Text: Dr. Barbara Gay
Vertragliche Vereinbarungen
In jedem Stadium seiner Leistungserbringung kann der Architekt damit beauftragt werden, sein Augenmerk besonders auf baubiologische und gesundheitliche Themen zu richten. Bei der Grundlagenermittlung hat der Architekt die Interessenlage des Bauherrn zu erforschen. Er muss deshalb auch ohne besonderen Auftrag herausfinden:
• ob besondere energiesparende Maßnahmen gewünscht sind,
• ob der Bauherr bestimmte allergene Stoffe meiden möchte,
• ob er an einer guten Innenraumluftqualität besonderes Interesse hat und
• ob es wegen der besonderen Art der Nutzung bestimmter Lüftungsanlagen – über die anerkannten Regeln der Technik hinaus – und ähnlichem bedarf.
Was der Auftraggeber nicht bereits selbst vorgibt, muss der Architekt erfragen. Er ist Sachwalter der Bauherreninteressen.
Im Architektenvertrag können Zielwerte für die Innenraumluftqualität vorgegeben werden, also etwa Grenzwerte für Stoffe wie Formaldehyd oder Radon. Es können auch Belastungshöchstwerte einzelner Baustoffe als Bausoll vereinbart werden. Die Parteien können festlegen, dass nur Baustoffe mit entsprechender Zertifizierung verwendet werden dürfen und dass der Architekt einen Sonderfachmann einzuschalten hat, der ggf. baubegleitende Messungen oder auch Abschlussmessungen durchführt, um erzielte Werte zu dokumentieren. Schließlich kann dem Architekten vorgegeben werden, dass das Gebäude ein bestimmtes Zertifikat erhalten soll und somit rechtzeitig die Vorgaben der Zertifizierungsstelle zu erfüllen sind.
Der Architekt wird bei entsprechenden vertraglichen Vorgaben schon in den Planungsstadien Themen der Baugesundheit im Blick haben. Das gilt für die Bauphysik ebenso wie für die Planung bestimmter Arbeitsweisen. Bereits in der Planungsphase hat sich der Architekt mit den auszuführenden Materialien zu beschäftigen. In den einzelnen Kostenermittlungsarten hat er höherpreisige, auf Schadstoffarmut geprüfte Produkte zu berücksichtigen.
Vor allem bei der Ausschreibung kommt dem Architekten die Verpflichtung zu, die richtigen Materialien festzulegen. Dabei kann es erforderlich werden, in den Ausschreibungstext handwerkliche Selbstverständlichkeiten mit aufzunehmen, die normalerweise der ausdrücklichen Erwähnung nicht bedürfen. Beispielsweise sind zu verwendende Kleber, Mörtel und ähnliches vorzugeben, wenn dies zur Erreichung etwa der vereinbarten Innenraumluftqualität erforderlich ist.
Bei der Objektüberwachung trägt der Architekt die Verantwortung dafür, dass die vertraglich vereinbarten Materialien auch eingebaut und dass die vorgeschriebenen Arbeitsweisen umgesetzt werden. Unter Umständen ist es erforderlich, permanente baubegleitende Messungen durch Einschaltung von Sonderfachleuten durchzuführen, um die vertraglich vereinbarten Werte zu erzielen. Wurde die Zertifizierung vertraglich vereinbart, ist der Architekt im Rahmen der Objektüberwachungsphase verpflichtet, die Voraussetzungen hierfür sicherzustellen, rechtzeitig mit der Zertifizierungsstelle Kontakt aufzunehmen und für die Umsetzung von Auflagen, Erstellung von Nachweisen und Dokumenten Sorge zu tragen.
Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Architekten liegt nach dem Gesagten sicherlich in der Auswahl geeigneter Materialien, die die Erreichung der vereinbarten Zielwerte, insbesondere der Innenraumluftqualität ermöglichen. Dem Architekten wird dabei eine Materialkenntnis abverlangt, die über den typischen Kenntnisstand des Architekten hinausgeht. Dies dürfte sich auch dahingehend auswirken, dass der Architekt verstärkt bei Ungeeignetheit eines Materials haftet. Grundsätzlich darf sich der Architekt darauf verlassen, dass Materialien, die erprobt sind und für den verwendeten Zweck allgemein als geeignet angesehen werden, unbedenklich verwendet werden können. Bei neuartigen Baustoffen muss der Architekt den Bauherrn darauf hinweisen, dass die Stoffe noch nicht ausreichend erprobt sind und muss die Entscheidung, ob die Materialien verwendet werden sollen, dem Bauherrn überlassen. Der Architekt ist verpflichtet, Produkte von renommierten Unternehmen auszuschreiben, und sich über Materialeigenschaften zu informieren. Er muss Äußerungen qualifizierter Institute einholen, Materialprüfungsberichte studieren und die Verarbeitungsrichtlinien des Herstellers beachten. Dagegen ist der Architekt grundsätzlich zu eigenen Kontrollen und Prüfungen nicht verpflichtet. Wenn der Architekt diese Vorgaben beachtet, haftet er in der Regel nicht, wenn sich das Material gleichwohl als ungeeignet herausstellt. Da der Architekt zur Nachbesserung seiner Planung und Ausschreibung nicht verpflichtet ist, wenn sich der Mangel bereits im Bauwerk niedergeschlagen hat, das fehlerhafte Material also bereits eingebaut ist, kommt in diesen Fällen nur noch eine Haftung auf Schadensersatz in Betracht. Hat der Architekt jedoch kein Verschulden, weil er die vorgenannten Grundsätze beachtet hat, scheidet ein Schadensersatzanspruch aus.
Hat es der Architekt hingegen übernommen, für die Schadstofffarmut der Materialien Sorge zu tragen, wird man ihm jedenfalls in Bezug auf die hierfür entscheidenden Parameter eine erhöhte Sorgfaltspflicht zubilligen müssen. Er wird sich etwa in Bezug auf angegebene Emissionen nicht nur auf die Herstellerangaben verlassen dürfen, sondern muss etwa erforschen, ob die Baustoffe von qualifizierten Instituten und Zertifizierungsstellen geprüft und empfohlen werden. Der Architekt kann sich nicht damit entlasten, er sei im gesunden Bauen noch nicht versiert. Gleichwohl sei jedem Bauherrn geraten, die Erfahrungen des Architekten in diesem Bereich durch Referenzobjekte zu überprüfen.
Das Fehlen vertraglicher Vereinbarungen
Hat sich im Rahmen der Grundlagenermittlung ergeben, dass dem Bauherrn die Schadstoffarmut nicht wichtig ist, darf der Architekt konventionell planen. Er muss etwa einen weniger emittierenden Schnellestrich einem stärker emittierenden nicht vorziehen, selbst dann nicht, wenn sich ein Kostenunterschied nicht ergibt. Denn der Architekt ist zu einer optimalen Planung regelmäßig nicht verpflichtet. Die Verwendung zugelassener Baustoffe renommierter Baustoffhersteller kann der Architekt ohne eigene Überprüfungen planen und ausschreiben. Allerdings dürfte ein Fehler des Architektenwerkes vorliegen, wenn die unter der Regie des Architekten verwendeten Baustoffe Gesundheitsschäden hervorrufen und der Architekt dies – wegen seiner besonderen übernommenen Prüfpflichten – hätte erkennen müssen. So wurde es als Bauwerkmangel angesehen, wenn der verwendete Baustoff objektiv gesundheitsgefährdend ist . Auch muss es ein Bauherr gegenüber dem Bauunternehmer nicht hinnehmen, dass von einer aufgebrachten Parkettversiegelung monatelang ein starker Lösungsmittelgeruch ausgeht. Entsprechende Grundsätze wird man auf das Architektenwerk zu übertragen haben. Stets ist dabei aber zu bedenken: Während der Bauunternehmer verschuldensunabhängig für Materialmängel im Rahmen der Gewährleistung haftet, haftet der Architekt nur, wenn ihn ein Verschulden trifft, da der gegen ihn gerichtete Anspruch in der Regel auf Schadensersatz gerichtet ist.
Weiterhin muss der Architekt – wie immer – die anerkannten Regeln der Technik beachten. Ob der Richtwerttabelle des Ausschusses für Innenraumrichtwerte des Umweltbundesamtes dieser Status zukommt, ist nicht eindeutig. Aber der Architekt tut gut daran, so zu planen und auszuschreiben, dass die empfohlenen Richtwerte durch die von ihm geforderten Baustoffe nicht überschritten werden. Das LG München I sieht in der Tabelle jedenfalls die Darstellung „anerkannter Grenz- und Richtwerte“, bei deren Überschreitung eine Gesundheitsgefährdung jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, weshalb im entschiedenen Fall ein Mietmangel bejaht wurde.
Der Inhalt des Anspruches gegen den Architekten
Wie jeder Werkunternehmer, so ist auch der Architekt bei Auftreten eines Werkmangels zur Nachbesserung berechtigt und verpflichtet, soweit eine Nachbesserung noch möglich ist. Für den Architekten bedeutet dies, dass Planungs- und Ausschreibungsfehler noch so lange behoben werden können, wie sich diese noch nicht im Bauwerk verwirklicht haben. Ansonsten ist der Bauherr auf Schadensersatzansprüche zu verweisen. Schreibt der Architekt zu stark emittierende Baustoffe aus und erkennt er den Fehler noch vor Einbau, kann er hier gegebenenfalls noch eine Änderungsanordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 VOB/B treffen und somit nachbessern. Sind die Baustoffe bereits eingebaut und überschreiten die Innenraumluftwerte die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit, haftet der Architekt – bei Verschulden – auf Schadensersatz in Bezug auf die Sanierungskosten.
Eine gesamtschuldnerische Haftung mit anderen am Bau Beteiligten kommt in Betracht, wenn auch diese pflichtwidrig die geschuldete Schadstoffarmut nicht realisiert haben. Hat etwa der Generalunternehmer die ausgeschriebenen schwach emittierenden Baustoffe nicht eingebaut, der Architekt hat dies im Rahmen der Objektüberwachung übersehen, kommt eine gesamtschuldnerische Haftung infrage, so dass derjenige, der zunächst durch den Bauherrn in Anspruch genommen wird, einen entsprechenden Ausgleichsanspruch gegen den zweiten Gesamtschuldner hat.
Fazit
Im Rahmen der Grundlagenermittlung muss der Architekt eruieren, ob der Bauherr an der Umsetzung gesundheitlicher Themen, insbesondere der Schadstoffarmut seines Gebäudes, Interesse hat. Werden bestimmte Grenzwerte oder die allgemeine Forderung nach einer möglichst geringen Schadstoffbelastung im Rahmen einer Beschaffenheitsvereinbarung Gegenstand des Architektenvertrages, muss der Architekt die Vereinbarung umsetzen, ansonsten ist das Architektenwerk mangelhaft. Auch ohne Beschaffenheitsvereinbarung dürfen die von dem Architekten ausgeschriebenen Baustoffe nicht die Gesundheit der Nutzer beeinträchtigen. Die anerkannten Regeln der Technik sind in jedem Falle einzuhalten. Gegebenenfalls kann der Architekt für die Umsetzung spezieller Belange der „Baugesundheit“ einen Sonderfachmann einschalten.
Dr. Barbara Gay ist Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte in Düsseldorf.
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