Nils Hille
Eigentlich sollte das Stammgebäude der TU München nur eine neue Fassade bekommen. Vor zwei Jahren fand ein Wettbewerb für den Bau von Franz Hart aus dem Jahr 1963 statt, den das örtliche Büro Hild und K mit der Idee einer gewölbten Vormauerklinkervariante gewann. Da aber für den Brandschutz, zur Energieeinsparung und am Grundriss noch mehr getan werden muss, bleibt jetzt nur das Stahlbetonskelett stehen. Projektleiter Henrik Thomä von Hild und K erzählt: „Das sind so umfangreiche Maßnahmen, dass das Gebäude bis 2013 ein völlig neues Erscheinungsbild bekommt.“
Dabei werden zum Beispiel die 2,20 Meter großen quadratischen Fenster ab dem zweiten Obergeschoss in der Mitte geteilt, sodass nun zwei Flügel einzeln zu öffnen und sie so flexibler nutzbar sind. In den unteren Etagen werden in die Räume, die drei Geschosse hoch sind, Zwischendecken eingezogen, um weitere Arbeitsflächen einzurichten.
Außerdem wird ein neuer Haupteingang geschaffen, an den sich ein zweigeschossiges Foyer mit einer geschwungenen Wegführung anschließt. Zwar steht auch die Veränderung der technischen Anlagen an, aber bei Weitem nicht mehr als Mittelpunkt der Sanierung.Das Beispiel zeigt: Wo Studierfabriken der Nachkriegszeit technisch saniert werden müssen, können sie oft auch gestalterisch und funktionell verbessert werden. Und der technische Bedarf ist groß: Für ganz Deutschland bezeichnet die Hochschulrektorenkonferenz 15 Prozent der Lehr- und Forschungsgebäude als „hochmarode“ und errechnete einen Sanierungsstau von 25 Milliarden Euro.
Allein Nordrhein-Westfalen will etwa acht Milliarden Euro investieren, allerdings erst nach und nach bis zum Jahr 2020. Konkret geplant sind in dem Bundesland Bau- und Sanierungsprojekte für rund zwei Milliarden. Und das Konjunkturpaket II der Bundesregierung wird durch den Schwerpunkt auf die „Förderung von Bildungsinfrastruktur“ bundesweit auch einen Teil der 6,5 Milliarden Euro in die Hochschulsanierung fließen lassen.
Bereits realisiert ist zum Beispiel der Umbau der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) in Münster. Auch hier gab es „erheblichen Sanierungsstau“, berichtet Jörg Preckel, dessen Büro Pfeiffer Ellermann Preckel aus Lüdinghausen ihn aufgelöst hat. Zunächst ging es nur um Brandschutz-, Heizungs- und Lüftungstechnik. „Nach genauerer Analyse war klar: Der Status quo konnte nicht nur saniert werden. Ein Umbau war aus unserer Sicht unausweichlich und der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb hat sofort mitgezogen“, erinnert sich Preckel.
Dabei wurde der östliche Trakt für Büroräume um ein Geschoss aufgestockt. Darunter behoben die Architekten ein jahrzehntelanges Defizit: Sie versetzten die Lesesäle an die Fenster, wo man nun auch bei Tageslicht Bücher studieren kann. Der zusätzlichen Lichtversorgung gaben sie ein System, denn vor der Sanierung hatten unzählige Leuchten einfach unter der Decke gehangen. „Wir haben das Licht dahin gebracht, wo die Besucher der Bibliothek wirklich lesen und arbeiten“, erläutert Preckel.
Doppelter Anspruch
Einen Sprung nach vorn erlebt auch die „BlueBoxBochum“. Der 1965 von Bruno Lambart errichtete Bau war zunächst Mensa für die Ruhr-Universität und später Speicherbibliothek des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit dem Jahr 2000 steht er den Architekturstudenten der FH Bochum zur Verfügung. Jetzt konnte der Hochschullehrer und Architekt Wolfgang Krenz die Behörden vom Sanierungsbedarf überzeugen. Für fünf Millionen Euro werden nach seinen Plänen Dach, Fassade und Grundriss erneuert.
„Dabei bleibt der Charakter des Originals mit seiner Leichtigkeit der Konstruktion, mit seinem Raum und seiner Transparenz vollständig erhalten“, betont der Architekt.Jeder der 350 Studenten soll seinen eigenen festen Arbeitsplatz erhalten. Das ist nicht einfach zu realisieren: Oft dauert die Lösungsfindung für die dezenten, aber wirkungsvollen gestalterischen Details länger als gewohnt, da die Architekten auch bei der Energieeffizienz einen hohen Anspruch an sich stellen: Alle Maßnahmen sollen die EnEV 2007 für Neubauten erfüllen. So kommt die neue Glasfassade zwar wieder hinter und nicht einfach vor die Stahlkonstruktion. Doch bei den neuen Scheiben müssen Wärmebrücken verhindert werden.
Oft zeigen sich auch technische und finanzielle Grenzen – etwa bei einem Bau der Universität Wuppertal auf dem „Campus Haspel“, einer Ansammlung von 1960er-Jahre-Bauten, der für Volkwin Margs bekannte Begriffsprägung „Würfelhusten“ Pate gestanden haben könnte. Das bereits sanierte Gebäude mit dem Kürzel „HB“ zeigt draußen weiterhin den Schuhkistencharme der Entstehungszeit. Doch drinnen sieht es nach Gegenwart aus, mit komplett neu gespachtelten Wänden, neuem, anthrazitfarbenem Oberboden in Seminarräumen und Büros und großen weißen Einbauschränken in vielen Nischen.
All das ist in Abstimmung mit dem künftigen Nutzer hineingekommen – der Architekturfakultät der Bergischen Universität. Doch nicht alle ihrer Wünsche wurden erfüllt, zum Beispiel der nach entweder unbehandelten oder speziellen Designdecken. Inga Jäger, Architektin beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen: „Hier mussten sich die Architektenkollegen mit den normalen Akustikdecken zufriedengeben. Die ganze Verkabelung da oben zu sehen, kam für uns gestalterisch dann doch nicht infrage und die anderen Decken waren einfach zu teuer.“
Auch hier hatte sich immer neuer Sanierungsbedarf aufgetan, wie Inga Jäger berichtet: „Zunächst ging es eigentlich nur um Brandschutz und Schadstoffbeseitigung.“ Weitere Untersuchungen zeigten aber, dass die Grundleitungen marode waren und das Entwässerungssystem umgestellt werden musste. Carsten Voit, Architekt im Dezernat Planen und Bauen der Universität: „Bis hin zum Anschluss an den Kanal mussten alle Leitungen erneuert werden.“ Schadstoffe wurden bei Materialproben festgestellt und auch die Brandwände entsprachen nicht den heutigen Anforderungen. Jäger: „Das Konglomerat aus allem war eigentlich zu viel. Doch eine Grundlagenermittlung am Anfang kann bei laufendem Hochschulbetrieb nur bedingt erfolgen. Und so waren wir schon mitten in der Sanierung.“
Voit resümiert: „Trotz allem haben wir uns auch Gedanken über die Gestaltung gemacht.“ Weitere vier Jahrzehnte soll das Gebäude HB jetzt halten und funktionieren. Inga Jäger schaut auf den 60er-Jahre-Bau gegenüber, der nur noch notdürftig in Betrieb gehalten wird. „Endgültig entschieden ist noch nichts, aber hier hilft eigentlich wirklich nur noch die Abrissbirne.“