Text: Ulrich Sieberath, Ingo Leuschner
Junge wie alte Menschen haben besondere Anforderungen an Fenster. Für Schulen sind ein hoher Lüftungsbedarf, eine optimale Tageslichtversorgung mit entsprechendem Blend- und Sonnenschutz, ein wirkungsvoller Schallschutz und vor allem die hohen mechanischen Belastungen die charakteristischen Merkmale. Besonders für Klassenzimmer sollten die höchsten mechanischen Beanspruchungsklassen für Beschläge, Fensterrahmen (einschließlich Eckverbindungen) sowie Verglasungen bei der Planung berücksichtigt werden. Ebenso sind die richtigen Abmessungen und Aufteilungen, die Öffnungsarten, die Konstruktion und die Sicherheitseinrichtungen zu definieren. Folgende Grundsätze bieten hierfür eine Orientierung:
– einfache Konstruktionen mit „robuster“ Ausführung (Beschläge, Profile etc.) mit geeigneter Klassifizierung für mechanische Festigkeit und Dauerfunktion
– Begrenzung von Größe und Gewicht der Fensterflügel mit geringer Anfälligkeit bezüglich Fehlbedienung
– Öffnungsarten mit gut dosierbarer, effizienter Lüftung durch Kippflügel an Ober-/Unterlichtern, die für Kinder gut zugänglich und leicht bedienbar sind
– Ausführung der Unterlichter und Festverglasungen mit Sicherheitsglas, um die Absturzsicherheit zu gewährleisten
Ein Beispiel dafür, wie ein Fensterelement für ein Klassenzimmer aussehen könnte, ist in Bild 1 dargestellt. Tabelle 1 zeigt, welche Öffnungsarten und Eigenschaften für Schulgebäude geeignet sind.
Licht und Luft für Klassenzimmer
Obwohl mittlerweile zahlreiche medizinische Studien belegen, dass Tageslicht die Leistungs- und Lernfähigkeit steigert, wird dies bei Klassenzimmern oft unzureichend berücksichtigt. Für eine gute Licht- und Fensterplanung gelten folgende Kriterien:
- farbneutrale Verglasung mit einem Lichttransmissionsgrad von 65 bis 75 Prozent
- das Verhältnis von Breite zur Tiefe der Räume sollte etwa 1:2 betragen
- die Fensterfront sollte etwa 20 Prozent der Raumfläche umfassen
- Breite und Höhe der Fenster etwa 1,5 bis 2,5 Meter, Brüstungshöhe etwa 90 Zentimeter, deckennahe Fensteroberkante
- keine Glasteilung durch Sprossen
- möglichst geringe Abschattung durch Verbauung oder Pflanzen
Steuerung von Licht- und Energiemenge durch Blend- und Sonnenschutz. Aufgrund ihrer guten Tageslichtnutzung werden Lichtlenkungssysteme (Lamellen, Prismen etc.) empfohlen
In Klassenzimmern besteht zudem ein hoher Lüftungsbedarf. Um den CO2-Gehalt der Luft unter 1.000 ppm zu halten, sollte pro Person mit circa 30 Kubikmeter Frischluftbedarf kalkuliert werden. Ein drei Meter hoher und 60 Quadratmeter großer Klassenraum erfordert bei 30 Personen eine Luftwechselrate von 5, die sich durch eine Kombination von Dauerlüftung (Kippflügel) und Stoßlüftung (Drehflügel) in den Pausen erreichen lässt. Wichtig ist, dass während der Lernzeit keine Zugluft auftritt. Eine CO2-Steuerung motorisch angetriebener Fensterflügel oder eine CO2-Ampel helfen, die Luftqualität zu steuern.
Altersgerechtes Wohnen
Für ein selbstbestimmtes Wohnen im Alter oder Menschen in Pflegeeinrichtungen, die viel Zeit im Inneren des Gebäudes verbringen, spielen Fenster und Türen eine besondere Rolle, denn sie lassen Sonne, Luft und Geräusche in den Raum. Die Planung von Fenstern in Pflegeeinrichtungen sollte dem Leitgedanken „Hinkommen – Reinkommen – Klarkommen“ folgen. Dafür sind aus Nutzersicht folgende Aspekte zu beachten:
- Bewohner haben weniger Kraft in den Armen und Händen sowie eine reduzierte Beweglichkeit
- ihr Sehvermögen ist eingeschränkt
- sie benötigen Ausblicke in die Umgebung auch aus Sitzhöhe
- ihre geistige Auffassungsfähigkeit und ihr Sicherheitsbewusstsein sind teils eingeschränkt
- sie benötigen viel Tageslicht und höhere Innenraumtemperaturen
Diese Auslegungskriterien führen zu Fenstern mit einfachen Details und kleinen Flügelformaten. Die Ausstattung mit automatischen Antrieben und Lüftern ist für die leichte Bedienung und Frischluftversorgung sinnvoll. Damit die Bewohner auch von der Couch oder vom Rollstuhl aus den Kontakt zur Außenwelt mit Blick auf Spielplatz, Straße oder Garten genießen können, muss mindestens ein Fenster über eine Brüstungshöhe von circa 60 Zentimetern verfügen. Der Planer muss beachten, dass es sich dann um ein absturzsicherndes Bauteil handelt. Wie sich körperliche und geistige Einschränkungen im Detail auf die Fensterkonstruktion auswirken, ist in Tabelle 2 dargestellt. Ein Beispiel für eine empfehlenswerte Fensterteilung und Öffnungsart zeigt Bild 2.
Für ältere Menschen sind nicht zuletzt die Barrierefreiheit und die Bedienbarkeit der Fenster und Türen essenziell. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sich schätzungsweise in der Hälfte aller Wohnungen Schwellen zu Balkon oder Terrasse befinden, die als Hindernis empfunden werden. Wie die Schwellen je nach Anforderung auszuführen sind, ist in Tabelle 3 zusammengestellt. Werden elektronische Geräte verwendet, wie Türöffner oder eine Zutrittsüberwachung, ist auf eine altersgerechte und einfache Bedienung zu achten. Empfehlenswert sind zum Beispiel große Bildschirme und haptische und gut erkennbare Bedienelemente. Letztere können gleichzeitig auch über eine „ausbruchhemmende“ Funktion verfügen, damit Demenzpatienten zur eigenen Sicherheit die Wohnung oder Gemeinschaftseinrichtung nicht unkontrolliert verlassen.
Ausstattung nach Universal Design
Menschen im Alter 55plus („Silver Ager“) verfügen über eine große Kaufkraft und messen dem Komfort in der eigenen Immobilie einen hohen Stellenwert bei. Wichtig sind für sie ein thermisch behagliches Umfeld, automatische Systeme, ein guter Schallschutz sowie Sicherheit. Diese Wünsche lassen sich gut nach den Prinzipien des Universal Design (UD) realisieren. Bei Fenstern und Türen mit automatischen Schließsystemen oder Sicherheitsfenstern senden Sensoren bei Beschädigung oder Einbruch unverzüglich eine Nachricht. Automatische Fenster öffnen und schließen sich selbstständig, wenn die Sollwerte für Luftfeuchte und CO2-Gehalt erreicht sind, und können im Sommer zur Nachtkühlung genutzt werden, ohne dass man bei einem Gewitter aufstehen muss. Das einfache und kraftsparende Öffnen hilft insbesondere älteren Personen oder Menschen mit Handicap. Die Bedienung sollte unkompliziert und intuitiv per Smart-Phone erfolgen, damit der Wunsch, lange und selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu leben, erfüllt werden kann.
Professor Ulrich Sieberath ist der Leiter des ift Rosenheim und Dipl.-Ing. (FH) Ingo Leuschner leitet das Sachverständigenzentrum des ift Rosenheim.
ift-Richtlinien
Das Fenster, die Tür oder das Tor für jeden Einsatzzweck gibt es nicht, denn die Ansprüche in Schul-, Verwaltungs- oder Wohnbauten sind zu unterschiedlich. Das ift Rosenheim hat deshalb für Architekten Richtlinien mit Empfehlungen für die Planung, Ausschreibung, Herstellung und Montage von Fenstern und Türen für besondere Einsatzzwecke erarbeitet (FE-16/1, FE-17/1, TU-10/1). www.ift-rosenheim.de
Mehr Informationen und Artikel zum Thema Transparenz finden Sie in unserem DABthema Transparenz.
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