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Zurück Gebäudeintegrierte Photovoltaik

Fensterladen und E-Mobil

Bald selbstverständlich? Gebäudeintegrierte Solartechnik ist ein wichtiger Baustein für die Energiewende.

01.09.20095 Min. Kommentar schreiben

Willi Ernst

Das Desertec-Projekt – Stromerzeugung für Europa in der nordafrikanischen Wüste – hat die Diskussion um die Möglichkeiten regenerativer Energien neu entfacht. Kritiker befürchten, dass jetzt die Vielzahl ungenutzter Dach- und Fassadenflächen, die in Deutschland potenziell für solare Energiegewinnung zur Verfügung stehen, aus dem Blickfeld geraten.

Systematische Studien auf der Basis von Satellitenbildern haben ein Poten­zial von 2 500 bis 3 000 Quadratkilometern ausgemacht, ausreichend bei heutigen Technologien (hocheffiziente Module für die optimale Ausrichtung, Dünnschichtsysteme für Flach-, Südwest- und Südostdächer sowie Fassaden) für etliche Gigawatt. Und die werden unmittelbar dort erzeugt, wo sie verbraucht werden.

Es entstehen keine Leitungsverluste und keine Verluste durch Transformation ins Hoch- oder Mittelspannungsnetz beziehungsweise aus diesem auf Hausanschlussniveau. Liegt der Schwerpunkt dabei auf gebäudeintegrierter Photovoltaik (BIPV), können zugleich neue optische Akzente am Gebäude gesetzt und zweifelhafte Erscheinungsformen wie die zerstückelten PV-Dachanlagen der Vergangenheit vermieden werden. Eine Aufgabe der Architektur.

Fortschrittliche Architektur hat immer schon visionäre Konzepte verfolgt. Vor 90 Jahren begannen die Gründer des Bauhauses, handwerkliche Funktionalität gestaltend in die Architektur einzuführen; heute gilt Ähnliches, wenn es darum geht, Architektur und Solartechnik miteinander zu verschmelzen. Zunehmend zeigen Objekte, wie die direkte Integration von Solarmodulen ins Gebäude fester Bestandteil von architektonischer Planung und Design werden kann. Dass diese lange Zeit hauptsächlich von Solartechnikern vorangetriebene Verbindung mehr und mehr in die Hand von Architekten übergeht, belegt die wachsende Zahl gemeinsamer Kongresse und Projekte.

Gebäudeintegrierte Photovoltaik kann mehr: Nach gängiger Definition deckt sie mindestens drei Aufgabengebiete ab: Stromerzeugung, Gebäudehülle und Ästhetik. Sie ersetzt Baumaterialien und ist damit ökologisch sinnvoll bei Neubau und Sanierung. Solarelemente übernehmen wichtige Gebäudefunktionen wie etwa den Witterungsschutz, die Beschattung, die Dämmung von und den Schutz vor Schall, die elektromagnetische Schirmdämpfung und nicht zuletzt die Gestaltung.

Die Ästhetik fassadenintegrierter Solarelemente wird maßgeblich von der eingesetzten PV-Technologie bestimmt. Die meistverwendeten kristallinen Zellen schimmern intensiv bläulich, in monokristalliner Ausführung erzeugen sie ein ruhiges und homogenes Erscheinungsbild. Wieder unterschiedlich wirkt Dünnschichttechnologie: In amorphem Silizium oder in CIS-Modulen (Kupfer-Indium-Diselenid) entwickeln die sichtbaren elektrischen Kontakte eine ganz eigene Nadelstreifenoptik.

Teillichtdurchlässig gelasert, lassen diese Module interessante Licht- und Schatteneffekte sowie semiopake Beleuchtungssituationen entstehen. Die unterschiedlichen Farberscheinungen der jeweiligen Dünnschichttechnologie (schwarzes CIS, dunkelblaues bis tiefrotes a-Si, grünlich schimmerndes Cd-Te) beziehungsweise die farbliche Definition kristalliner Zellen durch das Variieren der Antireflexschicht auf dem Glas eröffnen weitere Gestaltungsmöglichkeiten.

Funktionale Energiegewinnung: Solarmodule mitDünnschichtphotovoltaik werden an einem Privathaus (Architekt Franz-Josef Huxol, Paderborn) als Fensterläden eingesetzt. Für Verschattung sorgen weitere PV-Module und solarthermische Röhrenkollektoren.

Kreativ eingesetzte Solaranlagen zeigt das Beispiel eines privaten Wohnhauses in Dörenhagen bei Paderborn (Architekt Franz-Josef Huxol). Die Südfassade mit ihren großzügigen Fensterflächen lässt im Sommer die inneren Wärmeeinträge stark ansteigen. Für die notwendige Beschattung sorgen semitransparente Module, die mit 25 Prozent Neigung über den Fenstern angebracht sind.

Sie halten die Strahlung hoch stehender Sommersonne ab, die tief stehende Wintersonne dagegen kann ungehindert ins Gebäude strahlen und es mit aufheizen. Die Module enthalten zudem bifaciale monokristalline Zellen, die sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite Strom erzeugen und so zusätzlich die Reflexion des weißen Putzes und des Terrassenbelags nutzen. 950 Wp, also knapp ein Kilowatt ­installierter Modulleistung, ergeben auf diese Weise einen im Vergleich überdurchschnittlich hohen Jahresertrag von über 1 000 kWh, fast zehn Prozent mehr als herkömmliche Süddachanlagen in gleicher Lage.

Der Anschaffungspreis von knapp 4 000 Euro amortisiert sich über die gesetzlich geregelte Einspeisevergütung in weniger als zehn Jahren.Eine weitere Besonderheit sind die mit Photovoltaikmodulen versehenen Schiebeläden (basierend auf einer Idee der Berliner Architektin Astrid Schneider), die mit rückseitig angebrachten Rollen auf Schienen laufen. Auf den Läden kommen Dünnschichtmodule zum Einsatz, die nicht nur ein homogenes Bild erzeugen, sondern gerade an Flächen mit ungünstiger ­Ausrichtung – wie im Fall der senkrechten Schiebeläden – Ertragsvorteile bieten. Ergänzend zur photovoltaischen Stromerzeugung nutzt das Gebäude noch die thermische Energieerzeugung mit Vakuumröhrenkollektoren.

Solartankstelle: ein Testobjekt, das in die Zukunft weist. Elektromobilität lebt von dezentraler Energieversorgung.

Zusätzliche Bedeutung gewinnt die solare Energiegewinnung an Gebäuden, wenn die Elektromobilität den heutigen Kinderschuhen entwachsen sein wird. Sie hilft, die nötige Ladeinfrastruktur zu schaffen – sei es in Form privater Solar-Carports, solarer Parkplatzüberdachungen oder ganzer Solarparkhäuser mit PV-Dächern und -Fassaden sowie Schnellladestationen an den Stellflächen.

Solare Mobilität wird darüber hinaus die dezentrale Stromerzeugung an allen Orten gesellschaftlichen Lebens, zu denen sich Menschen in individueller oder kollektiver Verkehrsform bewegen, befördern. Dazu eignen sich alle vorhandenen Sonnenstromtechnologien.Sollen nun überall technisch sinnvolle und gut zugängliche Kopplungspunkte für künftige E-Mobile entstehen, liegt es nahe, die vorhandenen Gebäudestrukturen für die solare Infrastruktur zu nutzen – und dies möglichst ästhetisch, das heißt architektonisch durchdacht und anspruchsvoll.

Die Symbiose von Architektur und Solartechnik wird in diesem Sinne künftig unsere Stadtbilder deutlich stärker prägen als heute. Um Wildwuchs zu vermeiden, sind alle Beteiligten gefordert, gemeinsame Konzepte zu entwickeln. Gerade die gebäudeintegrierte Photovoltaik bietet sich für diese Zwecke an, besitzt sie doch neben dem technischen auch den optischen Mehrwert.

Willi Ernst ist Beirat für Innovationen und neue Technologien der Centrosolar Group AG.

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