Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Mutig weiterbauen“ im Deutschen Architektenblatt 08.2023 erschienen.
Von Christoph Gunßer
Die Pfarrgemeinde St. Marien in Saarbrücken-Dudweiler schlug zwei Fliegen mit einer Klappe: Ihre Pfarrkirche war viel zu groß und zwei Kita-Gebäude waren stark sanierungsbedürftig. Also baute man in die Seitenschiffe der Kirche eine sechsgruppige Kita und erhielt dazwischen einen kleineren Kirchenraum.
„Die Kirchen der Sechzigerjahre mit ihrer klaren und einfachen Konstruktion eignen sich extrem gut für einen solchen Umbau“, sagt Bettina Berwanger von Berwanger Architektur aus St. Wendel. Sie setzte beim Umbau der denkmalgeschützten Kirche auf Kontrast und schob die Kita-Räume als zweigeschossige Holzmassivboxen in die weiß verputzte Stahlbetonhülle, was räumlich sogar dem ursprünglichen Gedanken des Architekten Hans Schick entsprach.
Gemeindesaal als Holzskelettbau in der Kirche
Dazu ließ die Architektin die Fassaden der Seitenschiffe entfernen und durch eine Rippenkonstruktion aus Douglasie ersetzen. Die eingeschobenen Quader halten respektvoll Abstand zum Bestandsbau. Im Zwischenraum sind die Eingänge sowie Verkehrsflächen untergebracht. Im Zentrum überragt ein neun Meter hoher, 180 Quadratmeter großer Mehrzweckraum die Kita-Kuben. Er wurde als Holzskelettkonstruktion mit Pfosten-Riegel-Fassade und Glasdach ausgeführt.
Rings um den Zentralraum verbindet eine Galerie die beiden Kita-Bereiche. Dort liegt auch der Speisesaal. Hier oben integrierte Berwanger die restaurierten Bleiglasfenster aus den abgebrochenen Seitenschiffwänden als umlaufendes Band in die Oberlichter – ein sehr schöner Blickfang und Kontrast zu dem vielen sichtbar belassenen Holz. Die Bilder erzählen die biblische Schöpfungsgeschichte und stellen einen Bezug zwischen den beiden Funktionen Kirche und Kita her.
Kirche hat symbolischen Wert bewahrt
„Die Bleiverglasung hatte für die Gemeinde einen hohen symbolischen Wert, denn in den Sechzigerjahren war vieles in der Kirche in Eigenleistung entstanden“, berichtet die Architektin. Auf diese Weise akzeptierte man die Profanierung der Kirche und nutzt den neuen Doppelraum für gemeinsame Veranstaltungen. Eine großzügige Holztreppe verbindet beide Ebenen der Kita-Kirche. Sie windet sich wie ein Drachen vom Foyer zur Galerie hinauf. Die Holzoberflächen erweisen sich nach Jahren der Benutzung als robust und pflegeleicht.
Das Projekt ist in seiner Kompaktheit sehr energie- und flächeneffizient, bewahrt aber zugleich die Aura des Sakralbaus. Der vom Denkmalschutz letztlich mitgetragene, mutige Ansatz könnte wegweisend sein für die vielen untergenutzten, oft sanierungsbedürftigen, auf jeden Fall aber teuer zu unterhaltenden Kirchen der Nachkriegszeit.
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