Klaus W. König
Kommunale Abwassersatzungen oder andere Bauauflagen verlangen immer öfter, Niederschläge auf dem Grundstück zu bewirtschaften. Ist das innerhalb von Neubausiedlungen und Gewerbegebieten nicht möglich oder zumutbar, wird das Regenwasser mehrerer Grundstücke auf öffentlichen Flächen gesammelt, abgeleitet und am Rande der Bebauung semizentral versickert. Üblicherweise wird der Regen in Rohren abgeleitet, was besonders im flachen Gelände an den Versickerungsstellen zwangsläufig zu tiefen Kratern führt. Denn die Rohre sind frostfrei in 80 Zentimeter Tiefe und mit Gefälle zu verlegen.
Die Krater im Erdboden sind nicht nur ästhetisch umstritten, sie sind auch gefährlich. Regnet es länger, staut sich Wasser darin. Eltern fürchten häufig um die Sicherheit ihrer Kinder und verlangen das Einzäunen solcher Versickerungslöcher.
Flächenentwässerung: flache Gräben statt Rohren
Es geht aber auch anders: Statt Rohre tief im Erdreich zu verlegen, kann oberflächennah entwässert werden. Zwar sind dafür zusätzliche Flächen zwischen den Baugrundstücken erforderlich, die sich aber auch als Spiel- und Ausgleichsflächen nutzen lassen. DWA-A 138, die allgemein anerkannte Regel der Technik zur Regenwasserversickerung, bietet in Abschnitt 3.4.3 des Kommentars dazu praxisnahe Hinweise für Stadt- und Freiraumplaner. Demnach genügt für die Ableitung des Wassers in offenen Gräben ein 0,5-prozentiges Gefälle.
Werden flache Entwässerungsgräben nach unten offen wie Sickermulden angelegt, versickert das Regenwasser zum größten Teil schon unterwegs. Somit kann die Versickerungsstelle am Rande der Bebauung flach ausgelegt werden, denn die Mündung der Zulaufgräben befindet sich wesentlich näher an der Oberfläche. Weitere Vorteile: Diese Sickermulden müssen nicht eingezäunt werden, stehen wesentlich seltener unter Wasser und können zum Spielen für Kinder freigegeben und/oder im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes als Ausgleichsflächen genutzt werden.
Verkehrsflächen: Rinnen statt Rohren
Genauso lassen sich auch bei Verkehrsflächen in Baugebieten mit vorausschauender Planung Flächen, Material und Kosten sparen. Auch für Tiefbau- und Verkehrsplaner gibt der Kommentar des DWA-A 138 in Abschnitt 3.4.3 Handlungsempfehlungen. Statt mit dem üblichen Dachprofil kann die Fahrbahn mit durchgehendem Quergefälle gebaut werden.
Dadurch muss Regenwasser nur an einer Seite abgeführt werden. Ebenso können Zufahrten benachbarter Grundstücke nebeneinander platziert und geneigt ausgeführt werden. Wo solche Zufahrten von der Erschließungsstraße abzweigen und die entlang der Straße verlaufenden Entwässerungsgräben queren, müssen befahrbare Rinnen die Verbindung zwischen den Grabenabschnitten herstellen und die oberflächennahe Entwässerung für Fahrzeuge überbrücken.
Privatgärten: Zisterne und Sickermulde
Verlangt die kommunale Entwässerungssatzung, dass auf privaten Grundstücken der gesamte dort anfallende Niederschlag bewirtschaftet wird, kann das bei kleinen Grundstücken zu Problemen führen. Die Vertiefung einer Sickermulde mit maximal 30 Zentimetern wird durch die Sicherheit bei gelegentlich eingestautem Regenwasser bestimmt. Die Länge und Breite ergibt sich aus dem Verhältnis der entwässerten Flächen zur Durchlässigkeit des Bodens. Obwohl auch in Privatgärten Doppelnutzung flacher Sickermulden möglich ist, fehlt dazu bei Reihenhausgrundstücken und mäßiger Bodendurchlässigkeit oft der Platz.
Für diesen Fall bietet die DWA-A 138 mit dem darin aufgeführten Regenspeicher mit zwangsentleertem Teilvolumen ebenfalls eine Lösung. Dessen oberes Volumen puffert den Niederschlag und leitet kleine Mengen zeitlich verzögert an die Sickermulde ab.
Durch diese Retentionswirkung (Reto-Regenspeicher) darf die Muldenfläche kleiner bemessen werden. Im unteren Teil des Speichers verbleibt der für die hausinterne Wasserverwertung (Waschmaschine, Toilette, Gartenbewässerung) kalkulierte Vorrat. Die benötigte Höhendifferenz von ein bis zwei Metern zwischen der Oberkante des Speichers und dem Drosselablauf zur Mulde erfordert ein Geländegefälle, wie es zum Beispiel zwischen einer höher gelegenen Terrasse und einem tiefer liegendem Garten besteht.
Der Reto-Regenspeicher wird bevorzugt unter einer solchen Terrasse eingebaut. Dann ist für seinen Überlauf gewährleistet, was in der Fachwelt als oberstes Gebot gilt: Niederschlagswasser, das von befestigten Flächen stammt, soll in Richtung Grundwasser zumindest den bewachsenen Oberboden passieren. Diese natürliche Schicht hat ein enormes Reinigungspotenzial und kann sich weitgehend selbst regenerieren.
Die Alternative für kleine Gärten ohne Höhendifferenz sind Regenspeicher mit sogenanntem Erdfilterkopf (Terra-Regenspeicher). Erde und Pflanzen im Filter ersetzen die bei unterirdischer Versickerung des Speicherüberlaufs fehlende bewachsene Bodenschicht. Erdfilter mit Saatgut, Speicher und ein mit Geotextil umhüllter Rigolenkörper aus Kunststoff zur unterirdischen Versickerung stehen als komplettes System zur Verfügung.
Baugebietserschließung: Sammelbestellung
Regenspeicher mit solchen Zusatzfunktionen sollten möglichst im Zuge der Baugebietserschließung auf die noch unbebauten Grundstücke gesetzt werden, statt sie in dieser Phase lediglich für den späteren Einbau vorzuschreiben. Der Erschließungsträger muss dies zwar vorfinanzieren, hat aber mehrere Vorteile:
- Die vielen kleinen Anlagen ersetzen ein großes unterirdisches Regenrückhaltebecken traditioneller Art, das üblicherweise nicht überbaut werden darf. Die so eingesparte Grundstücksfläche kann zusätzlich veräußert werden.
- Wird die nachhaltige Regenwasserbewirtschaftung als Ausgleichsmaßnahme anerkannt, reduzieren sich nochmals Kosten und Flächenbedarf. Die Bewertung erfolgt in den Bundesländern noch nicht einheitlich. Das Nutzen des Regenwassers wird meist als Vermeidung positiv gewertet.
- Durch Sammelbestellung gleichartiger Bauteile entsteht bei den Erschließungskosten ein Preisvorteil. Auch werden die Grundstücke durch die Regenwasserspeicher wegen des reduzierten Trinkwasserverbrauchs attraktiver für den Verkauf.
- Die Regenwasserbewirtschaftung ist bereits während der Bauphase möglich, da Regenrückhalte- und Sickereinrichtungen zu diesem Zeitpunkt betriebsbereit sind.
Voraussetzung ist in jedem Fall, dass dezentrale und semizentrale Regenwasser-Bewirtschaftungsmaßnahmen vor der Erschließung in Bezug auf die zu erwartenden Regenwassermengen exakt kalkuliert werden. Nur so lassen sich Flächen und Kosten tatsächlich sparen.
Dipl.-Ing. Klaus W. König ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser in Überlingen am Bodensee.
Hilfreicher Dienst
„Projektmanagement“ heißt ein neues Geschäftsfeld von Birco, in dem der Entwässerungsspezialist sein Know-how für alle planenden Bauberufe gebündelt hat. Die Dienstleistung umfasst unter anderem die Projektbetreuung, bietet Hilfe bei der -Bemessung, der Ausschreibung oder auch bei der Ausführung vor Ort. Dazu gehört auch, länderübergreifend zu arbeiten, die im europäischen Ausland ortsspezifischen Bestimmungen zu kennen und Planer entsprechend zu beraten.
Literatur
Grotehusmann, D. und Harms, R.:
DWA-Kommentar zum Arbeitsblatt DWA-A 138.
Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser. Speziell Abschnitt 3.4.3 Planungshinweise. Hennef, August 2008. ISBN 978-3-940173-76-8
König, Klaus W.: Regenwasser dezentral bewirtschaften. Ratgeber für Kommunen und Planungsbüros. (Hrsg.:) Mall GmbH, Donaueschingen, 2. Auflage 2008. ISBN 3-9803502-2-3
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