hochglanzlackierte Oberfläche aus unterschiedlich breiten und unterschiedlich hellen Furnierstreifen wirkt ein wenig wie Palisander. Sie mildert die massive Wirkung des dunklen Monoliths und bringt einen Hauch von Exotik ins Spiel, eine Erinnerung an den Welthafen zu Füßen der Bar.
Veloursvorhang und Fadendecke
Der Tresen ist vor der einzigen massiven Wand des symmetrischen, trapezförmigen Raumes angeordnet. „Die dreiseitig umlaufende Glasfassade, die klaren Linien und harten Kanten – das alles hat eine sehr kühle Ausstrahlung gehabt. Dieser Schärfe haben wir durch den an der kompletten Rückwand verlaufenden Veloursvorhang etwas Weiches entgegengesetzt. Er gibt dem Raum seinen Halt und sorgt zugleich für eine angenehme Akustik.“ Die Velourswand wird durch zwei Spiegelelemente unterbrochen. Davor kredenzen die Barkeeper ihre Drinks, wie von einem Bühnenvorhang umrahmt. Die Barhocker sind als Zuschauerplätze am Tresen und an den schmalen Tischen entlang der Glasfassade aufgereiht.
Über Tresen und Gästen hängt – oder besser, weht – ein handgeschnittener bronzener Fadenvorhang, der zum Fenster hin immer transparenter wird. Die Fäden werden indirekt beleuchtet. Zugleich bläst die Luft aus der Lüftungstechnik in die Fäden und zaubert ein immer neues, zufälliges Lichtspiel.
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