Von Alexander Wronna
Nachhaltiges Bauen ist allgemein erwünscht, bringt aber auch Probleme und Risiken mit sich – für Bauherren und Investoren, Bauunternehmen, Architekten und Fachplaner. Zudem sind Gebäude-Zertifikate für die finanzierenden Banken, die späteren Nutzer sowie mögliche Käufer zu einem wichtigen Kriterium für die Bewertung des Gebäudes geworden. Entsprechend haben sich die rechtlichen Risiken erweitert. Zwar ist es in Deutschland bislang noch zu keinem Haftpflichtprozess aus dem Bereich Green Building gekommen. Gerichtliche Auseinandersetzungen sind aber zu erwarten. Die folgenden Regeln sollen dazu dienen, die mit der Planung von Green Buildings einhergehenden Risiken zu reduzieren.
Machen Sie sich die Rollenverteilung vor Arbeitsbeginn klar
Beim Planen und Bauen unter erhöhten Nachhaltigkeitsanforderungen sind verschiedene Disziplinen und Personen beteiligt. Daraus folgt, dass kein einzelner Baubeteiligter sämtliche zu beachtenden Gesichtspunkte allein beeinflussen kann. Das zwingt die Baubeteiligten dazu, kooperativ zusammenzuarbeiten, um die übergeordneten Projektziele zu erreichen. Dabei ist es wichtig, dass sich die Beteiligten über die Rollenverteilung klar werden und die Verantwortlichkeiten zum Erreichen eines bestimmten Nachhaltigkeitsziels kennen.
Wichtig ist insbesondere die Aufgabenverteilung zwischen allen fachlich Beteiligten (Architekt, Fachplaner, Sonderfachleute), dem etwaig beauftragten Zertifizierungs-Consultant und dem Auditor. Alle diese Beteiligten schließen normalerweise keine Verträge untereinander, jedoch sind die jeweils mit dem Bauherrn abgeschlossenen Verträge im Detail aufeinander abzustimmen. Dabei sollte auch der Kommunikations- und Informationsfluss genau geregelt werden.
Bei den meisten Zertifizierungssystemen existieren Tabellen, die das Bewertungssystem und die Punktebewertung für das konkrete Bauvorhaben darstellen. Daraus entwickelte Scorecards oder Pflichtenhefte werden häufig ähnlich einer Schnittstellenliste zum Vertragsbestandteil gemacht. Sorgen Sie bei Vertragsschluss dafür, dass deutlich wird, für welche Bereiche Sie die Verantwortung übernehmen und für welche nicht.
Geben Sie keine Garantien für ein bestimmtes Zertifikat ab
Sowohl für Objektplaner, Fachplaner als auch für planungsverantwortliche Generalunternehmer gilt, dass ein bestimmtes Zertifikat nicht verbindlich zugesichert werden sollte, weil keiner der Genannten die Erlangung des Zertifikats allein beeinflussen kann.
Zunächst einmal wird jedes Zertifikat von der Zertifizierungsstelle verliehen. Dafür sind neben den bautechnischen, wirtschaftlichen und sonstigen Voraussetzungen auch formelle Anforderungen einzuhalten. Versäumt es zum Beispiel der Bauherr oder der hiermit beauftragte Auditor, das Bauvorhaben rechtzeitig für die Zertifizierung anzumelden, kann kein Zertifikat erteilt werden. Das verdeutlicht, dass Sie nur die planerischen Voraussetzungen für die grundsätzliche Eignung für ein bestimmtes Zertifikat schaffen können.
Machen Sie sich außerdem klar, dass viele technische und wirtschaftliche Einflüsse das Erreichen der Zertifizierungspunkte erschweren können. Deshalb verbietet sich jedwede Garantieübernahme. Als Planer sollten Sie sich immer nur dazu verpflichten, in Zusammenarbeit mit den anderen Baubeteiligten auf die gewünschte Zertifizierung hinzuwirken. Haben Sie dagegen ein bestimmtes Zertifikat zugesagt, sind Sie gegebenenfalls zu umfangreichen Umplanungen verpflichtet oder haften bei Nichterreichen der vereinbarten Zertifikatsbeschaffenheit auf Schadenersatz.
Beachten Sie die Komplexität des Themas
Kriterium für den Erhalt eines Zertifikats ist nicht das Erreichen bestimmter einzelner Grenzwerte. Vielmehr kann das Zertifikat mit unterschiedlichen Maßnahmen erreicht werden, die individuell kombiniert und unterschiedlich bewertet werden können. Viele der Kriterien sind gegenläufig. Gut gemeinte planerische Ansätze aufseiten eines Beteiligten können sich nachteilig bei der Bewertung des Leistungsspektrums eines anderen Beteiligten auswirken.
Versprechen Sie nur, was sich halten lässt
Als Planer haben Sie maßgeblichen Einfluss darauf, wie ein Objekt errichtet wird. Damit fällt es grundsätzlich in Ihren Einflussbereich, ob und welche Zertifizierung erreicht werden kann. Das wird aber durch viele Faktoren beeinflusst, etwa das vorhandene Budget.
Der Bauherr erwartet das Zertifikat auch zu bestimmten Projektkosten. Das vorhandene Budget ist oftmals so bemessen, dass schon kleine Unwägbarkeiten zu Kostensteigerungen führen. Um diese zu kompensieren, müssen dann Abstriche beim Leistungsprogramm gemacht werden. Das kann negative Auswirkungen auf den Zertifizierungsgrad haben.
Ein bestimmtes Zertifikat zu bestimmten Baukosten kann daher nur in den seltenen Fällen konkret in Aussicht gestellt werden, in denen beim Objektplaner/Generalunternehmer weitgehende Hoheit bei der Festlegung des Leistungsprogramms besteht. Andernfalls ist nicht sichergestellt, dass das volle Leistungsprogramm zu den vorgegebenen Kosten erreicht werden kann.
Übernehmen Sie keine Verantwortung für Termine und Qualitäten
Auch Termine und Qualitäten können bekanntlich durch viele Faktoren gefährdet oder infrage gestellt werden, die Sie nicht beeinflussen können. Verzögerungen können zum Beispiel durch Lieferengpässe bei Baumaterialien mit Nachhaltigkeitswirkung entstehen. Auch verfügen längst nicht alle Fachunternehmen über das notwendige Wissen beim nachhaltigen Bauen. Das gilt vor allem für Schlüsselgewerke im Hochbau, wie z. B. die technische Ausrüstung und die Fassade. Zudem tun sich viele Projektbeteiligte schwer, die für die Dokumentation des Zertifizierungsprozesses notwendigen Unterlagen zeitgerecht und vollständig zusammenzutragen. Übernehmen Sie daher nur zeitliche Verantwortung, so weit es Ihren eigenen Leistungsbereich betrifft.
Ebenso kann der Planer nicht die Qualität der vorgesehenen Baumaterialien beeinflussen. Auch hier gilt der Grundsatz, dass nur solche Risiken in qualitativer Hinsicht übernommen werden können, die beherrschbar sind. Sehen Sie für Qualitäten und Termine daher Klauseln im Vertrag vor, wonach keine Verantwortung für die Verfügbarkeit von nachhaltigem Baumaterial, die Qualität der Arbeitskräfte oder andere nicht beherrschbare Umstände übernommen wird.
Beachten Sie mögliche Abweichungen von üblichen Bautechniken
Für die Erlangung eines Zertifikats sind oft moderne Stoffe und Techniken einzusetzen, die über den üblichen Stand der Technik hinausgehen. Prüfen Sie deshalb besonders gut die bautechnischen Zulassungen und auch die Übereinstimmung mit den behördlichen Anforderungen. Sie müssen den Bauherrn aufklären und mit Hinweisschreiben dokumentieren, dass Sie über das Risiko des Einsatzes solcher Verfahren und Techniken informiert haben. Gegebenenfalls hat er Sie von der Haftung freizustellen. Weisen Sie auf nötige Materialprüfungen, bauaufsichtliche Prüfungen oder Genehmigungen im Einzelfall hin.
Verknüpfen Sie die Zahlung nicht mit der Zertifizierung
Das GBCI oder der DGNB e.V. sind unabhängige Zertifizierungsinstitute. Die Bearbeitung der Anmeldung, Vorzertifikats- oder Zertifikatserteilung kann zum Teil Monate dauern. Sowohl für Bauunternehmen als auch für Planungsverantwortliche gilt deshalb, dass Abschlagszahlungen nicht an einen bestimmten Grad der Zertifizierung oder einzelne Meilensteine im Zertifizierungsprozess geknüpft werden sollten.
Beschränken Sie Ihre Haftung
Die bloße Verletzung vertraglich übernommener Pflichten führt noch nicht zur Haftung. Das Schadensrecht erfordert stets die genaue Darlegung eines Schadens. Beim nachhaltigen Planen gelten diese Grundsätze auch. Es ist aber zu berücksichtigen, dass Nachhaltigkeitsaspekte und insbesondere ein Zertifikat in hohem Maße Einfluss auf die Verwertbarkeit eines Objekts haben. Kann der Bauherr z. B. nachweisen, dass die Mieteinnahmen niedriger sind, weil nur ein geringeres Zertifikat erreicht wurde, droht ein ganz erhebliches Haftungsrisiko.
Reduzieren Sie die Haftung im Vertrag auf solche Schäden, die unmittelbar mit der Zertifizierung und der Bauwerkerrichtung zusammenhängen. Schließen Sie die Haftung für entfernte Schäden aus, insbesondere im Rahmen der späteren Verwertung.
Dr. Alexander Wronna LL.M. ist Partner bei KNH Rechtsanwälte in Frankfurt und DGNB-Mitglied.
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