Von Willy Bartels und Stefan Sandmann
Es kursiert das Vorurteil, dass sich Entwerfende beziehungswiese ihre Auftraggeber dazu hinreißen lassen, in den Phasen des Vorentwurfs auf Beratung und Begleitung durch Brandschutzfachplaner zu verzichten, um unbeeinflusst kreativ zu arbeiten. Daran gibt es auch nichts auszusetzen, jedoch sollte klar sein, dass bereits zu diesem Zeitpunkt die grundlegenden Geometrien festgelegt werden, die im weiteren Prozess zu schwerwiegenden folgenreichen Umplanungen bis hin zur Ablehnung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens führen können.
Fallstricke im Treppenraum
Der „notwendige Treppenraum“ stellt im Gebäude einerseits eine absolute Notwendigkeit dar, verkommt aber oftmals zu einer reinen Verkehrsfläche, deren Platz auf das Erforderlichste reduziert werden soll. Jeder Planer durfte sich schon einmal die Rechnung des Projektentwicklers anhören, was ein Flächenverlust zugunsten eines Treppenraumes auf den kalkulierten Zeitraum an Mindereinnahmen durch Miete oder veräußerbare Fläche im Verkauf nach sich ziehen würde. Daraus resultiert natürlich, dass der Architekt als Entwerfer ein ureigenes Interesse daran haben sollte, die benötigte „nichtvermietbare Fläche“ für Treppenräume und Erschließungsflure frühzeitig abschätzen zu können. Um die erforderliche Fläche für die vertikale Erschließung definieren zu können, muss der Charakter des Treppenraumes möglichst vollständig erfasst werden. Nicht nur der Anschluss der Wohnungen als Teil des Entwurfsprozesses ist dabei elementar, sondern auch die – abhängig von der Nutzung und der darauf angewiesenen Personenzahl – aus Sonderbauvorschriften oder Richtlinien entnommenen Breiten für Rettungswege und Türen.
Ein besonderer Punkt kommt auf den Planer zu, wenn aus verschiedenen Gründen ein Sicherheitstreppenraum erforderlich ist. Auch ein außenliegender Sicherheitstreppenraum fordert einen deutlich größeren Platzbedarf, bei einem innenliegenden Sicherheitstreppenraum kommen noch zusätzliche Flächen für die jeweiligen Zu- und Abströmschächte hinzu. Daraus können schnell ein bis zwei Quadratmeter Schachtquerschnitte resultieren, was je Treppenraum und Geschoss bis zu vier Quadratmeter zusätzlichen Flächenbedarf ergeben kann.
Auch die Eingangssituationen sowie Belichtungs- und Belüftungsanforderungen können gerade in Treppenräumen in Innenecken zu Problemen mit Gefährdungen aus angrenzenden Wohnungen führen. Diese zu beheben, gelingt oft nur durch massive Eingriffe in die Positionierung und Größen von angrenzenden Nutzungen.
Der zweite Rettungsweg
Auch die Ausführung des zweiten Rettungsweges über die Rettungsgeräte der Feuerwehr bedarf einer sorgfältigen Planung. Lange litt die Sicherstellung dieses Rettungsweges unter weitgehender Missachtung. In der Praxis werden die grundlegenden und erweiterten Regeln der Anleiterung oft zu wenig beachtet oder übersehen. Gerade in diesem Bereich sollte auf die Erfahrungswerte der Brandschutzfachplaner im Umgang mit der Feuerwehr zurückgegriffen werden. Zudem ändern sich die Anforderungen an die Arbeitsumgebung der freiwilligen Feuerwehren und Berufswehren, die in Zeiten von Personalengpässen und aufgrund einer geänderten Arbeitskultur (Pendler zwischen Wohnort und Arbeitsort) längere Anrückzeiten zum Einsatzort benötigen, um zügig mit dem Lösch- und Rettungsangriff beginnen zu können. Das stellt nicht nur für die Architekten eine große Herausforderung dar, sondern fordert auch von mitwirkenden Garten- und Landschaftsarchitekten ein Höchstmaß an Flexibilität und Kreativität.
Nicht zuletzt begrenzt die für Gehwege, Straßen und Überfahrten zuständige Verwaltung häufig die Nutzung der öffentlichen Flächen. Hier bestehen häufig Vorbehalte gegen Aufstellflächen für die Drehleiter, da dadurch eine Verantwortung für das Freihalten von Flächen und Korridoren auf diese Behörden verschoben wird. Dort fehlt jedoch teilweise Personal und Infrastruktur, um das Sichern und Freihalten von Überfahrten und Flächen für die Feuerwehr über Jahrzehnte zu gewährleisten.
Als besondere Herausforderung können sich auch Bestandsbäume herausstellen. Diese werden in besondere Weise geschützt und sollten bereits zum Zeitpunkt der Grundlagenermittlung aufgenommen und berücksichtigt werden. Dabei gilt es, nicht nur den aktuellen und sichtbaren Zustand zu beachten, sondern auch die zukünftige Entwicklung des Baumes (Wachstum, Schnitt) und in vielen Fällen sogar den Wurzelcharakter (Wurzelschutz).
Die Festlegung der zweiten Rettungswege hat aber noch weitreichendere Konsequenzen. So bestehen an die Fenster, welche als Notausstieg genutzt werden sollen, genaue Vorgaben bezüglich Größe und Brüstungshöhen. Ein in der Entwurfsphase zu knapp bemessenes Fenster kann sich in der Ausführungsplanung als großes Hindernis herausstellen. Dabei wirken sich auf die Ausführung der Fenster nicht nur Anforderungen aus dem Brandschutz aus, sondern gleichzeitig aus der Bauphysik, dem Schallschutz, der kontrollierten Wohnraumlüftung und dem sommerlichen Wärmeschutz zum Beispiel in Form eines außenliegenden Sonnenschutzes (Achtung: Reduzierung der lichten Höhe durch nachträglich eingeplante Rollladenkästen). Sind die Anforderungen an die entsprechenden Fenster rechtzeitig festgelegt, kann von Anfang an auf eine ausreichende Größenreserve hingewirkt werden.
Andere Bundesländer, andere Sitten
Selbst ein erfahrenes Architektenteam kann schnell an seine Grenzen stoßen, wenn es die gewohnten Gefilde verlässt. Zwar basieren nahezu alle Landesbauordnungen und Sonderbauverordnungen auf der Musterbauordnung beziehungsweise den Mustersonderbauverordnungen, jedoch besteht für die einzelnen Bundesländer individuelle Gestaltungshoheit. So kann es durchaus sein, dass neben lokalen Besonderheiten (zum Beispiel ländlich geprägt, typische Bauweisen) in manchen Fällen auch politische Interessen im Bauordnungsrecht Niederschlag finden. Die landesspezifischen Unterschiede sind nicht immer auf Anhieb zu erkennen und können sich bis in die Art von Formulierungen und deren Interpretierbarkeit erstrecken. Als Beispiele können die erforderlichen Größen von Notausstiegen (Bayern: 0,60 m x 0,90 m gegenüber 0,90 m x 1,20 m in den übrigen Ländern), Notwendigkeit von Sicherheitstechnik in Großgaragen oder aber auch die Möglichkeit der Verwendung von Holz bei Gebäuden bis zu 22 Meter Oberkante Fertigfußboden in Hamburg aufgeführt werden.
Auch die einzelnen Genehmigungsverfahren unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. So können in einigen Bundesländern unabhängige Prüfingenieure für den Brandschutz ausgewählt werden, in anderen werden sie durch die Bauaufsicht bestimmt. In einzelnen Ländern wird die Prüfung dagegen nur von den zuständigen Bauaufsichten durchgeführt. Auch in der Art der einzureichenden Unterlagen und deren Prüfung bestehen Unterschiede. Abhängig von der Ausprägung und der Größe der Gebäude, werden die Angaben zum Brandschutz entweder geprüft oder verbleiben in der Eigenverantwortung des Entwurfsverfassers.
Der Fehler im Detail
Den genehmigten Brandschutz am Ende korrekt auf das entstehende Gebäude zu übertragen, bedarf von der Seite des Planenden ein gewisses Maß an Grundkenntnis im Brandschutz, insbesondere aber Verständnis für die Umsetzung und den Hintergrund der Schutzziele. Nicht oder nur schwer zu realisierende Anforderungen sollten bereits während der Entwurfsphase erkannt und gegebenenfalls umgeplant werden. So spart man sich und dem Bauherrn Tekturen und damit verbunden weitere Kosten und Verzögerungen. Bleiben trotz der Erfahrung des Architekten und sorgfältiger Abstimmung mit dem Brandschutz in der Ausführungs- und Detailplanung Fragen offen, ist es empfehlenswert, auf einen Brandschutzfachplaner zurückzugreifen. Mit dessen Unterstützung kann in den meisten Fällen eine umsetzbare und schutzzielorientierte Lösung entwickelt werden.
Auch kann es ratsam sein, einen Brandschutzfachplaner hinzuzuziehen, wenn es darum geht, Festlegungen aus dem Konzept oder Forderungen aus der Genehmigung richtig zu interpretieren oder bedarfsweise in Abstimmung mit der genehmigenden Behörde oder Sachverständigen, eine Alternative zu finden. Im Endeffekt kann das beratende Brandschutzbüro aber nicht die vollständige Brandschutzplanung gegenprüfen oder freigeben, so dass die Hauptverantwortung beim Planer verbleibt. Um die Gefahr von kostenintensiven Nachbesserungen auf der Baustelle oder gar Schäden im Falle eines Brandereignisses zu minimieren, empfiehlt es sich aber einen Brandschutzfachplaner beratend hinzuzuziehen. Besonders auch deshalb, weil die gestiegenen Anforderungen aus den Verordnungen und die Erfahrungen aus Brandereignissen die Komplexität beim Brandschutz in einem großen Maß wachsen lassen. Scheinbar höhere Kosten werden bei frühzeitiger Kooperation mit dem Fachplaner meist im Rahmen des gesamten Bau- und Planungsablaufs ausgeglichen.
Dipl.-Ing. (FH) Willy Bartels MEng ist Sachverständiger für den Vorbeugenden Brandschutz und Gesellschafter bei KFP Ingenieure Brandschutz PartGmbB Kusserow Frenzel und Partner Beratende Ingenieure und Sachverständige in Buxtehude.
Dipl.-Ing. Stefan Sandmann ist Sachverständiger für den Vorbeugenden Brandschutz ebenfalls bei KFP Ingenieure
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