Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Umbaukultur“ im Deutschen Architektenblatt 04.2025 erschienen.
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Fabrik der Fäden: Textilmuseum in Plauen
Bis heute verbindet man Plauen mit der Produktion von Spitze. Im späten 19. Jahrhundert und bis Anfang des Ersten Weltkriegs zählte der Ort zu den reichsten Städten im Kaiserreich und erlebte einen beeindruckenden Boom. Doch der monostrukturelle Fokus auf das Produkt Spitze wurde mit dem sich wandelnden Zeitgeschmack zum Problem. Mit der zunehmenden Nachfrage nach schlichten, modernen Textilien verlor die Spitze massiv an wirtschaftlicher Bedeutung, auch wenn sie bis heute hier hergestellt wird.
Mit einer Glasfassade und einer haushohen Sichtbetonbox aktivierten die Architekten den Hof der spätbarocken Dreiflügelanlage des Weisbachschen Hauses als Ausstellungsfläche. Markante Wellen aus Aluminiumschwertern hüllen das im Obergeschoss gelegene Schaudepot ein.
Chris Gonz
Weisbachsches Haus mit langer Industriegeschichte
Dieser wechselvollen Geschichte der vogtländischen Textilindustrie ist seit November 2023 ein neues Museum gewidmet. Die „Fabrik der Fäden“ befindet sich im wohl wichtigsten Baudenkmal der Plauener Textilgeschichte. Das sogenannte Weisbachsche Haus ist im Kern ein barockes Manufakturgebäude aus den 1770er-Jahren, das immer wieder erweitert wurde. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war das Haus ein Ort verschiedener Formen der Textilindustrie.
In der DDR-Zeit stand der Gebäudekomplex weitgehend leer und verfiel zunehmend. Nach der Wende ging das Haus an die vier Kinder der letzten Eigentümer zurück, von denen sich insbesondere Architekt Claus Weisbach leidenschaftlich für die Sanierung engagierte. 2015 schenkten sie das Haus der Stadt.
Erst nur energetische Sanierung geplant
2017 konnte das ortsansässige Büro Neumann Architekten ein VgV-Verfahren zur energetischen Sanierung des westlichen Teils des Gebäudekomplexes für sich entscheiden. Erst während des Planungsprozesses wurde entschieden, hier eine museale Nutzung unterzubringen, die schließlich von KOKO Architects aus Tallinn verantwortet wurde. Für ihn und sein Team war von Anfang an das Haus selbst das zentrale Exponat, erklärt Ronny Neumann.
Keine historischen Pläne für barocke Fassaden
Der Architekt spricht von einem Buch, das außen einen klar lesbaren Umschlag habe und innen seine Geschichte erzähle. In diesem Sinn ist die Rekonstruktion der barocken Fassaden zur Straße zu verstehen. Nennenswerte Plangrundlagen für die Wiederherstellung habe es keine gegeben, sagt Neumann. Man habe aus dem Bestand heraus gearbeitet, ein digitales Aufmaß erstellt und bewusst ein idealisiertes Bild erschaffen, das vielleicht in der Form nie existiert habe.

Für mehr Offenheit steht die Sichtbetonbox im Erdgeschoss der Plauener Fabrik der Fäden nur auf drei Wandscheiben.
Chris Gonz
Hof der Dreiflügelanlage geschlossen
Als „Innenseiten“ des Buches sind vor allem die historischen Spuren im ehemaligen Hof der Dreiflügelanlage zu verstehen. In diesen setzte das Architektenteam eine haushohe Sichtbetonbox. Eine breite Glasfassade schließt den Hof und macht ihn zum Innenraum, dessen „vernarbte Fassaden“ von Nutzungsgeschichte, Umbauten, Zerstörung und Verfall des Hauses erzählen. Hier wurden in erster Linie der Bestand gesichert und die Elemente stimmig lesbar gemacht.
Weisbachsches Haus wird weiter saniert
Um eine gewisse Offenheit zu schaffen, steht die Box im Erdgeschoss nur auf drei Wandscheiben. Darüber befindet sich ein großer, hoher Ausstellungsraum, über dem wiederum das Schaudepot liegt. Dessen Fassade weist markante Wellen aus hellen Aluminiumschwertern auf, die wie eine „Gardine im Wind“ wirken sollen, erklärt Ronny Neumann, um anschließend zu ergänzen, dass sein Team ursprünglich an eine Sichtbetonfassade gedacht hatte. Der Wunsch, das Thema Textil symbolisch aufzugreifen, sei aus den Reihen der Denkmalschutzbehörde gekommen.
Die „Fabrik der Fäden“ bietet knapp 2.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Die Gesamtbaukosten lagen bei 11,5 Millionen Euro brutto. Die restlichen Bereiche des Weisbachschen Hauses sollen bis Ende des Jahres saniert werden. Hier will die Stadt unterschiedliche Formen der Büronutzung unterbringen.
Alte Aktienspinnerei: Unibibliothek in Chemnitz
Eine gute Zugstunde Richtung Nordosten, in Chemnitz, ist ein weiteres Relikt der Textilindustrie für die Öffentlichkeit neu erlebbar: die Alte Aktienspinnerei. Der imposante Riegel in nächster Nähe zum Hauptbahnhof wurde 1857–59 von Friedrich Theodor Roschig errichtet. Als Spinnerei wurde das Gebäude jedoch nur einige Jahrzehnte genutzt. Bereits um 1900 wurde der Betrieb in ein größeres Gebäude verlagert.
Wechselnde Nutzungen, Zerstörung und Vereinfachung
Anschließend dienten die Räume ein Jahrhundert lang unter anderem als Lager, Theater, Stadtbücherei, Kaufhaus, Kunstgalerie und Buswerkstatt. Nach dem Zweiten Weltkrieg büßte das Gebäude viel von seiner architektonischen Qualität ein, denn nach Bombentreffern waren Dach und oberstes Geschoss rückgebaut und ein schlichtes Flachdach realisiert worden. Später baute man kleine, kostengünstige Fenster ein. So zeigte sich die Alte Spinnerei jahrzehntelang als unproportionierter Stummel (siehe Bildergalerie).
Die Alte Aktienspinnerei in Chemnitz nimmt nun die Zentralbibliothek der TU auf.
Till Schuster
Bibliothek als Impuls für die Nachbarschaft
2008 entstand die Idee, das Haus als Zentralbibliothek für die Technische Universität zu nutzen und damit auch die Nachbarschaft zu beleben. Drei Jahre später erwarb der Freistaat Sachsen das Gebäude von der Stadt zum symbolischen Preis von einem Euro und lobte einen Realisierungswettbewerb aus. Diesen konnten die beiden Dresdner Büros Siegmar Lungwitz und Heine Mildner Architekten und der aus Chemnitz stammende, aber in Berliner ansässige Architekt Thomas Rabe im Januar 2013 für sich entscheiden.
Für das Projekt taten sich die drei Büros zur ARGE Aktienspinnerei Chemnitz zusammen. Angesichts des schlechten Zustands des Hauses verwundert es nicht, dass im Wettbewerb die Wiederherstellung der Kubatur in ihrem historischen Erscheinungsbild gefordert wurde.
Entkernung für den Lesesaal
Denkmalpflegerisch wertvoll sind vor allem die beiden langen Seitenflügel mit ihren gusseisernen Stützen und Trägern sowie den Kappendecken. Der Mittelbau wurde demgegenüber komplett entkernt. In ihm waren die Antriebsmaschinen der Spinnerei untergebracht, weshalb er im Zuge der technischen Entwicklungen immer wieder umgebaut wurde. Folgerichtig setzte die ARGE den dreigeschossigen Lesesaal in den Mittelbau und legte Freihandbereiche samt großzügiger Lese- und Arbeitsbereiche in die Seitenflügel. Ein gewisser industrieller Charakter der Details trifft hier auf gediegene Holzeinbauten.
Historische Eisenstützen mit Beton ausgegossen
Auf die statischen Herausforderungen reagierten die Planenden mit mehreren Maßnahmen. Beim wiederaufgebauten dritten Obergeschoss und dem neuen Dach arbeiteten sie mit Weitspannträgern und Stahlstützen in den Wänden, um die Lasten direkt auf die Außenwände zu bringen. In den erhaltenen Geschossen darunter ließen sie die ursprünglich hohlen Eisenstützen mit Beton ausgießen.
Baukosten weitgehend eingehalten
Die Magazin- und Archivräume liegen in einem fünfgeschossigen, fensterlosen Neubau, der an die Nordseite des Bestands gesetzt wurde. Die schlichte und klassische Fassadengliederung des Neubaus versteht sich als Antwort auf die historische Fassade – und taucht prominent in der Wandgliederung des dreigeschossigen zentralen Lesesaals wieder auf.
Kosten seien ein wesentlicher Faktor gewesen, betonen Thorsten Mildner und Thomas Rabe im Gespräch. Die veranschlagten 50 Millionen Euro habe man, abgesehen von kleineren Nachträgen, mit 53,4 Millionen Euro Bruttokosten im Grunde eingehalten. Eröffnet wurde das Haus mit seinen gut 12.300 Quadratmetern Nutzfläche ohne große Feier während der Kontaktbeschränkungen im Oktober 2020.
Gasometer: Planetarium in Halle (Saale)
Ein gutes Stück jünger, aber ähnlich ruinös wie die Häuser in Chemnitz und Plauen, zeigte sich der Gasometer im sachsen-anhaltinischen Halle (Saale), bevor er durch die Leipziger Niederlassung von RKW Architektur+ zum neuen Planetarium umgebaut wurde. Das ziegelsichtige Industriegebäude auf der Salineinsel ging 1905 in nächster Nähe der Altstadt als Teil des dortigen Gaswerks in Betrieb. 1972 wurde das Gaswerk geschlossen.

Den Umbau des Gasometers in Halle (Saale) zum Planetarium charakterisieren runde Formen im Grundriss und in den Details.
Gunter Binsack
Altes Planetarium durch Hochwasser beschädigt
Mitte der 2000er erfolgte eine Altlastensanierung des Gasometers, später fanden in der leeren, dachlosen Raumhülle Veranstaltungen statt. Ein Planetarium wiederum besitzt Halle seit 1978. Das „Raumflug-Planetarium Sigmund Jähn“ wurde beim Jahrhunderthochwasser 2013 allerdings so stark beschädigt, dass die Kommune beschloss, einen Neubau zu errichten. Das entsprechende VOF-Verfahren für die Transformation des Gasometers konnten RKW Architektur+ Anfang 2016 für sich entscheiden.
Haus-in-Haus-Konstruktion im Gasometer
Um das Planetarium architektonisch stimmig in die Hülle des Gasometers einzubauen, arbeiteten Projektleiterin Romy Fuchs und ihr Team im Grundriss nur mit Kreisformen und Radialen. So fügen sich der zwölf Meter durchmessende zentrale Saal sowie alle weiteren geforderten Nutzungen in die 34 Meter durchmessende Ziegelhülle ein.
Das Architektenteam setzte dabei auf eine Haus-in-Haus-Konstruktion aus Sichtbeton mit einem zentralen Baukörper im Zentrum. Um diesen legt sich auf Erdgeschossniveau das offene, 7,5 Meter hohe Foyer mit Kasse, Cafeteria und Ausstellungsflächen. Die Innenwände samt einiger historischer Stahleinbauten machen die Geschichte des Gebäudes hier nachvollziehbar. Büros, Veranstaltungsräume und Bibliothek liegen im Obergeschoss über dem Foyer.
Wesentlicher Bestandteil des Umbauprojekts war es, das Planetarium hochwasserfest zu machen.
Gunter Binsack
Dachterrasse mit Teleskopen zur Himmelsbeobachtung
Über dem zentralen Planetariumssaal mit 110 Sitzplätzen schließt die Betonkonstruktion mit einer beeindruckenden Rippendecke ab. Direkt darüber liegt bereits die Dachterrasse, von der aus ein offener Treppenlauf weiter hinauf zu einer kleinen Plattform führt, wo durch Teleskope der Himmel ganz real beobachtet werden kann. All diese Bereiche liegen weit unterhalb der Oberkante der historischen Mauer. Nicht der Blick auf die Stadt, sondern der konzentrierte Blick nach oben in den Himmel steht also im Fokus.
Finanziert aus Fluthilfegeldern
Vor gut zwei Jahren feierte das neue „Planetarium Halle“ seine Eröffnung. Sigmund Jähn, der erste Deutsche im Weltraum, fungiert nach einem Beschluss des Stadtrats nicht mehr als Namensgeber.
2.300 Quadratmeter Nutzfläche bei 19.000 Kubikmeter Bruttorauminhalt machen die Dimensionen des Umbaus klar. Darunter fällt auch das komplette Verfüllen des Untergeschosses und das Anheben des Erdgeschossniveaus, um den kellerlosen Bau fit für zukünftige Hochwasserereignisse zu machen. Finanziert wurde das brutto 17,5 Millionen Euro umfassende Projekt komplett aus Fluthilfegeldern.
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