Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Wie neu!“ im Deutschen Architektenblatt 11.2023 erschienen.
Diese Gebäude und ihren Umbau stellen wir vor:
- Zentrale des Alpenvereins, München
- Wohnen im Landratsamt, Tübingen
- Ärztehaus mit Solarfassade, Marburg
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Umbau-Beispiel 1: Alpenverein, München
Das ehemalige Verwaltungsgebäude des Langenscheidt Verlags in München stand jahrelang leer, über dem Stahlbetonquader aus den 1970er-Jahren lag bereits der Schatten der Abrissbirne. Dann erwarb der Deutsche Alpenverein die Immobilie mit dem Ziel, sie zu erhalten und hier seine Bundesgeschäftsstelle einzurichten. Der Verband lobte 2016 einen Einladungswettbewerb aus: Die Fassade sollte erneuert, die vier Bürogeschosse sollten an zeitgemäße Arbeitsplatzanforderungen angepasst und das Gebäude um zwei Geschosse aufgestockt werden.
Umbau war 20 bis 25 Prozent günstiger
Nach dem Umbau kann das „Haus der Berge“ von außen betrachtet ohne Weiteres als Neubau durchgehen. „Entstanden ist ein hochmodernes Gebäude“, bilanziert Christian Taufenbach von Element A Architekten aus Heidelberg stolz – und das Ganze mit Baukosten von 3.370 Euro netto pro Quadratmeter Nutzfläche (Kostengruppen 300 und 400) zu 20 bis 25 Prozent günstiger als ein Neubau mit vergleichbarem Ausbaustandard, so die Schätzung des Architekten. Er hatte auf Grundlage eines Konzepts und Entwurfs von hiendl_schineis architektenpartnerschaft passau, augsburg die Entwurfsplanung und Realisierung des Projekts übernommen.
Holzkonstruktion als neue Fassade
An der nördlichen Stirnseite, zum Park hin, strukturieren nun Holz-Pfosten-Riegel die neue, eindrucksvoll wirkende Glasfassade des ehemaligen Verlagsgebäudes. Hier führt der Haupteingang in ein luftiges Atrium, das sich samt Treppenwegen über die gesamte Höhe des Gebäudes erstreckt und einen thermischen Puffer zu den Büroetagen bildet.
Die beiden langen Ost- und Westfronten des Gebäudes muten dank einer 1,5 Meter tiefen, vor die Fassade gesetzten Holzstruktur sehr organisch an. Die vertikalen und horizontalen Holzbalken gliedern die Fassade in raumhohe Glassegmente. Die Gitterroststege der Holzkonstruktion sind mit Pflanzgefäßen bestückt und begrünt. Eine Balkonnutzung ist nicht vorgesehen, das Gerüst ist als Wartungssteg klassifiziert.
Zwei Geschosse aufgestockt
Die Holzregalkonstruktionen reichen jedoch nicht über die gesamten Fronten und sind zudem auf die unteren vier Geschosse begrenzt. Durch diese Versprünge bekommt der Baukörper eine zusätzliche Tiefe. Dieses Prinzip „Lebendigkeit durch Abstufung“ haben die Architekten auch an anderen Stellen des Gebäudes angewandt. So spart die zweigeschossige Aufstockung in Massivholzbauweise die südwestliche Gebäudeecke aus. Hier ergänzt eine kleine Dachterrasse die angrenzende Cafeteria. Und im Erdgeschoss ragt ein Anbau mit zwei Konferenzräumen hervor.
Alpenverein setzt natürlichen Akzent in der Bürostadt
Ihre eigentliche Wirkung entfaltet die gesamte Fassadenkonstruktion aber erst im baulichen Kontext, als Kontrapunkt zur Bürowelt der Parkstadt Schwabing. „Die Stahl-Glas-Fassaden der umgebenden Hochhäuser sind hermetisch. Die Fassade des Alpenvereins hingegen ist durchlässig, sie verbindet Außen und Innen“, betont der Architekt. Von außen sehe man Holz, Pflanzen, unterschiedlich hohe Verschattungen und könne in die Büroräume schauen. Von innen entstehe durch den Blick durch die bepflanzten Holzregale auf die dahinterliegenden modernen Bauten eine ganz eigene Umgebungsatmosphäre. „Dieser Bezug ist tatsächlich aus meiner Sicht auch die stärkste Veränderung des Gebäudes“, so Christian Taufenbach.
Rohbau wurde weitgehend erhalten
Hinter der neuen Fassade verbirgt sich der weitgehend erhaltene Rohbau, ein Stahlbetonskelett samt der darin gespeicherten grauen Energie. Nur einen Überbau für Treppenhaus und Fahrstuhl im bislang obersten Stockwerk ließ Taufenbach entfernen. Dieser hätte sonst bei der Aufstockung umbaut werden müssen. Und auch der Querschnitt wurde verändert.
Durch den Einbau von Hohlraumböden mit einer Gesamthöhe von 13 Zentimetern konnte der Schallschutz sichergestellt und zudem ein Großteil der Installationen unter Flur geführt werden. Nur so war es möglich, die nach der Arbeitsstättenverordnung erforderlichen Raumhöhen knapp einzuhalten und zugleich zeitgemäßen Erwartungen an Nutzungsflexibilität zu entsprechen – und damit das Gebäude insgesamt zu erhalten.
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Strahlend weiß: Das ehemalige Tübinger Landratsamt wurde aufgestockt und erweitert. (Klicken für Vorher-Bilder)
Umbau-Beispiel 2: Wohnen im Landratsamt, Tübingen
Der weitgehende Erhalt des Rohbaus war auch für Florian Danner von Danner Yildiz Architekten in Tübingen Ausgangspunkt der Planungen zum Umbau des dortigen ehemaligen Landratsamts. Gemeinsam mit seinem Partner und einem Lichtdesigner hatte er den sanierungsbedürftigen 60er-Jahre-Bau am Hang oberhalb des Universitätsgeländes erworben, um daraus ein Wohn- und Geschäftshaus auch zur eigenen Nutzung zu machen. Die Bauherren und Planer waren überzeugt: Die solide Bauweise des Stahlbeton-Skelettbaus und die klare innere Struktur waren eine gute Basis für neue, grundverschiedene Nutzungen.
Umbau spart Rohbaukosten
„Wir wollten aus wirtschaftlichen Gründen so viel Bausubstanz wie möglich erhalten. Die Rohbaukosten machen immerhin ein Drittel der Baukosten aus“, erklärt Danner. Durch diese Einsparung war der Bau am Ende für 2.334 Euro brutto pro Quadratmeter Nutzfläche (Kostengruppen 300 und 400) zu haben. Außerdem wurde natürlich Material und Energie gespart. „Unser ökologischer Anspruch ist, so wenig Ressourcen wie möglich zu verbrauchen“, so Danner.
Anbau und Aufstockung für den Bestand
Von ihrer ursprünglichen Idee – einem klaren, monolithischen Baukörper – verabschiedeten sich die Architekten während des insgesamt vierjährigen Baugenehmigungsverfahrens und dem begleitenden Workshop-artigen Planungsprozess mit dem Stadtplanungsamt und dem Tübinger Gestaltungsbeirat. Gemeinsam konzipierten sie einen Baukörper, der durch die Kleinteiligkeit und starke Gliederung der Fassade sowie die Staffelungen in der Kubatur ins Auge fällt. Der kastenförmige Altbau macht heute etwas mehr als die Hälfte der Nutzfläche aus. Er wurde durch einen mehrgeschossigen Neubau mit etwas geringerer Tiefe erweitert.
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Deckenverstärkung mit Kohlefaserbändern
Auf dem alten und dem neuen Gebäudeflügel sitzt eine neue Aufstockung. Ihre Holzbaukonstruktion ist deutlich nach hinten versetzt. Baulich war das eine erhebliche Herausforderung, erzählt Florian Danner: „Wir haben erst im Bauprozess festgestellt, dass die Decken teils dünner ausgeführt wurden als in den Plänen dargestellt.“ Die Last der zurückgesetzten neuen Obergeschosse liegt jedoch mitten im Deckenfeld. Die Lösung fand der Statiker: Er kam auf die Idee, die Decken unterseitig mit auf den Beton geklebten Kohlefaserbändern zu verstärken.
Durch den Versatz der Aufstockung entstand zum Tal hin Raum für Dachterrassen; auf der Hangseite überragen die Geschosse eine offene Erschließungszone mit Treppenläufen, Brücken und Podesten. „Durch die Verlängerung nach hinten und den versetzten Aufbau der neuen Obergeschosse haben wir erreicht, dass das Gebäude an der Hangkante nicht zu hoch aufragte, sondern die Steigung des Hanges aufnahm“, beschreibt der Architekt.
Alte und neue Bauteile unterscheiden sich
Wo vorher Waschbetonplatten prangten, sind heute wärmegedämmte verputzte Wände. Ihre einheitlich weiße Farbgebung hebt die Plastizität des Baukörpers hervor. Zum Tal hin präsentiert sich die Fassade als Raster aus rechteckigen Flächen. „Den Unterschied zwischen alt und neu haben wir durch die unterschiedlichen Rasterformate sichtbar gemacht“, sagt Florian Danner. Im Altbau bilden die quadratischen raumhohen Verglasungen mit dazwischenliegenden weißen Bändern ein sehr gleichmäßiges Schema.
Im Anbau und in der Aufstockung sind die Glasflächen breiter. Hier wechseln sie sich mit Flächen aus gefaltetem eloxiertem Aluminium ab, die je nach Lichteinfall ihr Erscheinungsbild ändern. Trotz aller Vergrößerungen des Gebäudes und Veränderungen von Korpus und Fassade – der neue Gebäudekomplex ist eine gelungene Nachverdichtung, die nicht erdrückt, sondern sich harmonisch in die Umgebung einpasst.
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Umbau-Beispiel 3: Ärztehaus mit Solarfassade, Marburg
Ein in den 1970er-Jahren errichtetes Ärztehaus im hessischen Marburg hingegen ist nach dem Umbau durch den Hannoveraner Architekten Hagen Plaehn zum Blickfang in Schwarz geworden. Die dortige neue Fassade aus 161 Photovoltaik-Modulen lebt vom Kontrast. Anlass für die Baumaßnahmen war ein Wechsel der Eigentümer. Die in die Jahre gekommene Metallfassade an den straßenseitigen Gebäudefronten sollte energetisch optimiert und erneuert werden.
Individuell gefertigte Photovoltaik-Module
Entstanden ist eine Vorhangfassade mit individuell gefertigten rahmenlosen PV-Modulen in 28 verschiedenen Geometrien und Größen. Sie bilden eine gigantische schwarze spiegelnde Fläche, die mit einer leichten Rundung um die Gebäudeecke läuft. „Unser Ziel war die Gestaltung einer organisch-dynamischen Fassade für das Bauwerk. Sie strebt danach, die Energie und Bewegung der umliegenden Fußwege, Straßen und erhöhten Bahntrassen sowohl metaphorisch als auch physisch widerzuspiegeln“, erläutert Hagen Plaehn.
Er ließ zunächst zwei Modulvarianten erstellen – eine in Schwarz und eine in Mittelblau, der Farbe des Logos des Ärztezentrums. Mit dem Bauherrn entschied er sich für die schwarze Variante, vor allem weil sie eine signifikant höhere Energieausbeute liefert. Gekostet hat das am Ende inklusive Viertelkreis und Innenausbau des Viertelkreises mit Aufzug und Treppenanlage knapp unter zwei Millionen Euro netto (davon bauwerksintegrierte Photovoltaik circa 800 Euro netto pro Quadratmeter, fertig installiert, ohne Passepartouts).
Neue Unterkonstruktion für Solarfassade
Die Glas-Glas-Module mit aufgeklebtem Backrail sind in eine Unterkonstruktion mit Tragsystem eingehängt. Im Hohlraum dahinter befindet sich neben einer Belüftungsebene eine Dämmschicht aus Mineralwolle. Die Strukturen der Fenster blieben erhalten, doch der Architekt ließ sie zu Bändern zusammenfassen und mit fugenlosen weißen Stahlblechpassepartouts umrahmen. Die fortlaufenden horizontalen Elemente betonen die Dynamik.
So sehr die glänzende, kontrastreiche Optik ins Auge fällt – als markanteste Veränderung des Baukörpers betrachtet Hagen Plaehn die abgerundete Ausformung einer vormals ausgesparten Gebäudeecke. „Ich habe die ursprünglich zurückgesetzte Hausecke als städtebauliches Defizit empfunden, das aus architektonischer Sicht geschlossen werden musste“, erklärt er. An den Übergängen zu den beiden Nachbargebäuden besteht die Fassade aus einem weiß verputzten Wärmedämmverbundsystem. „Damit fügt sich das gesamte Gebäude besser in die Nachbarschaft ein“, sagt der Architekt. Und: Noch mehr schwarze PV-Fläche hätte zu sehr erschlagen.
Die extrovertierte Photovoltaik-Fassade trifft auch so nicht jedermanns Geschmack. Aber auch die Holzriegel-Konstruktion des Alpen-Hauses in München fand in der Nachbarschaft nicht nur Zustimmung. Was für Neubauten gilt, gilt eben auch für Fassadenerneuerungen: Sie geben dem Haus einen einzigartigen Charakter – und im Falle unserer Beispiele einen gänzlich anderen als zuvor.
Einen ausführlichen Ratgeber zu fassadenintegrierter Photovoltaik finden Sie ebenfalls auf DABonline.
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