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Entrauchen und lüften

Anlagen für den Rauch- und Wärmeabzug können mit entsprechender Ausstattung auch der täglichen Lüftung dienen und so einen zusätzlichen Nutzen bieten

01.09.20158 Min. Kommentar schreiben

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Text: René Heister

Rauch- und Wärmeabzugsgeräte leisten bei einem Brand einen wichtigen Beitrag zum Personen- und Sachschutz. Entscheidend ist, dass die Rauchgase möglichst schnell und ungehindert aus dem Gebäude ins Freie ausströmen können. Wenn diese RWA-Anlagen im Normalbetrieb auch zur natürlichen Be- und Entlüftung genutzt werden können, dann wird aus der notwendigen Investition ein Zusatznutzen, der jeden Investor und Betreiber schnell begeistern kann. Leider werden diese Faktoren bei der Planung allzu oft außer Acht gelassen.

Bei einem natürlich wirkenden Lüftungsgerät wird die verbrauchte Luft mithilfe des thermischen Auftriebs aus dem Gebäude abgeführt. Bei einer Entlüftungsfläche von zwei Quadratmetern und einer Abluftgeschwindigkeit von zwei Metern pro Sekunde ermöglicht ein solches System ein Abluftvolumen zwischen 14.000 und 15.000 Kubikmetern pro Stunde. Das entspricht der Lüftungskapazität eines Abluftventilators mit einer Antriebsleistung von etwa zwei Kilowatt. Wenn die Frischluftzufuhr an 260 Arbeitstagen im Jahr gewährleistet werden muss, liegt die Energieeinsparung im Vergleich zum Abluftventilator nur für dieses eine Gerät bei rund 800 Euro im Jahr (siehe Beispielrechnung 1).

Der Fachverband Tageslicht und Rauchschutz e. V. empfiehlt für allgemeine Werkstätten eine Luftwechselrate vom Zwei- bis Fünffachen des Raumvolumens. Bei anderen Industriezweigen wie der Lebensmittelindustrie sind die erforderlichen Luftwechselraten noch deutlich höher. Bei einer zwei- bis fünffachen Luftwechselrate und einem Hallenvolumen von 20.000 Kubikmetern (Hallengröße 50 x 50 x 8 Meter) liegt der Luftwechsel bei 40.000 bis 100.000 Kubikmetern pro Stunde. Würde man den Luftwechsel mechanisch realisieren wollen, lägen die Energiekosten dafür bei rund 2.200 bis 5.500 Euro jährlich (siehe Beispielrechnung 2).

Beispielrechnung 2

Mögliche Luftwechselrate mit 1 kW Antriebsleistung = 7.500 m³/h
40.000 m³/h ÷ 7.500 m³/h = 5,33 kw/h x 2.080 h = 11.068 kW/h
11.068 kW/h x 0,20 Cent je kW/h = 2.217,20 €
100.000 m³/h ÷ 7.500 m³/h = 13,33 kW/h x 2.080 h = 27.726 kW/h
27.726 kW/h x 0,20 Cent je kW/h = 5.545,28 €

Ausstattung für die Lüftung

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RWA-Funktion: Im Brandfall öffnen sich die oberen Klappen, um Rauch und Wärme über das Dach abzuführen.

Damit natürlich wirkende RWA-Anlagen zur täglichen Lüftung eingesetzt werden können, müssen sie entsprechend ausgestattet sein. So muss die Steuerung neben der RWA-Funktion auch die Ansteuerung zur täglichen Lüftung ermöglichen, wobei die Auslösung im Brandfall Priorität hat. Bei pneumatisch öffnenden Systemen wird diese Priorität über ein thermisches Auslösegerät (TAG) realisiert. Das TAG ist direkt am RWA-Gerät verbaut und öffnet sich in den meisten Fällen über eine Glasampulle, die bei einer definierten Temperatur (in der Regel 68 Grad Celsius) zerbricht und eine CO2-Flasche ansticht. Diese liefert die Energie zum Öffnen der Zylinder. Zwei weitere Anschlüsse am TAG ermöglichen das Öffnen und Schließen der Geräte vom Hallenboden aus. Über einen RWA-Nottaster oder eine angeschlossene Brandmeldezentrale kann dies im Brandfall erfolgen, wenn dieser früher erkannt wird, als die Glasampullen an den Geräten reagieren.

Die Ansteuerungsmöglichkeiten zur täglichen Lüftung reichen vom einfachen Auf-/Zu-Taster bis hin zu einer SPS-Steuerung, die über diverse einstellbare Signalgeber öffnet und schließt. Signalgeber können beispielsweise Temperaturfühler sein, die ab einer bestimmten Hallentemperatur die Hauben öffnen und sie bei Erreichen einer voreingestellten Temperatur wieder schließen. Eine Zeitsteuerung ermöglicht hingegen eine Nachtauskühlung. Die Kombination verschiedener Signalgeber über die SPS-Steuerung ist dabei sehr einfach möglich. Ein Regensensor lässt die Geräte bei einsetzendem Regen schließen. Dieser wird auch bei einer einfachen Steuerung über eine RWA-Zentrale und einen Lüftungstaster eingesetzt. Die Prioritätensteuerung sorgt dafür, dass sich die Geräte im Brandfall auch bei Regen öffnen. Die nötige Energie zum Öffnen in Lüftungsstellung wird bei pneumatischen Systemen über das bauseitig vorhandene Druckluftsystem bezogen.

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Lüftung bei schlechtem Wetter: Dank Sensor schließen die oberen Klappen automatisch und die Seitenklappen öffnen sich.

Auch bei den über elektrische Spindelantriebe betriebenen RWA-Anlagen reicht die Lüftungssteuerung vom Lüftungstaster bis zur SPS-Steuerung. Neben dem RWA-Notschalttaster als Auslösesignal ersetzt ein Rauchmelder oder ein Thermodifferenzialmelder die Glasampulle. Um das Öffnen im Brandfall sicherzustellen, benötigen elektrisch betriebene RWA-Systeme brandsichere Zuleitungen. Da die Systeme in der Regel mit 24-V-Gleichstrom arbeiten, werden aufgrund der Leitungslängen in den meisten Fällen sehr hohe Leitungsquerschnitte benötigt, was die Kosten in die Höhe treibt. Hier ist ein System von Vorteil, das am Gerät Pufferakkus einsetzt, die über ein BUS-System mit einem wesentlich geringeren Leitungsquerschnitt in geladenem Zustand gehalten werden.

Neben der Steuerung müssen auch die RWA-Geräte selbst auf eine tägliche Nutzung ausgelegt sein. Haubenrahmen, Basis, Bewegteile und Antriebe müssen bereits bei der Konstruktion für deutlich höhere Belastungen geplant werden als bei Geräten, die bestenfalls einmal jährlich zur Funktionsüberprüfung zu öffnen sind. Eingesetzte Pneumatik-Zylinder sollten eine Endlagenverriegelung in beiden Endpositionen haben. Diese ist erforderlich, damit bei starkem Wind weder geschlossene Hauben durch Sogkräfte angehoben werden noch geöffnete Hauben zugedrückt werden können. Die erforderliche Belastbarkeit sollte der Hersteller durch entsprechende Tests belegen können, damit der Kunde einen Qualitätsnachweis hat.

Nachweise für die Belastbarkeit

Bei der Klassifizierung der Funktionssicherheit „Re“ (reliability) muss das RWA-Gerät innerhalb von 60 Sekunden nach Auslösung öffnen und ohne zusätzliche Energiezufuhr in der RWA-Funktionsstellung verbleiben. Die Klassifizierungen „Re A“ (beliebiger Wert), „Re 50“ und „Re 1.000“ geben an, wie oft das Gerät ohne äußere Lasteinwirkung (zum Beispiel durch Schnee) in seine Funktionsstellung geöffnet und anschließend wieder geschlossen wurde. Bei NRWGs, die zusätzlich zur täglichen Lüftung „Le“ (Doppelfunktion) eingesetzt werden können, wird die RWA-Funktionsprüfung erst nach 10.000-maligem Öffnen in die Lüftungsstellung vorgenommen. Dadurch wird sichergestellt, dass diese Geräte auch nach Jahren und Tausenden von Lüftungsvorgängen im Brandfall einwandfrei in die RWA-Stellung öffnen.

Die Windlast (WL) gibt Aufschluss über die Sogkräfte, denen das System standhalten kann. Auch starker Wind darf die Hauben in geschlossener Position nicht aufreißen. Gute Systeme schaffen eine Windlast bis 3.000 Pascal. Leider gibt es kein Testverfahren dafür, bis zu welcher Windstärke die Geräte geöffnet bleiben können. Hier sollte man den Hersteller fragen, ob er für seine Systeme Vorgaben macht. Hochwertige Geräte haben eine Endlagenverriegelung in beiden Endpositionen und sind so stabil ausgelegt, dass sie auch bei starkem Wind nicht schließen müssen. Tests für Schneelast und Funktionssicherheit bei Niedrigtemperatur sind für die Lüftungsfunktion weniger wichtig. Sie bestätigen aber die Funktionssicherheit im Brandfall auch im Winter und sind daher wichtige Indikatoren. Ausreichend dimensionierte Antriebe schaffen hier Schneelasten bis SL 1500 (1.500 N/m²). Die über die europäische Norm vorgegebenen Tests zur Funktionssicherheit bei Niedrigtemperatur stehen zu Recht in der Kritik. Da die Tests T-05, T-10 und T-15 die Temperatur angeben, bei der getestet wird, sollte man meinen, dass die Klasse T-00 für einen Test bei einer Umgebungstemperatur von null Grad Celsius steht. Stattdessen können die Geräte auch bei plus zwanzig Grad Celsius getestet werden, um in der Klasse T-00 zu bestehen. Eine Änderung der Norm wird erwartet. Doch wer jetzt sichergehen will, wählt ein Gerät, das bei Temperaturen unter null Grad getestet ist (im Idealfall T-15).

Auf Öffnungswinkel achten

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Lüftung bei schönem Wetter: Die Luft aus dem Inneren wird wie im Brandfall über die geöffneten oberen Klappen abgeführt.

Viele Systeme öffnen ihre Hauben in der Lüftungsfunktion nur 30 Zentimeter weit. Allerdings ermöglicht dieser schmale Öffnungsschlitz nur einen geringen Luftaustausch, vergleichbar mit der Kippstellung bei Fenstern. Sogenannte Überschlagsklappen öffnen im Brandfall mit einem Öffnungswinkel von etwa 165 Grad. Zur Lüftung können diese Geräte allerdings auch nur mit einem separaten Spindelantrieb auf rund 30 Zentimeter Hub geöffnet werden. Ein Öffnen zu Lüftungszwecken auf 165 Grad ist bei diesen Systemen nicht möglich, denn bei einsetzendem Regen würde das Schließen der Hauben zu lange dauern. Noch problematischer gestaltet sich aber das Schließen bei starkem Wind, wobei die Hauben den kritischen Neunzig-Grad-Winkel passieren müssen, also den Bereich, wo die Windangriffsfläche am größten ist. Ideal sind Systeme mit einem Öffnungswinkel von neunzig Grad, die auch zum Lüften die gesamte aerodynamisch wirksame Öffnungsfläche zur Verfügung stellen. Wer auch bei schlechtem Wetter lüften möchte, setzt sogenannte Mehrzwecklüfter ein. Auch diese lüften bei schönem Wetter über Hauben oder Lamellen auf der Oberseite. Bei Regen schließen diese und die Lüftung erfolgt über Seitenklappen, die die Luft über seitlich angebrachte Kästen nach draußen abführen. In den Kästen wird auch das Regenwasser gesammelt und über ein Drainagesystem auf das Dach abgeleitet.

René Heister ist verantwortlich für das Marketing bei der E.M.B. Products AG in Emmerich, Nordrhein-Westfalen.

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