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Bauen mit Hanfkalk: Eigenschaften, Vorteile und Anwendung

Hanfkalk dämmt gut, ist wohngesund und kompostierbar. Er kann gemauert, gegossen oder gesprüht werden. Wie und wofür Sie den ökologischen Baustoff mit den vielen Vorteilen einsetzen und was der eine große Nachteil ist.

12.02.20258 Min. Von Björn Heemann Kommentar schreiben
Renovierung eines Bauernhauses mit einer Wand aus Hanfkalk-Steinen

Renovierung eines alten Bauernhauses in Waregem (Belgien) zur Nutzungsänderung, Planung: privat, mit Unterstützung der Firma IsoHemp
IsoHemp

Inhaltsstoffe von Hanfkalk

Hanfkalk besteht aus drei Grundstoffen: Hanf, Kalk und Wasser. Hieraus entsteht der sogenannte Agrarbeton (Alternative zu Hanfkalk ist der Hanflehm).

Hanfschäben

Der größte Bestandteil des Hanfkalks sind mit 80 Prozent die Hanfschäben, der Rest besteht aus mineralischen Bindemitteln (Kalke). Die Hanfschäben sind ein Teil der Hanfpflanze, die als verholztes Element des Hanfstängels gewonnen und genutzt werden.

Hanf ist seit mehr als 12.000 Jahren bekannt für seine positiven Eigenschaften, die über die letzten Jahrhunderte in Vergessenheit gerieten. Hanf ist ein sehr robustes und schnell wachsendes Material, das schon nach fünf Monaten geerntet werden kann. Für ein Einfamilienhaus aus Hanfkalksteinen benötigt man ca. 1 ha Anbaufläche für Hanf.

Kalk

Kalk ist ebenfalls einer der ältesten Baustoffe, die wir kennen. Um genau zu sein, sprechen wir hier von Luftkalk  beziehungsweise hydraulischem Kalk, der als Bindemittel für die Hanfschäben dient. Mit seiner hohen Druckfestigkeit ist Kalk in vielen Bereichen des Bauens einsetzbar.

Interessant ist: Luftkalke erhärten durch Zufuhr von CO2 und sind wasserlöslich, wohingegen der hydraulische Kalk auch unter Wasser erhärten kann.


Rohbau eines Wohnhauses aus Hanfkalksteinen mit Dachstuhl aus Holz

Neubau eines Passivhauses in Puddemin auf Rügen. Die Hanfsteine alleine können keine Lasten abtragen und benötigen ein Tragwerk aus Holzrahmen oder (wie hier) versteckte Betonstützen (s.u.), Planung: Hanfingenieur Henrik Pauly
IsoHemp, Roger Dauer

Eigenschaften und Vorteile von Hanfkalk

Hanfkalk ist ein biobasierter und kohlenstoffarmer Baustoff, der bereits beim Bauen zur Reduzierung der CO2-Emissionen beiträgt. Ein weiterer Pluspunkt ist seine hohe Lebensdauer. Die thermischen Eigenschaften des Hanfkalks ermöglichen einen niedrigen Energiestandard und sogar den Passivhausstandard in monolithischer Bauweise, ohne weitere Dämmung.

Er verringert die Heizkosten bei einem sehr hohen Maß an Wohnqualität. Denn Kalk unterstützt die Feuchtigkeitsregulierung im Raum und innerhalb der Gebäudestruktur und schützt dabei die bauliche Substanz vor Nässe.

Tabelle zu Wärmeleitfähigkeit und Phasenverschiebung von Hanfsteinen und Porenbetonsteinen im Vergleich

Wärmeleitfähigkeit und Phasenverschiebung von Hanfsteinen und Porenbetonsteinen im Vergleich
Björn Heemann

Bei der Wärmeleitfähigkeit entspricht ein niedriger Wert einen höheren Dämmwert. Die Phasenverschiebung beschreibt den Zeitraum der höchsten Temperatur von außen bis zum Erreichen der Temperatur auf der Innenseite.

Vorteile von Hanf

Die Vorteile der Hanfschäben liegen besonders bei folgenden Aspekten:

  • sehr geringes Eigengewicht
  • Aufnahme von Feuchtigkeit bis zur vierfachen Menge des Eigengewichts
  • leicht kompostierbar
  • gurte Wärmedämmung dank poröser Oberflächenstruktur
  • sehr elastisch
  • hervorragende Schallschutzeigenschaften
  • besonders guter Untergrund für Verputzarbeiten

Vorteile von Kalk

Beim Kalk sind die Vorteile:

  • hohe Druckfestigkeit
  • sehr hoher PH-Wert (ca. 12), der schimmelvorbeugend wirkt
  • hohe Aufnahme von Feuchtigkeit und deren Abgabe an die Umgebungsluft.

Vorteile bei der Kombinantion von Hanf und Kalk

Aus der Kombination der drei Grundstoffe des Hanfkalks resultieren weitere Vorteile:

  • hundertprozentig zirkulär (Abschnitte können kompostiert oder als Schüttung verwendet werden), dadurch keine Entsorgungskosten
  • kein Müll, Restmaterial beim Verbauen (Abschnitte und Sägereste) kann verarbeitet oder kompostiert werden
  • kaum Spezialwissen notwendig, Hanfsteine werden wie Porenbetonsteine verarbeitet
  • sehr gut dämmend, hervorragender sommerlicher und winterlicher Wärmeschutz
  • keine giftigen Dämpfe oder Tropfenbildung im Brandfall
  • CO2-positiv
  • sehr langlebig
  • wohngesund und luftreinigend, da Hanfkalk keine giftigen Ausdünstungen freisetzt, sondern sogar Schadstoffe aus der Luft aufnimmt
  • feuchteregulierend und schimmelvorbeugend

Die Zusammensetzung von Hanf und Kalk ermöglicht monolithische Wandaufbauten ohne Gefahrenstellen von Wärmebrücken bei der Verarbeitung. Durch die zahlreichen Zertifizierungen der Hanfprodukte können langlebige Gebäude erstellt werden, die über Generationen erhalten bleiben. Am Ende ihres Daseins kehren sie zurück in den natürlichen Kreislauf – durch einfaches Kompostieren.


Sanierungsarbeiten in einer Kirche mit Hanfkalk-Steinen und Holzdecke

Renovierung und Innendämung einer Kirche in Namur (Belgien) mit Hanfkalksteinen zur Umnutzung in eine Bibliothek, Planung: Stadt Namur
IsoHemp

Anwendungsbeispiele von Hanfkalk

Hanfsteine als Dämmung, Ausfachung oder nicht tragende Wand

Der selbsttragende Hanfstein ist ein Mauerwerkselement, der keine statischen Lasten abtragen kann. Zur statischen Unterstützung ist er auf einen Holzrahmen angewiesen, wobei die Gefache mit Hanfsteinen im Dünnbettverfahren mit Kalk verklebt werden.

Hanfsteine können in Außenwänden als Fassadendämmung verarbeitet werden oder als Innentrennwände vermauert werden. Die zulässigen Höhen für selbsttragende Wände unterscheiden sich durch die jeweilige Steinstärke:

  • 9 cm Stärke: bis 2,50 m Höhe
  • 12 cm Stärke: bis 3,20m Höhe
  • 15 cm Stärke: bis 4,00m Höhe
  • 20 cm Stärke: bis 5,20m Höhe
  • 25 cm Stärke: bis 6,50m Höhe
  • 30 cm Stärke: bis 8,00m Höhe
  • 36 cm Stärke: bis 8,50m Höhe

Gegossene Wände aus Hanfkalk

Außen- oder Innenwände aus Hanfkalk lassen sich auch mit einer Schalung herstellen, vergleichbar mit dem Gießen von Ortbeton. Dabei wird loser und erdfeuchter Agrarbeton in der Schalung verdichtet, bis er ausgehärtet ist und die Schalung entfernt werden kann.

Sprühbarer Hanfkalk

Man kann Hanfkalk auch an die Wände sprühen. Gerade in alten Fachwerkhäusern mit vielen krummen Hölzern ist das eine hervorragende Möglichkeit, hohlraumfrei Wände zu verfüllen.

Unterkonstruktion für Kalkestriche

Ein weiterer Einsatzbereich ist die Unterkonstruktion für Kalkestriche. Hier werden die Steine auf der Seite liegend lose auf der Bodenplatte verlegt. Geeignet sind zum Beispiel Steine mit 12 cm Stärke, sodass ein 12 cm hoher Bodenaufbau entsteht. Dieser wird dann mit ca. 8 cm Kalkestrich überzogen.

Flachgründung aus Agrarbeton

Auch eine Alternative zur Flachgründung aus Beton kann mit Agrarbeton hergestellt werden. Als kapillarbrechende Schicht werden 40 cm Schaumglasschotter auf 30 cm verdichtet. Darauf wird eine ca. 25 bis 30 cm starke erdfeuchte Hanfkalkmischung verteilt, auf der ebenfalls der ca. 8 bis 10 cm starke Kalkestrich verlegt wird. Das garantiert einen ökologisch wertvollen Aufbau, der diffusionsoffen, kapillaraktiv, schimmelvorbeugend und wohngesund ist. Dieser Aufbau ist nicht lastabtragend und muss beispielsweise durch punktuelle Schraubfundamente unterstützt werden.

Rohbau eines Wohnhauses mit Hanfkalk-Steinen und Flachdach

Neubau mit dem Hempro-System in Yvoir (Belgien), Planung: Architekturbüro Artema, Luc Tillé
IsoHemp

Hanfsteinmauerwerk als verlorene Schalung

Ein Sonderfall sind am Markt erhältliche Schalungssteine mit Loch und in U-Form (Hempro-System von Isohemp). Integriert in das Mauerwerk aus herkömmlichen Hanfsteinen, werden sie mit Beton zu einem unsichtbaren, tragenden Skelett verfüllt. So entsteht zwar ein monolithischer Wandaufbau ohne zusätzliche Dämmung, jedoch mit Nachteilen bei der Ökobilanz. Im Sinne einer konsequent ökologischen und zirkulären Bauweise wäre ein Holztragwerk sinnvoller.


Sanierung mit Hanfsteinen

Im Bereich der Sanierung können die Hanfsteine als Innenschale der Außenwand vermauert werden. Diese Anwendung findet man häufig in denkmalgeschützten Häusern, damit die Fassade erhalten bleiben kann. Sie dienen somit als Innendämmung mit den bereits genannten Vorteilen. Die poröse Oberfläche ist ein idealer Untergrund für das Anhaften von plastischen Putzen, wie beispielsweise Lehm- oder Kalkputz. Beim Anwurf verkrallt sich der plastische Putz mit der Oberfläche des Hanfsteins.

Die zumeist nicht lotrechten historischen Außenwände werden zusätzlich mit einer Hanfschüttung hinterfüllt, um Wärmebrücken zu verhindern. Damit werden die beiden Mauerwerkselemente vollständig verknüpft und es entsteht kein Hohlraum zwischen den beiden Mauern. Historische Gebäude wurden meistens mit Kalkmörtel vermauert. Über die Fugen der Außenwand, kann der Feuchtetransport von Innen nach Außen ohne Unterbrechung gewährleistet werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass der Kalk ein NHL (natural hydraulic lime) Kalk ist, der somit von weiteren Zuschlägen wie beispielsweise Zement frei ist.

Entsorgung und Recycling von Hanfkalk

Die Hanfkalksteine lassen sich nach ihrer Anwendung sehr einfach kompostieren oder aber auch recyceln. Weil Hanfsteine bei einer Demontage wahrscheinlich beschädigt werden, kann man sie nicht direkt wiederverwenden. Aus den Resten lassen sich aber neue Steine oder neuer Sprühkalk herstellen. Das gewonnene Material kann auch als lose Schüttung verwendet werden (evtl. als Hinterfüllung von Luftraum).


Kosten und Lebensdauer von Hanfkalk

Die Investition in ein Hanfkalk-Produkt amortisiert sich im Laufe der Jahre in vielerlei Hinsicht, wenn man die zahlreichen Vorteile (s.o.) berücksichtigt.

Tabelle zu Lebensdauer und Kosten von Hanfsteinen und Porenbetonsteinen im Vergleich

Lebensdauer und Kosten von Hanfsteinen und Porenbetonsteinen im Vergleich
Björn Heemann

Das Verhältnis zwischen Investition und Lebensdauer, ist in diesem Beispiel gut erkennbar. Natürliche Materialien sind im ersten Moment teurer, aber über die Jahre amortisiert sich der finanzielle Aufwand. Zudem schützt ein ökologisch geplanter Boden-, Wand-, Decken- und Dachaufbau vor weiteren Bauschäden, was weitere Spätkosten verhindert. Aber auch die Bewohner des Gebäudes leben in dieser Zeit wohngesund, dank der hervorragenden Eigenschaften der Materialien.


Fazit: universelles, nachhaltiges und gesundes Baumaterial

Hanfkalk ist ein universeller Baustoff, der in vielen Bereichen eingesetzt werden kann. Die Verarbeitung muss nicht durch speziell geschulte Handwerker erfolgen (ausgenommen Sprühkalk), wodurch konventionelle Handwerksbetriebe schnell auf den Baustoff umstellen können. Durch seine vorteilhaften Eigenschaften erzeugt er neben dem positiven Raumklima auch eine sehr gute CO2-Bilanz. Denn wie bereits länger bekannt ist, ist die Bauindustrie für ca. 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich, sowie für ca. 50 Prozent des Abfalls. Das sind enorm hohe Werte, die schnellstens gesenkt werden müssen. Mit natürlichen Baustoffen wie mit dem Hanfkalk können wir diese Ziele schnell und nachhaltig erreichen.


Björn Heemann ist Architekt (FH) und Lehmbauunternehmer in Bruchhausen-Vilsen sowie Berater und Dozent für ökologische Bauweisen.

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