Text: Cornelia Dörries
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Pingusson-Bau in Saarbrücken: Große Geschichte mit offenem Ausgang.
Marlen Dittmann erfuhr das Ungeheuerliche aus der Zeitung. Dort musste die Vorsitzende des Deutschen Werkbunds Saarland im Jahr 2010 lesen, dass der Pingusson-Bau in Saarbrücken nicht mehr zu retten sei – ein bauhistorisches Zeugnis der Nachkriegszeit, das mit seiner Geschichte und Architektur in Deutschland einzigartig ist. Doch jetzt ging es um schadhafte Fassaden, unzeitgemäße Raumstruktur, schlechtes Gebäudeklima, statische Mängel. Alles in allem, so die Schätzung, würde eine Sanierung mit mindestens 40 Millionen Euro zu Buche schlagen. Sehr viel Geld, das im wirtschaftlich geschwächten Saarland wohl niemand aufbringen würde für ein angejahrtes Bauwerk aus den ungeliebten Fünfzigern. „Die Abrisspläne wurden quasi nebenbei veröffentlicht“, so die Architektin Dittmann. „Wir vom Werkbund waren natürlich sofort alarmiert.“
Was Dittmann und ihre Mitstreiter auf den Plan rief, war nicht irgendein Bürogebäude. Das als Pingusson-Bau bekannte Haus entstand von 1951 bis 1954 als französische Botschaft im damals autonomen Saarland. Für den Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Saarbrücken verpflichtete der französische Militärgouverneur seinen Landsmann George-Henri Pingusson, einen Modernisten aus dem Umkreis von Le Corbusier. Sein Ensemble für die diplomatische Vertretung Frankreichs im Saarland ist ein kühnes, kubisches Gefüge, bestehend aus einem schlanken, achtgeschossigen Verwaltungsgebäude sowie einem dreigeschossigem Flachbau, gebettet in eine parkartigen Umgebung nahe der Autobahn. Das Gebäude war eine in Beton gegossene Vision für ein gebeuteltes, schwer geschundenes Land; sowohl mit seiner modernen Architektur als auch mit seiner lichten Großzügigkeit im Inneren.
„Wir haben als Erstes eine Broschüre erarbeitet, mit der wir die Öffentlichkeit, aber auch die Verantwortlichen in den Ministerien über dieses architektonische Juwel aufgeklärt haben“, berichtet Marlen Dittmann. „Man darf ja nicht vergessen, dass wir im Saarland mit Bauwerken solchen Rangs nicht so reich gesegnet sind.“
Als Botschaft Frankreichs in einem unabhängigen Saarland wurde das Haus jedoch nicht genutzt, denn die Saarländer entschieden sich ein Jahr nach der Fertigstellung für die Bundesrepublik. Über viele Jahrzehnte diente das Haus dann als Sitz des saarländischen Kultusministeriums, das nun angesichts der längst überfälligen Sanierung ausgezogen ist. Seither steht der Bau leer, ein Betongutachten wird derzeit erstellt. „Die Abrisspläne sind, auch dank unserer beharrlichen Aufklärungsarbeit, zwar vom Tisch“, so Marlen Dittmann. „Doch es fehlt noch ein tragfähiges Konzept für die zukünftige Nutzung des Hauses, mit dem sich die Kosten rechtfertigen ließen.“ Das Engagement für den Erhalt des Gebäudes gestaltete sich mühsam. Lag es an den Gegnern? „So richtig offen war ja keiner dagegen“, resümiert sie. „Wer immer etwas gegen unser Bestreben hatte, ist jedenfalls nicht aus dem Gebüsch gekommen. Nur die Pfennigfuchser im Finanzministerium haben ihre Bedenken angemeldet.“
In einem von der Architektenkammer Saarland unterstützten Workshop diskutierten im vergangenen Herbst über 70 Architekten, Stadtplaner und Verwaltungsfachleute aus Deutschland und Frankreich verschiedene Szenarien. Neben der Wiedernutzung als Kultusministerium böten sich auch die Optionen, die nebenan residierende Handwerkskammer mit ihrem akuten Platzbedarf sowie die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) einziehen zu lassen oder das ganze Areal in einen mit der Stadt verbundenen Campus zu verwandeln. Und was würde sich Marlen Dittmann wünschen? „Der Pingusson-Bau bietet die Chance, alle deutsch-französischen Institutionen unter einem gemeinsamen Dach zu vereinen.“
Parkcafé im Kölner Rheinpark: „Perle sucht Dame“
Oliver Grebe war 2013 nach Stationen in Barcelona und Berlin in seine Geburtsstadt Köln zurückgekehrt. Der Architekt konnte sich ein bisschen Zeit lassen mit dem Ankommen und nutzte die Tage, das Vertraute rechts und links des Rheins neu zu entdecken. Oft führte ihn sein Weg durch den Rheinpark, vorbei am leer stehenden Parkcafé. Er begann sich mit dem Schicksal des Gebäudes zu beschäftigen. Das anlässlich der Bundesgartenschau von 1957 errichtete Parkcafé entstand nach dem Entwurf von Rambald von Steinbüchel-Rheinwall, einem Architekten aus dem Umfeld von Peter Behrens und Hans Poelzig. Das Café gestaltete er im betont leichten, schwebenden Stil der Zeit: Es fügt sich mit elegantem Schwung in das hügelige Gelände und setzt sich mit seinen transparenten Gasträumen auf drei Ebenen und einem Flugdach über alles Irdisch-Schwere hinweg. Die heitere Nierentisch-Ästhetik der 1950er-Jahre prägte auch die Inneneinrichtung des 1.200 Gäste fassenden Gebäudes. Lange war es ein beliebtes Ausflugsziel, doch vor gut 30 Jahren schloss das Parkcafé und stand seitdem leer. Und genau das konnte Oliver Grebe nicht verstehen: Warum lässt sich an einem so schönen Ort wie dem Rheinpark nicht auch ein so schönes Gebäude nutzen? „Schließlich ist die Zahl architektonischer Aha-Erlebnisse in Köln sehr überschaubar“, sagt er. Ihm war zwar bekannt, dass die Stadt schon 2011 ein Sanierungskonzept in Auftrag gegeben hatte, doch die Entwürfe ließen Schlimmes befürchten. „Eine Renovierung nach diesen Plänen hätte das Haus völlig entstellt“, erinnert sich Grebe. „Da sollten Rampen abgerissen und im Obergeschoss zusätzlicher Gastraum geschaffen werden, um den Betrieb des Hauses wirtschaftlich zu optimieren.“
Grebe machte gegen diese Planungen mobil. Der Zufall wollte es, dass er in der Stadtbücherei bei der Rückgabe von ausgeliehenen Kinderbüchern auf den Bildband „Aufbruch“ stieß, in dem der Fotograf Hans Engels herausragende Architekturzeugnisse der 1950er-Jahre in ganz Deutschland dokumentiert hatte. Er nahm Kontakt zu Engels auf und holte Arbeiten des Fotografen für eine Ausstellung nach Köln – in Eigenregie, ohne jede finanzielle Förderung. Auch die Räume musste er selbst organisieren. Parallel dazu entwickelte er eine Website, warb unter dem Motto „Perle sucht Dame“ bei der Stadt Köln, in der Öffentlichkeit und bei Institutionen, darunter auch dem Haus der Architektur Köln und der Bundesstiftung Baukultur, erfolgreich um Aufmerksamkeit und Unterstützung. Grebe erreichte schließlich, dass die Stadt die vorliegenden Pläne verwarf und das mit der Sanierung beauftragte Büro Marciniak Architekten um eine Überarbeitung im Sinne des Denkmalschutzes bat. Oliver Grebe sieht seine Rolle im Erhalt des Parkcafés ganz bescheiden: „Ich helfe mit meiner Aktion nur, einen Betreiber für das Café zu finden, der versteht und würdigt, dass diese Architektur auch ein Standortvorteil ist.“ Ob sein Einsatz irgendwann belohnt wird? Grebe denkt darüber im Moment nicht nach. Klar, es wäre schön, wenn es in der Stadt zu einem Dialog über das schwierige Verhältnis von Kosten, Machbarkeit und Denkmalschutz käme, sagt er. „Aber so ein Engagement macht ja auch glücklich.“
Geschenk an die Moderne – Uecker in Schwerin
Das staatliche Museum in Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin ist vor allem für seine hochkarätige Sammlung niederländischer Meister berühmt. Eingeweihte wissen, dass in der Residenzstadt mit Unesco-Welterbe-Ambition auch Europas größte Marcel-Duchamp-Kollektion zu finden ist. Doch die Moderne, so fanden ein paar kunstsinnige Bürger zu Beginn des neuen Jahrtausends, könnte in Schwerin etwas mehr Unterstützung gebrauchen. Und ein passendes Gebäude dazu. Es dauerte einige Jahre, bis es schließlich zur Errichtung der inzwischen fast fertiggestellten modernen Erweiterung (Architekten: Scheidt Kasprusch und Reiner Becker Architekten) des Staatlichen Museums kam. Eine kleine Gruppe um die Kunsthistorikerin Kornelia von Berswordt-Wallrabe, die Architektin Kerstin Döring und Mechthild Bening setzt sich nun dafür ein, das neu strukturierte Museumsensemble mit Alt- und Neubau um ein Forum zu ergänzen, das als Veranstaltungsort und öffentlicher Treffpunkt das gesamte Areal beleben soll. Dafür gewannen sie den Künstler Günther Uecker, einen gebürtigen Mecklenburger, dessen Werke in den großen Museen der Welt, aber auch in Schwerin hängen. Die von ihm gespendeten 100 Drucke, gefertigt mit einem eigens geschaffenen Druckstock – übrigens sein erstes ovales Kunstwerk überhaupt –, verkaufte der Verein zu einem Großteil an Sammler; einige Exemplare werden noch versteigert. Eine Million Euro kamen schon zusammen. „Die Situation ist für die Verwaltung noch etwas ungewohnt“, so Kerstin Döring lachend. „Normalerweise werden die Beamten um Geld gebeten. Dass wir Geld geben, ist irgendwie nicht vorgesehen.“ Sie ist zuversichtlich, die Baukosten für das mit ICOMOS abgestimmte Forum, geschätzt 3,7 Millionen Euro, mithilfe von Spenden zusammenzukriegen. Der Verein kann sich dabei auf die Unterstützung von Politik und Öffentlichkeit sowie die Großzügigkeit weniger, aber solventer Spender verlassen. „Das Vorhaben ist zwar nur klein“, sagt Döring bescheiden. „Doch es ist unser Geschenk an Schwerin und die Moderne.“
Rettung in letzter Minute: Das Herrenhaus Bauer
Es gehört zu den glücklichen Fügungen der unseligen DDR-Zeit, dass es meist an Geld fehlte, um ungeliebte Altbauten wie Herrensitze, Gutshäuser und Schlösser abzureißen. Das Regime ging zwar nicht sehr pfleglich mit ihnen um und gab sie meist ungeschützt dem Verfall preis, doch die Bauten waren am Ende standfester als die Berliner Mauer. Ein solches Gebäude steht auch in einem kleinen Weiler namens Bauer ganz weit im vorpommerschen Osten, kurz vor der Insel Usedom: ein Schmuckstück klassizistischer Landhaus-Architektur von 1839, vermutlich errichtet vom Schinkel-Schüler Carl August Menzel. Als der Architekt Klaus Berge dieses Haus zusammen mit seinem Onkel, dem Berliner Literaturprofessor Hans-Gert Roloff, Ende der 1990er-Jahre erwarb, war es eine Ruine. „In den Dachrinnen wuchsen Brennnesseln, Balken vermoderten, alles war verfallen“, erinnert sich Berge. Doch er ließ sich nicht abschrecken, sondern bezog die wenigen, halbwegs bewohnbaren Räume und krempelte die Ärmel hoch, getrieben von Idealismus und Begeisterung für das Gebäude. Er hat es am Leben erhalten, alte Pläne studiert, neue Pläne gezeichnet, gemauert, gezimmert – Stück für Stück, nach allen Regeln des Denkmalschutzes und allein mit dem Geld, das er eben zur Verfügung hatte. Die anfangs skeptischen Nachbarn sind heute froh, dass aus dem traurigen, halb verfallenen Haus ein Ort geworden ist, der das Dorf ziert und ihnen für jährliche Feste und Veranstaltungen ebenso offensteht wie der dazugehörige Park.
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Ich freue mich, dass es auch andernorts engagierte Leute gibt, die sich für Baukultur einsetzen. Besonders schwer haben wir es hier im südlichen Allgäu – wir sind aber mit unserem frisch gegründeten Verein (7 Architekten) dran!
Meinen Dank Frau Dörries und Redaktion für die Erwähnung von „Perle sucht Dame“ unter den „Überzeugungstätern“. Die überregionale Beachtung ist eine wertvolle Unterstützung als lokale Motivation für eine respektvolle und qualitative Sanierung des Baudenkmals der Nachkriegszeit.
Interessierte finden aktuelle Infos und Kommentare zum Sachstand hier: http://rheinparkcafe-koeln.de
https://www.facebook.com/rheinparkcafe
Der Pingusson-Bau in Saarbrücken ist derzeit viel diskutiert. Zur hohen architektonischen Qualität ist genügend gesagt. Es fehlt aber schon manches an kultureller und politischer Einordnung.
Schon die Darstellung, das Saarland sei damals „autonom“ gewesen, ist sehr geschönt. Die Lebenswirklichkeit war eine andere: das Saarland war ein Protektorat Frankreichs, um nicht direkt schlicht von Besatzung zu sprechen.
Und das Gebäude von Pingusson, die „Französische Botschaft im Saarland“ war sowohl funktional – für das Saarland und für die Aufgabe – als auch städtebaulich – für die Stadt und die Stadtlandschaft – völlig überdimensioniert. Noch heute, bei größer gewordenen Dimensionen auch im Umfeld ragt es monolithisch aus der Stadtlandschaft heraus.
Eine eindeutige politische Botschaft war das Gebäude mit seiner unverhältnismäßigen Baumasse allerdings, eine unübersehbare. Sehr pointiert gesagt: Das „Wir haben verstanden“ der Saarländer erfolgte bei der Volksabstimmung am 23. Oktober 1955.
Das tut der rein architektonischen Qualität des Gebäudes keinen Abbruch. Aber: die architektonische Gebäudequalität ist nicht alles. Die gesellschaftlichen Bezüge gehören zur richtigen Einordnung schon dazu. Man sollte sie jedenfalls ungeschönt zur Kenntnis nehmen.