Text: Stefan Horschler
Seit dem 1. Mai ist die 2. Änderungsnovelle zur Energieeinsparverordnung in Kraft. Sie soll ein erster Schritt hin zu einem Standard eines sogenannten „Niedrigstenergiegebäudes“ sein, den die Europäische Union anstrebt. Ab dem 1.1.2016 werden nach der EnEV-Novelle die Anforderungen an den Jahres-Primärenergiebedarf für Wohn- und Nichtwohngebäude um 25 Prozent (bezogen auf das Niveau der EnEV 2009) verschärft. Der mit einem ansonsten unveränderten Referenzgebäude berechnete Höchstwert des Jahres-Primärenergiebedarfs ist ab diesem Zeitpunkt mit dem Faktor 0,75 zu multiplizieren. Die Referenztechnik selbst wurde nur durch redaktionelle Klarstellungen ergänzt. Allerdings sind bereits seit dem
1. Mai die neue DIN V 18599 : 2011-12 und die Korrekturen DIN V 18599-5 Berichtigung 1:2013-05 und DIN V 18599-8 Berichtigung 1:2013-05 anzuwenden. Für Nichtwohngebäude werden ebenfalls ab 1.1.2016 die mittleren U-Werte für normal beheizte Gebäudezonen um 20 Prozent gegenüber der EnEV 2009 verschärft. Ausgenommen sind im Nichtwohnungsbau Gebäudezonen mit mehr als vier Metern Raumhöhe, die durch dezentrale Gebläse- oder Strahlungsheizungen beheizt werden.
Für Wohngebäude darf ab dem 1.1.2016 als zusätzliches „Rückfallniveau des Dämmstandards“ der Transmissionswärmeverlust des Referenzgebäudes (Anlage 1 Tabelle 1 der EnEV) nicht überschritten werden. Gleichzeitig gilt aber unverändert der gebäudetypologisch abgeleitete spezifische, auf die wärmeübertragende Umfassungsfläche bezogene Höchstwert des Transmissionswärmeverlustes gemäß Anlage 1 Tabelle 2 der EnEV.
Neu ist hier weiterhin, dass der Nachweis im Wohngebäudeneubau nicht nur wie bisher mit zwei, sondern künftig mit drei alternativen Nachweisvorschriften geführt werden kann. Es sind dies:
– DIN V 4108-6 und DIN V 4701-10
– DIN V 18599 (verpflichtend für gekühlte Wohngebäude zu verwenden)
– Modellgebäudeverfahren (veröffentlicht im Bundesanzeiger)
Brisant ist dabei insbesondere, dass die drei Nachweisvorschriften durchaus nicht zu den gleichen Ergebnissen (für den Energieausweis) kommen – geschweige denn zu gleichen materiellen Anforderungen an Bauteile und Anlagentechnik.
Seit 1. Mai sind sowohl für Wohn- und Nichtwohngebäude erhöhte Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz gemäß „neuer“ DIN 4108-2:2013-02 einzuhalten. Hier ist der zulässige Sonneneintragskennwert oder sind zulässige Übertemperaturgradstunden nachzuweisen. Mehr denn je muss in einem frühen Planungsstadium über die Fenstergröße und insbesondere über Möglichkeiten eines Nachtluftwechsels zur Entspeicherung der Bauteilmassen nachgedacht werden.
Folgende Änderungen haben sich mit der Neufassung der DIN 4108-2 ergeben:
– neue Karte der Sommerklimazonen auf Basis von neuen Referenzklimadaten
– die Option, städtebauliche Verschattung, Topografie o. Ä. zu berücksichtigen
– erleichterte Berücksichtigung baulicher Verschattung durch das Gebäude selbst
– Trennung der Nachweisführung nach Wohn- und Nichtwohngebäuden
– differenziertere Berücksichtigung der Gebäudeschwere in Verbindung mit dem nächtlichen Luftwechsel
– Korrektur des zulässigen Sonneneintragskennwertes bei hohen bzw. niedrigen Fensterflächenanteilen (≠ 26 %)
– Berücksichtigung passiver Kühlung
– konkretere Anforderungswerte und Randbedingungen für die Durchführung von Simulationen
– Festlegung von Übertemperaturgradstunden, differenziert nach Wohn- und Nichtwohngebäuden.
Verschärfter Jahres-Primärenergiebedarf: Die Konsequenzen
Nachfolgend werden beispielhaft mögliche Konsequenzen im Wohnungsbau vorgestellt. Für den Nichtwohnungsbau ergeben sich vergleichbare Folgen, sofern mit derselben Heiztechnik wie im Referenzfall das Gebäude thermisch konditioniert wird. Mehrere Studien haben die Konsequenzen der neuen EnEV ab 2016 für verschiedene Gebäudetypen untersucht (frei stehendes Einfamilienhaus, Reihenend- und -mittelhaus sowie ein frei stehende Mehrfamilienhaus). Es ging um zwei Fragen:
1. Wie wirken sich unterschiedliche, auf die Fassadenfläche bezogene Fensterflächenanteile im Hinblick auf die Anforderungswerte aus? Anhand eines frei stehenden Einfamilienhauses können in Abbildung 1 die Gestaltungsvarianten beispielhaft im Hinblick auf den Fensterflächenanteil abgelesen werden.
2. Welche baulichen Konsequenzen ergeben sich bei Verwendung der in der 2. Änderungsnovelle beschriebenen Anlagentechnik für das Referenzgebäude (Brennwertkessel mit ergänzender solarer Brauchwassererzeugung und bedarfsorientierter Abluftanlage) bzw. bei einer Wärmeversorgung mit einem sehr kleinen Primärenergiefaktoren fp?
Dazu zeigen Abbildung und Tabelle 1 den Primärenergiebedarf eines frei stehenden Einfamilienhauses je nach Fensterflächenanteil. Er ergibt sich bei Verwendung einer Wärmeversorgung mittels der in der Anlage 1 Tabelle 1 der EnEV beschriebenen Anlagentechnik (Brennwertkessel, mit ergänzender solarer Trinkwarmwasserversorgung und zentraler bedarfsorientierter Abluftanlage). Der Primärenergiebedarf ist die maßgebliche, den Dämmstandard wesentlich beeinflussende Anforderungsgröße und in diesem Beispiel unabhängig vom Fensterflächenanteil. Tabelle 2 zeigt das Dämmniveau für die Bauteile bei mittlerem Fensterflächenanteil. Dieses gilt für die Dämmstandards, die auch für die anderen Gebäudetypen ermittelt wurden.
Aus dieser Tabelle ergibt sich für die Bauteile die Notwendigkeit eines extremen Dämmstoffeinsatzes: für das Bauteil Außenwand beim frei stehenden Einfamilienhaus (EFH) eine mittlere Dämmschichtdicke von 18 cm und beim Reihenmittelhaus (RMH) von 30 cm. Zugrunde gelegt wurde eine Wärmeleitfähigkeit für den Dämmstoff von BW = 0,035 W/(mK). Für das EFH kann dies je nach Außenwandkonstruktionstyp gegenüber dem Dämmniveau der heute noch geltenden EnEV 2009 (und dem EEWärmeG) Mehrkosten von 10.000 Euro bedeuten.
Will man derartig hohe Dämmstandards vermeiden, wird der Weg entweder nur über eine Optimierung des Wärmebrückenzuschlags gehen. Zusätzlich oder alternativ geht er über den Einsatz von Energieträgern mit niedrigem Primärenergiefaktor (fp) zur Wärmeversorgung, die Nutzung von Abwärme oder die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien. Hier ergeben sich jedoch Verschiebungen der Mehrkosten aus der Kostengruppe 300 zur KG 400. Architekten und Fachplaner müssen nunmehr bis Anfang 2016 die unterschiedlichen möglichen Konzepte für Bau- und Anlagentechnik anhand der eigenen Ziele, Ansprüche und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen überprüfen.
Nachweise für Altbauten
Beim Bauen im Bestand bestehen grundsätzlich zwei Anforderungskategorien. Die erste sind die Nachrüstungsverpflichtungen ab § 10 EnEV: Eigentümer müssen in bestimmten Fristen und unter bestimmten Voraussetzungen Heizkessel austauschen. Nachträglich dämmen müssen sie zugängliche Wärme- und Kälteverteilleitungen in unbeheizten Räumen sowie oberste Geschossdecken – Letztere, sofern hier der Mindestwärmeschutz der DIN 4108-2 : 2013-02 nicht eingehalten wird.
Die zweite Kategorie beschreibt die sogenannten „bedingten Anforderungen“ aus § 9 Absatz 1 der EnEV. Sie greifen nur, wenn der Eigentümer ohnehin Änderungen am Gebäude vornehmen will, die die wärmeübertragende Umfassungsfläche betreffen, zum Beispiel eine Dämmung der Außenwand oder der Austausch von Fenstern. Für den Nachweis können entweder U-Wert-Anforderungen aus Anlage 3 Tabelle 1 der EnEV oder eine energetische Bilanz über das gesamte Bestandsgebäude analog zum Neubaunachweis herangezogen werden. Dabei dürfen die Anforderungen an den Jahres-Primärenergiebedarf und die Anforderungen an den Dämmstandard um 40 Prozent überschritten werden (Bezugsniveau bleibt auch ab 1.1.2016 Neubaustandard EnEV 2009).
Am Beispiel von Änderungsmaßnahmen an einer Außenwand sollen einige Neuerungen der EnEV näher vorgestellt werden. In Anlage 3 zu § 9 der EnEV heißt es zu bestehenden Gebäuden:
„Soweit bei beheizten oder gekühlten Räumen Außenwände ersetzt oder erstmalig eingebaut werden, sind die Anforderungen nach Tabelle 1 Zeile 1 einzuhalten. Dies gilt auch für Außenwände, die in der Weise erneuert werden, dass bei einer bestehenden Wand
a) auf der Außenseite Bekleidungen in Form von Platten oder plattenartigen Bauteilen oder Verschalungen sowie Mauerwerks-Vorsatzschalen angebracht werden oder
b) der Außenputz erneuert wird.
Satz 2 gilt nicht für Außenwände, die unter Einhaltung energiesparrechtlicher Vorschriften nach dem 31. Dezember 1983 errichtet oder erneuert worden sind.“
Der letzte Satz stellt klar, dass neben der geometrischen Größe (zehn Prozent Bagatellgrenze) der von der Änderungsmaßnahme betroffenen Bauteilfläche auch deren U-Wert bzw. Dämmstandard maßgeblich ist. Sofern das zu ändernde Bauteil nach der Wärmeschutzverordnung 1982/84 geplant wurde oder sich auf dem dort beschriebenen Dämmniveau befindet, werden keine weiteren verordnungsrechtlichen Vorgaben für das Bauteil gestellt.
Die Absätze 4 und 5 des § 9 beschäftigen sich mit Erweiterungen oder Ausbauten von Gebäuden um beheizte oder gekühlte Räume für die kein Wärmeerzeuger eingebaut wird. Hier verlangt § 9 Absatz 4, „die betroffenen Außenbauteile so zu ändern oder auszuführen, dass die Wärmedurchgangskoeffizienten der betroffenen Flächen die für solche Außenbauteile in Anlage 3 festgelegten Höchstwerte … nicht überschreiten. Ist die hinzukommende zusammenhängende Nutzfläche größer als 50 Quadratmeter, sind außerdem die Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz … einzuhalten.“
Bei einer Erweiterung ohne Einbau eines Wärmeerzeugers sind lediglich für die betroffenen Bauteile U-Werte nachzuweisen. Aus Gründen thermischer Behaglichkeit im Sommer wird jedoch dringend geraten, unabhängig von der Größe der jeweiligen Erweiterungsfläche Maßnahmen zur Begrenzung des Sonneneintrags (z.B. nach DIN 4108-2) zu planen.
Wenn das bestehende Gebäude jedoch um mehr als 50 m² Nutzfläche erweitert oder geändert und ein neuer Wärmeerzeuger eingebaut wird, greift Absatz 5. Bei einer derartigen Erweiterungsmaßnahme bestehender Gebäude ist der Nachweis wie für einen Neubau zu führen. Der Primärenergiebedarf ist jedoch nicht mit dem Faktor 0,75 zu multiplizieren, das Referenzniveau der EnEV 2009 gilt weiter.
Ganz wichtig wird im Zuge der künftigen Verschärfungen der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz sein, beschrieben in § 25: Befreiungen sind möglich, „soweit die Anforderungen im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen. Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer, bei Anforderungen an bestehende Gebäude innerhalb angemessener Frist durch die eintretenden Einsparungen nicht erwirtschaftet werden können.“ Es geschieht leider immer wieder, dass energetische Maßnahmen Eigentümern im „Namen der Verordnung“ abverlangt werden, ohne dass ein wirklicher (quantifizierter) Nutzen den finanziellen Aufwendungen gegenübergestellt wird.
Anzeigen und Energieausweise
• In Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen sind, sofern vorhanden, energetischer Kennwerte/Informationen aus dem Energiebedarfs- oder Energieverbrauchsausweis und weitere Hinweise aus dem Energieausweis anzugeben.
• In Energieausweisen für Wohngebäude werden künftig Energieeffizienzklassen hinsichtlich des Endenergiebedarfes in Klasse A+ bis H zusätzlich zum Bandtacho angegeben.
• Immobilien-Interessenten müssen bei der Besichtigung den Energieausweis einsehen können. Nach Miete oder Kauf muss er ihnen ausgehändigt werden.
• In Gebäuden mit starkem Publikumsverkehr auf mehr als 500 Quadratmetern Nutzfläche, etwa größere Läden, Hotels, Kaufhäuser, Restaurants oder Banken, ist der Energieausweis auszuhängen, sofern er bereits vorliegt. Das gilt nicht für Behördengebäude. Für Gebäude der öffentlichen Hand wird die Pflicht zur Erstellung und zum Aushang von Energieausweisen auf kleinere Gebäude erweitert, die mehr als 500 m² bzw. ab Juli 2015 mehr als 250 m² Nutzfläche mit regen Publikumsverkehr aufgrund behördlicher Nutzung haben.
• Zu Energieausweisen und zu Inspektionsberichten von Klimaanlagen wird Stichprobenkontrollen geben. Hierzu ist durch elektronische Abfrage beim DIBt jeder Energieausweis gemäß § 16 ff und jeder Inspektionsbericht von Klimaanlagen mit einer Registriernummer zu versehen, sodass anonym eine Stichprobe gezogen werden kann.
Klarstellungen im Bestandsbau
Für das Bauen im Bestand bringt die neue EnEV viele Klarstellungen. Die Absichten sind deutlich besser ablesbar. Für zu errichtende Gebäude führt die neue EnEV regelmäßig zu erheblichen Dämmmaßnahmen, sofern keine oder nur geringe Anteile regenerativer Energien bei der Wärmeversorgung genutzt werden. Mehr denn je ist in jedem Einzelfall ein sinnvolles Maß an regenerativen Deckungsanteilen aus wirtschaftlicher Sicht zu finden. Im Sinne der Nachhaltigkeit gilt, dass ein Gebäude auch die Chance haben sollte, in „Würde“ zu altern. Hierzu sind robuste und einfache Konstruktionen (sowohl für die Bau- als auch für die Anlagentechnik) notwendig, die problemlos ausführbar und später auch „bedienbar“ sind.
Weiterhin wäre zu begrüßen, wenn am Ende energetischer Betrachtungen nicht nur ein über zum Teil komplexe Bewertungssysteme abgeleiteter Energiebedarfswert stünde, der oft wenig mit späteren Verbräuchen zu tun hat. Sondern wenn der Fokus mehr auf einer messbaren Bewährung in den Jahren nach der Fertigstellung läge. Hier sollten im Einzelfall politischer Ehrgeiz und planerische Eitelkeit zurückgestellt und möglichst einfach zu handhabende Lösungen für Planung, Ausführung und Nutzung entwickelt werden.
Stefan Horschler ist Architekt und Inhaber des Büros für Bauphysik in Hannover.
Registriernummer für Energieausweise
Neue Energieausweise brauchen seit 1.Mai eine Registriernummer, die das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) vergibt. Dazu müssen Aussteller beim DIBt einen eigenen Account anlegen. Das Institut verlangt pro Nummer eine Gebühr von drei bis sechs Euro. Neue Energieausweise ohne Registriernummern gelten als ordnungswidrig.
www.dibt.de