Text: Susanne Jacob-Freitag
Immer stärker rückt das Thema Wohngesundheit in den Fokus von Bauherren und Gebäudenutzern. Allergien und andere gesundheitliche Reaktionen, die auf chemische Inhaltsstoffe von Bauprodukten zurückzuführen sind, haben bewirkt, dass mögliche allergieauslösende Bestandteile eines Bauproduktes näher unter die Lupe genommen werden. Das gilt auch für Bauteile aus Vollholz und verklebte Holzbauteile, wie Brettschichtholz und Brettsperrholz.
Eine Besonderheit des Baustoffes Holz sind seine natürlichen Inhaltsstoffe, die ebenfalls unter den Begriff Emissionen fallen. Sie machen sich je nach Holzart und vor allem Einbauzeitpunkt durch Geruch in der Raumluft bemerkbar. Es sind überwiegend natürliche Aldehyde und Terpene. Diese enthalten leicht flüchtige Bestandteile, die mit der Raumluft reagieren und die wir üblicherweise als angenehmen Holzduft wahrnehmen und meist sogar wünschen. Terpene und Aldehyde sind als sogenannte VOCs (Volatile Organic Compounds) durch richtwertrelevante Innenraumluftuntersuchungen unmittelbar nach dem Einbau relativ einfach nachweisbar. Natürliche „Emissionen“ aus Holz weisen aber ein sogenanntes Abklingverhalten auf. Das heißt, im Normalfall sinken die unmittelbar nach der Rohbaufertigstellung gemessenen „Emissions“-Werte in einer zeitlich überschaubaren Phase deutlich ab. Das setzt besonders kurz nach Fertigstellung des Gebäudes regelmäßiges Lüften voraus – vor allem bei der heutigen luftdichten Bauweise.
Vom Richtwert zur Vorschrift
Während das Umweltbundesamt (UBA) mit dem Anliegen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes auf Basis des Grundgesetzes und der Landesbauordnungen bestimmte Emissionswerte für die Raumluft lediglich empfiehlt (!), werden mittlerweile in Ausschreibungen solche Richtwerte immer öfter Teil der werkvertraglichen Vereinbarung. Damit werden aus empfohlenen Richtwerten Grenzwerte, die zwingend einzuhalten sind. Die Stadt München hat sich in diesem Zusammenhang beispielsweise selbst höhere Auflagen verordnet, als es die Richtlinien vorgeben. Der Anforderungskatalog für Gebäude der öffentlichen Hand schreibt etwa vor: Bei Holzbauten dürfen nur „formaldehydfrei verklebte“ Holzbauteile und -elemente verwendet werden. Diese Anforderungen erfüllen allerdings nur Polyurethan-(PUR-)verklebte Holzbauteile (es geht hierbei lediglich um die Ausdünstung von Formaldehyden und nicht darum, ob PUR umweltfreundlich ist). So können nur Holzbau-Unternehmen an den Ausschreibungen teilnehmen, die Polyurethan-Klebstoffe verwenden. Doch nur etwa eines von zehn Unternehmen verklebt Brettschicht-(BS-)Holz mit Einkomponenten-(1K-)PUR-Klebstoffen. Bei Brettsperrholz (BSP) ist es umgekehrt: Über 90 Prozent verkleben ihre Elemente mit (1K-)PUR-Klebstoffen. Der Architekt muss nun im Vorfeld herausfinden, welche Unternehmen er überhaupt zur Abgabe eines Angebotes auffordern könnte.
Auch die Stadt Köln hat besondere Auflagen. Sie startete 2006 ein Pilotprojekt zur Auswahl emissionsarmer Bauprodukte (ohne speziellen Fokus auf Holz, aber Holzbauprodukte gehören natürlich ebenso zu den geprüften Produkten), was zu einer ersten Positivliste mit etwa 300 innenraumrelevanten Materialien führte. Ab 2007, als nach der Sanierung des Rathauses trotz Verwendung zugelassener Bauprodukte dort Schadstoffe bei der Raumluftmessung festgestellt worden waren, schrieb die Stadt Köln die Prüfung der zu verwendenden Bauprodukte bei allen städtischen Bauvorhaben zwingend vor. Heute stehen über 1.800 Bauprodukte auf dieser Positivliste, die die städtische Gebäudewirtschaft kontinuierlich fortführt. 2014 hat sich die Stadt Bonn dem Projekt zur Positivliste angeschlossen.
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Diskussionen um die gesundheitlichen Anforderungen an Innenräume haben zweifellos zu vielen neuen und wichtigen Erkenntnissen über Schadstoffe geführt, sie haben aber gleichzeitig für Unverständnis und Zweifel an der Einstufung von natürlichen flüchtigen Inhaltsstoffen aus Holz und anderen Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen gesorgt. Es ist daher wichtig zu wissen, dass bei den gesundheitsbezogenen Prüfkriterien lediglich die Einhaltung der Emissionsrichtwerte des UBA gefordert wird. Für eine gesundheitliche Einschätzung ist das jedoch nicht ausreichend. Dafür sind zusätzliche hygienebezogene Kriterien erforderlich.
Nach Fertigstellung, Übergabe und dem dann folgenden Einzug in das Holzgebäude erfüllt sich in den meisten Fällen das Versprechen zur „Wohngesundheit“ des Planers. Wenn sich allerdings durch die oftmals sorglose Verwendung von zusätzlichen Dichtstoffen, Installationen, Bodenbelägen, Beschichtungen, Oberflächenbehandlungen oder durch andere Baustoffkombinationen weitere wahrnehmbare Beeinträchtigungen einstellen, können Konflikte entstehen. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Teile des Richtwerte vorgebenden Umweltbundesamtes in ein neues Bürogebäude in Holzbauweise, das „Haus 2019“ in Berlin-Marienfelde, eingezogen sind und die Prüfer dem Bau im Ergebnis der durchgeführten Raumluftmessungen eine sehr gute Raumluftqualität bescheinigten. Das brachte ihm bei der BNB-Bewertung (BNB – Bewertungssystem nachhaltiges Bauen) eine Gold-Zertifizierung ein.
Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag ist -freiberufliche Baufachjournalistin in Karlsruhe
Prüfinstitute
- eco-Institut, international anerkannte Prüfstelle für alle maßge-blichen gesetz-lichen Anforderungen und freiwilligen Label, Köln, www.eco-institut.de
- IQUH, Institut für Qualitätsmanagement und Umfeldhygiene, Weikersheim, www.iquh.de
- Lebenszyklusanalyse und Ökobilanzen: Ascona Gesellschaft für ökologische Projekte, www.legep.de
Weiterführende Informationen
Links zu downloadfähigen Broschüren auf der Website des Umweltbundesamtes:
„Umwelt- und gesundheitsverträgliche Bauprodukte – Ratgeber für Architekten, Bauherren und Planer“, 9/2015, http://tinyurl.com/q4hpj28
„Emissionsverhalten von Holz und Holzwerkstoffen“, 7/2012, http://tinyurl.com/pq4z8os
„Bestimmung der VOC-Emissionen aus Grobspanplatten (OSB-Platten) und ihre Bewertung nach dem AgBB–Schema“, 2013, http://tinyurl.com/pyz2wtq
Gesund und umweltfreundlich -einrichten, 11/2015, http://tinyurl.com/haspqut
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