Spricht man von Inspiration, denkt man schnell an Geistesblitze, an Orte, eine spezielle Perspektive, an eine vorbeihuschende Silhouette; Dinge, die einen direkt anregen. An Kicks. Wirklich inspirierend sind für mich aber die Orte, die in mir etwas zurücklassen, die mehr sind als ein wertvolles Fotomotiv oder die Erinnerung an eine schöne Begebenheit. Orte, die einem im Wortsinn etwas einhauchen oder einen inhalieren lassen, die etwas zurücklassen, etwas Unklares, so viel, dass es einen zum Denken anregt, so wenig, dass man immer wieder zurückkehrt.
Einer dieser Orte der Wiederkehr ist für mich die Fatimakirche in meiner alten Heimat Kassel. Sie wurde 1959 von Gottfried Böhm erbaut. Anders als in Neviges oder Köln-Lindenthal tritt diese Kirche nicht durch ein expressives Spiel polygonaler Formen hervor. Sie steht in einem schlichten Selbstverständnis da; hier biedert sich nichts an, es wird nichts behauptet, was nicht ist. Ein Betonquader mit gestockter Oberfläche. An den Stirnseiten sind eine Portal- beziehungsweise eine Chorwand durch eine Verglasung vom Körper abgelöst; sie zeigen etwas an, ohne viel zu verraten. Tritt man näher an die Außenwände, erkennt man den geschredderten Bombenschutt Kassels, der als Zuschlag diente und dem Gebäude seine rötliche Farbe gibt.
Das Haus wirkt alt, irgendwie archaisch. Wäre der abgerückte Kirchturm nicht: Es könnte genauso eine Moschee, eine Synagoge oder ein längst verlassener Tempel sein. Der Eingang liegt an der Stirnseite hoch über dem Straßenniveau. Herauf gelangt man nur über eine vorgestellte Treppe. Es ist nicht beiläufig oder leicht, als Besucher muss man hier hinaufwollen. Im Inneren blickt man in einen langen rechteckigen Raum in demselben rötlichen Beton wie die Außenwände. Die einzige räumliche Gliederung erfolgt über ein fliegend wirkendes Betondach, das Portal- und Chorwand verbindet und eine Dreischiffigkeit andeutet. Es ist Raum, so klar, so einfach, wie er nur sein kann.
Es beeindruckt mich bis heute, wie viel man mit so wenig an Form und Material erreichen kann. Ein Haus, das für sich steht, ohne sich über seine Nachbarn zu erheben.
Levin Koch, Architekt, Stuttgart
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