Klaus Lamprecht, Uli Jungmann
Für die Auswahl des richtigen Programms ist der Einsatzzweck jetzt noch entscheidender. Dient die Software lediglich der Ausstellung von Energieausweisen, sollen zusätzlich Energieberatungen durchgeführt werden oder wird das Programm projektbegleitend zur Energieplanung und energetischen Optimierung genutzt? Ein weiteres Kriterium ist die Art der Bauaufgabe: Sind Wohngebäude zu berechnen oder geht es um einfache oder aufwendig klimatisierte Nichtwohngebäude?
Erfassung der Gebäudedaten
Alle Anwendungen setzen zunächst die Erfassung der Gebäudedaten voraus. Für die wärmeübertragenden Umfassungsflächen sind die Angaben zu Schichtaufbauten, Neigung, Ausrichtung und Verschattung notwendig. Neben der manuellen Eingabe bieten einige Programme die Möglichkeit, Baukörper als Faltmodelle einzugeben oder drei dimensional zu modellieren. Das Programm kann dann das Gebäudemodell selbstständig in die erforderlichen Hüll flächen zerlegen. Andere Programme bieten dazu Schnittstellen an, um Daten aus CAD-Programmen zu importieren. Trotz aller Hilfsmittel ist aber meist noch eine manuelle Korrektur notwendig.
Die Anlagentechnik ist in einzelnen Trinkwarmwasser-, Lüftungs- und Heizungssträngen zu beschreiben. Bei Nichtwohngebäuden kommen noch die Beleuchtungs- und Klimaanlagen hinzu. Auch hierzu bieten die Programme vielfältige Hilfen über Assistenten und Datenbanken.
Werden hierbei Wohngebäude grundsätzlich als Einzonenmodell berechnet, sind Nichtwohngebäude zunächst nach Raumnutzung und -konditionierung zu zonieren. Dadurch kann sich der Aufwand zur Erfassung und Berechnung von Nichtwohngebäuden gegenüber den Wohngebäuden schnell vervielfachen. U-Wert-Berechnungen für opake Bauteile und Fenster sind inzwischen weitgehend selbstverständliche Programmfunktionen.
Einige vertiefende Berechnungen sind aber noch nicht Standard, etwa die genaue Ermittlung des Wärmebrückenzuschlags, der inzwischen standardmäßig zu führende Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes oder die genaue Ermittlung der Deckungsraten von Solaranlagen. Eine gute Dokumentation der erfassten Daten über Rechenblätter und Beschreibungen ist hilfreich, um die Projektstruktur für später oder für andere Bearbeiter nachvollziehbar zu machen.
Datenbanken
Für die energetische Bewertung von Gebäuden werden viele bauphysikalische und anlagentechnische Daten benötigt: Baustoffe, Gläser und Rahmen oder Verluste verschiedener Anlagenkomponenten. Auch kombinierte Daten für komplette Hüllflächenaufbauten, Fenster oder Anlagenkonfigurationen finden sich in den Datenbanken der Programme. Wichtiger als der Umfang der mitgelieferten Daten ist allerdings, dass diese bearbeitet werden können, um eine sorgfältige Datenpflege zu ermöglichen und einen eigenen Bestand häufig benötigter Daten aufzubauen. Bei kom plexen Datenbanken ist darüber hinaus eine übersicht liche Struktur und eine gute Such- oder Filterfunktion auf jeden Fall unerlässlich.
Vereinfachungen im Bestand
Um den Aufwand der Datenerfassung bei Bestandsgebäuden zu reduzieren, sind Vereinfachungen möglich. Flächen und Volumen dürfen teilweise übermessen oder abgeschätzt werden, fehlende Angaben zur energetischen Qualität von Bauteilen und Anlagentechnik können nach typologischen Annahmen eingeschätzt werden. Für Vereinfachungen im Aufmaß sind teilweise Berechnungskorrekturen des beheizten Volumens und der Transmissionsverluste vorgeschrieben. Bislang kann nur ein Teil der Programme diese Korrekturen selbstständig durchführen.
Hilfefunktionen
Einsteiger sollten besonders auf eine klare Nutzerführung und gute Informationen zur Programmbedienung achten. Sinnvoll sind auch Fachinformationen zu Normen und Verordnungen. Unzulässige Eingaben lassen sich durch eine sichere Plausibilitätskontrolle unterbinden, die Nutzereingaben auf EnEV- und Normkonformität überprüft. Hinterlegte Default-Einstellungen ermöglichen es, auf die Standardwerte der DIN-Normen zurückzugreifen.
Bildung von Varianten
Ist das Gebäude erfasst, lassen sich Verbesserungsmaßnahmen meist schnell abbilden. Das Kopieren des Datensatzes erzeugt Varianten, die weiterbearbeitet werden können. Um zur richtigen Lösung zu finden, sind nicht nur der Energiebedarf, sondern auch die Gestaltung zu berücksichtigen und die Investitions- und Betriebskosten zu vergleichen. Eine Schwachstellenanalyse des Gebäudes und Va riantenvergleiche sollten grafisch darstellbar sein.
Ausgabe der Ergebnisse
Variantenrechnungen müssen dokumentiert und dem Bauherrn als Entscheidungsgrundlage vorgelegt werden. Das Verfassen von Berichten ist daher wesentlicher Bestandteil der energetischen Optimierung von Gebäuden. Dazu bieten einige Programme sehr mächtige interne Berichteditoren an, die aber auch einen hohen Einarbeitungsaufwand erfordern. Viele Programme verfügen über Ausgabeschnittstellen zu bekannten Textverarbeitungsprogrammen; eine komfortable Editierbarkeit von Berichten ist ein Muss. Einen fertigen Bericht per Knopfdruck kann man aufgrund der Individualität der Aufgabenstellung dagegen nicht erwarten.
Software für Nichtwohngebäude
Auf die erst kurzfristig neu eingeführte DIN V 18599 mit ihrem umfangreichen Berechnungsverfahren für Nichtwohngebäude haben die Programmanbieter noch nicht vollständig reagiert. Sie bieten diesen Teil entweder gar nicht oder nur als Zusatzmodul gegen Aufpreis an. Es fehlt ihnen noch an ausreichender Erfahrung, um die komplexen Berechnungen anwenderfreundlich und übersichtlich darstellen und handhaben zu können. Es gibt zwar seitens der Softwarehersteller viele gute Ideen. Welche sich letztendlich bewähren und durchsetzen, muss die Praxis zeigen. Auch die Autoren beobachten als Anwender, Berater und Dozenten die Entwicklung und testen die verschiedenen Funktionen.
Der Softwaremarkt für Nichtwohngebäude tendiert dazu, künftig Programme für unterschiedliche Gebäudekomplexitäten anzubieten. Denn sowohl ein Kindergarten mit in der Regel nur einer Zone als auch Großbauten mit vielen Zonen sind als Nichtwohngebäude nach DIN V 18599 zu bewerten. Sie stellen aber unterschiedliche Anforderungen an die Software und die Qualifikation der Anwender.
Um Nichtwohngebäude nach DIN V 18599 energetisch bewerten zu können, sind neben der Software fundierte Kenntnisse des Rechenverfahrens unerlässlich. Viele Softwareanbieter haben entsprechende Schulungen im Programm. Während die Berechnung von einfachen Nichtwohngebäuden mit akzeptablem Aufwand erlernbar und zu bewältigen ist, verlangen Nichtwohngebäude mit komplexer Anlagentechnik oft schon bei der energetischen Bewertung interdisziplinäres Arbeiten.
Energieverbrauchsausweise
Zur Erstellung von Verbrauchsausweisen ist im Grunde keine Software nötig. Das kostenlose Druckmodul der dena zum Ausfüllen der Ausweise genügt. Die Umrechnung des gemessenen Energieverbrauchs in Energiekennzahlen nach den Regeln zur Ermittlung von Verbrauchskennzahlen ist einfach von Hand möglich. Mit einer Berechnungssoftware ist die Handhabung komfortabler, und die meisten Programme verfügen über diese Option.
Fazit
Die Software für Wohngebäude hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt, verbessert und den neuen Rahmenbedingungen angepasst. Der Markt bietet zahlreiche gute Planungswerkzeuge zur energetischen Optimierung von Gebäuden, was zu einer immer stärker nachgefragten Leistung wird. Wer seinen Auftraggebern zu Vorteilen durch Energiekosteneinsparungen, erhöhter Wirtschaftlichkeit sowie Kostenstabilität durch Unabhängigkeit von schwankenden Energiepreisen oder durch Fördermittel verhilft, schafft nicht zuletzt Zufriedenheit und ein gutes Gefühl beim Kunden. Die Software für Nichtwohngebäude entspricht teilweise noch nicht der Qualität der Software für Wohngebäude des jeweiligen Anbieters; in naher Zukunft sind aber Entwicklungsschritte zu erwarten. Daher sollte derzeit auf jeden Fall gesteigerter Wert auf guten Support mit Hotline und Updateservice gelegt werden.
Da nach der EnEV 2009 die DIN V 18599 voraussichtlich auch für Wohngebäude als Rechenverfahren zur Anwendung kommt, empfiehlt es sich, schon jetzt auf Software zu setzen, die dieses Rechenverfahren bereits anbietet. Dass mit der EnEV 2009 noch weitere Anbieter dieses Rechenverfahren umsetzen werden, ist kaum zu erwarten.
Dipl.-Phys. Klaus Lambrecht und Dipl.-Ing. Uli Jungmann sind Partner von Econsult in Rottenburg und Stuttgart.