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Dieses Interview ist unter dem Titel „Wir müssen nichts Neues lernen!“ im Deutschen Architektenblatt 05.2024 erschienen.
Interview: Brigitte Schultz
CO2 ist die Währung der Stunde. Man könnte denken, dass gerade in der Baubranche an allen Ecken daran gerechnet wird, wie man hier einsparen kann. Ist das so?
Bert Bielefeld: Leider nein. Die CO2-Berechnung ist derzeit nicht selbstverständlicher Teil des Planungsprozesses und wird daher oft weggelassen – oder erst im Nachgang gemacht, um Fördermittel zu beantragen oder ein Zertifikat zu bekommen.
Eva Holdenried: Ehrlich gesagt, wissen die Büros einfach nicht, wo sie anfangen sollen.
Woran liegt das?
Eva Holdenried: Die Architektinnen und Architekten haben bisher wenig Berührungspunkte mit der CO2-Berechnung. Wenn zertifiziert wird, ermitteln den CO2-Wert meist andere Berufsgruppen wie Bauingenieure oder Energieberater, die bei der DGNB oder anderen Anbietern eine Schulung zum „Fachplaner Nachhaltigkeitsplanung“ absolviert haben. So entwickelt sich aber kein Wissensaufbau in den Architekturbüros.
Bert Bielefeld: Und wenn Architektinnen und Architekten sich an das Thema wagen, legen sie sich oft Software zu, die keine Berechnungswege zeigt. Die Software mag gut sein, aber ich als Architekt kann nicht nachvollziehen, was sie tut und welche Qualität die Ergebnisse haben.
Wie wollen Sie hier Abhilfe schaffen?
Eva Holdenried: Die CO2-Berechnung sollte möglichst einfach sein und nach einem System vorgehen, das Planende bereits kennen. Unsere Idee: Kosten muss ich als Architektin vorab abschätzen und am Ende genau beziffern – und ich habe einen CO2-Ausstoß, für den das Gleiche gelten sollte. Wieso übertragen wir nicht einfach die von den Kosten bekannte Systematik – also vom Groben ins Feine – auf die CO2-Berechnung?
Bert Bielefeld: Wir sind überzeugt: Wir Architektinnen und Architekten sind in der Lage, eine planungsbegleitende CO2-Ermittlung mit dem Methodenkatalog der DIN 276 zu machen, den wir sowieso beherrschen. Wir müssen nichts Neues lernen, und es braucht auch nicht noch einen Fachplaner oder neue Schulungssysteme und Qualitätssiegel. Wir nehmen eine Arbeitsweise, die die Branche ad hoc beherrscht. Diese Methodik können wir relativ einfach und sehr schnell implementieren.
Wie unterscheidet sich diese Herangehensweise von der bisher geläufigen?
Bert Bielefeld: Meist geht es ja bisher um Zertifizierung. Es gibt zwar Abstimmungen im Planungsprozess, aber eigentlich ist die Vorgehensweise retrospektiv: Erst am Ende wird gerechnet. Das ist komplex und funktioniert nicht als Instrument während des Planens. Wir möchten, dass Architektinnen und Architekten an den Stellen, wo sie Entscheidungswege haben, wo sie mit Bauherrinnen und Bauherren diskutieren, auch die Auswirkungen auf die CO2-Bilanz greifbar haben: Machen wir mit Blick darauf einen Holz- oder einen Massivbau? Welchen Bodenbelag bauen wir ein? Wir wollen, dass die Planenden befähigt sind, über alle Entscheidungsprozesse auch das Kriterium CO2-Verbrauch zu legen und gegebenenfalls Dinge zu justieren.
Eva Holdenried: Die Zertifizierung ist vor allem bei Großprojekten wichtig, die von Immobilienfonds geprägt werden. Aber da reden wir von einem einstelligen Prozentsatz an Projekten! Das ist nicht der Weg, um etwas zu verändern. Wir versuchen dagegen, die breite Masse zu erreichen, mit einem System, das auch kleine Architekturbüros nutzen können.
Wie kann man sich diese CO2-Ermittlung im Verlauf der Planung konkret vorstellen? Mit welchen Tools arbeite ich?
Eva Holdenried: Hier bietet BIM natürlich erhebliche Vorteile. Die Unmengen an Daten, die zu den einzelnen Baustoffen erfasst und dokumentiert werden müssen, lassen sich so am besten erfassen. Aber wir können leider nicht warten, bis sich die Methodik in allen Büros durchgesetzt hat.
Bert Bielefeld: Das Einfachste und Banalste ist tatsächlich Excel (lacht). Weil sämtliche anderen Programme irgendwann an ihre Systemgrenzen kommen, wenn es um komplexe Projekte geht. In so einer Excel-Tabelle müssen Sie im Grunde nur weitere Spalten einfügen, wo Sie neben den Kennwerten und Summen für die Kosten auch den CO2-Wert eintragen. Schon lassen sich Kosten und CO2-Werte als Entscheidungsgrundlage gemeinsam betrachten. Sie können damit relativ einfach arbeiten.
Aber woher weiß ich, welche CO2-Werte ich in meine Tabelle eintrage?
Bert Bielefeld: Das Baukosteninformationszentrum der Architektenkammern (BKI) arbeitet daran, der Architektenschaft möglichst schnell substanzielle CO2-Werte bereitzustellen – und zwar genau in den Kaskadenstufen, wie wir sie bei dem Baukostensystem auch haben. Da bereitet das BKI aktuell viel Datenmaterial auf. Das wird in den nächsten Jahren sukzessive mehr, sodass wir perspektivisch in der Lage sind, mit CO2 genauso zu agieren wie bei der Kostenermittlung. Das BKI hat gerade einen Konstruktionsatlas herausgebracht, der einen ersten Eindruck vermittelt, wo wir gemeinsam hinwollen.
Eva Holdenried: Das BKI ist natürlich nur ein Anbieter, aber es ist unser Architektenanbieter, auf den wir am meisten Einfluss haben, und deshalb haben wir es gebeten, sich vertieft darum zu kümmern.
Reden wir dabei nur über CO2-Daten zu Konstruktion und Material, oder setzt das auch bei Punkten wie dem Bauvolumen oder den allgemeinen Bauteilen an?
Bert Bielefeld: Das BKI arbeitet auch daran, solche Daten zu erheben und sie so aufzubereiten, dass sie zu der jeweiligen Planungstiefe passen, wie bei den Kosten auch. Das ist tatsächlich wichtig, denn diese Daten in gröberen Stufen sind für uns Architektinnen und Architekten elementar und es gibt sie bis dato nicht. Wenn Architekturbüros derzeit in frühen Leistungsphasen CO2 berechnen wollen, müssen sie selbst die Bauteile zusammenrechnen. Das ist aufwendig.
Stichwort Aufwand: Als Architektin habe ich ja mehr Arbeit durch die CO2-Ermittlung. Kann ich mir das honorieren lassen?
Eva Holdenried: Das ist ja keine Grundleistung, sondern eine besondere Leistung: Die lässt sich aushandeln.
Bert Bielefeld: Wobei ich glaube, dass uns das Thema CO2 sehr schnell einholen wird, auch durch den Gesetzgeber. Ich bin überzeugt, dass wir in dem Bereich zeitnah Vorgaben bekommen werden. Wir sollten hierfür vorbereitet sein und am besten die zukünftigen Wege aktiv in der Politik mitgestalten, damit sie zum Planungsprozess passen. Zudem ist es für die eigene Arbeit richtungsweisend, wenn man Entscheidungen für einen geringeren CO2-Fußabdruck auf einfache Weise treffen kann – und es lässt sich schon jetzt bewerkstelligen, wenn man eine gewisse Motivation dafür hat. Es ist kein großer Aufwand und man muss sich nur einmal überwinden, die eigenen Prozesse daran anzupassen.
Ab wann werden Planende voraussichtlich Ihr System der CO2-Ermittlung nutzen können?
Bert Bielefeld: Eigentlich sofort (lacht). Das Problem, das wir im Moment noch haben, sind die noch nicht in der vollen Breite aufbereiteten Daten – man muss aktuell noch selbst viel zusammenrechnen –, aber das BKI arbeitet mit Hochdruck daran. Ich denke, dass wir in wenigen Jahren bereits Daten zur Verfügung haben werden, wie wir es auch von den Baukosten gewohnt sind. Das ist natürlich eine tolle Perspektive. Alle sind sich einig: Wir müssen das machen!
Konstruktionsatlas hilft bei CO2-Berechnung
Der BKI Konstruktionsatlas liefert Bauteile mit Ökobilanzen, CO2-Äquivalenten und Baupreisen. Er ist für 111,22 Euro beim BKI bestellbar.
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Im Vortext zu diesem Artikel steht was vom CO2 Verbrauch ! Seit wann verbrauchen denn Gebäude CO?
„Ab wann werden Planende voraussichtlich Ihr System der CO2-Ermittlung nutzen können? Bert Bielefeld: Eigentlich sofort (lacht).“ Wo ist das benutzbar (abgesehen vom Konstruktionsatlas)?