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Innen richtig dämmen

Vor einer Innendämmung muss die gesamte Konstruktion des Gebäudes analysiert werden. Auch bei der Materialwahl stellen sich komplexe Fragen

01.10.20118 Min. Kommentar schreiben
Acht Zentimeter Innendämmung: Bei dieser Dämmstoffstärke wird ein feuchtetechnischer Nachweis gefordert.

Von Jürgen Gänßmantel

Können aus bautechnischen, baurechtlichen oder gestalterischen Gründen Fassaden nicht von außen gedämmt werden, ist die Innendämmung oft die einzige Möglichkeit. Dadurch werden die technischen Eigenschaften der meist massiven Wand geändert. Zum Beispiel kann sich das Brandverhalten bei Verwendung von entflamm- oder brennbaren Dämmstoffen verschlechtern. Zudem verkleinern sich Wohn- oder Nutzflächen, der Raumeindruck verändert sich und das Befestigen von Gegenständen an den Wänden kann erschwert sein. Von wesentlich größerer Bedeutung sind jedoch die bauphysikalischen Herausforderungen: erhöhtes Tauwasserrisiko, der Einfluss von Wärmebrücken und Bauteilanschlüssen, wie etwa Fensterleibungen, Innenwände oder einbindende Decken und die Reduzierung des Trocknungspotentials. Schließlich besteht bei nicht luftdichten Hohlkonstruktionen die Gefahr, dass feuchtwarme Raumluft in das Bauteil gelangt und an der kalten Außenwand kondensiert.

Bauphysikalische Kenngrößen und Einflussfaktoren

Basis einer fachgerechten, vollständigen und schadensfreien Planung ist die Kenntnis der entsprechenden bauphysikalischen Kenngrößen und ihrer Zusammenhänge sowie die Beachtung aller Bauteilschichten eines Innendämmsystems. Wesentliche hygrothermische Einflussgrößen sind der Wärmedurchgangswiderstand (R) der Innendämmung und die Schlagregenbeanspruchung der bestehenden Konstruktion, die äußere klimatische Belastung und das (nutzungsabhängige) Innenraumklima, der Diffusionswiderstand (sd-Wert) zur Beurteilung des Austrockungspotentials der Außenwand und der in der Konstruktion gegebenenfalls entstehenden Tauwassermengen und schließlich die kapillare Leitfähigkeit von Wasser innerhalb der Baustoffe sowie die Eigenschaften der raumseitigen Oberflächen der Außenwand. Hierbei spielen besonders die Tragfähigkeit und die Feuchtebeständigkeit beim Einsatz einer Innendämmung eine große Rolle.

Feuchtetechnischer Nachweis von Innendämmsystemen

Um ein Innendämmsystem umfassend beurteilen zu können, muss ein Planer die gesamte Konstruktion feuchtetechnisch in einem geeigneten Nachweisverfahren analysieren. Ein innenseitig zu dämmendes Bauteil ist nicht nur einem Feuchteeintrag durch Wasserdampfdiffusion bzw. Konvektion von Raumluft, sondern auch Schlagregen von außen ausgesetzt.

Es hängt von der Intensität der Schlagregenbeanspruchung und der Konstruktionsart ab, ob bereits ein konstruktiver Schlagregenschutz nach DIN 4108, Teil 3, Abschnitt 5, Tabelle 3 ausreicht. Als solcher genügt in Regionen mit der höchsten Schlagregenbeanspruchungsgruppe III zum Beispiel bei Außenwänden aus Mauerwerk oder Beton ein wasserabweisender Außenputz mit einem Wasseraufnahmekoeffizient von w ≤  0,5 kg/(m²√h). Die Wasseraufnahme der Fassaden lässt sich in jedem Fall nachträglich mit geeigneten Beschichtungs- oder Imprägnierungssystemen reduzieren.

Ein feuchtetechnischer Nachweis ist nicht erforderlich, wenn die Konstruktion der Außenwand den in DIN 4108 Teil 3, Abschnitt 4.3 angegebenen Schlagregen geschützten Konstruktionsweisen entspricht. In diesen Fällen gilt für die Innendämmung Ri ≤ 1,0 m²K/W. Zudem muss der sd-Wert des gesamten Systems (Dämmstoff inklusive Beschichtungen) mindestens 0,5 m betragen. Bei Holzwolle-Leichtbauplatten nach DIN 1101 ist die Bedingung Ri ≤ 0,5 m²K/W zu erfüllen.

Eine besondere Situation sind Altbauten, deren Wandkonstruktionen nicht mit einem vereinfachten Nachweis berechnet werden können und bei denen ein besonders hohes Dämmniveau gefordert ist, wenn beispielsweise die aktuelle EnEV eingehalten werden muss. In solchen Fällen müssen in Abhängigkeit von den kapillaren Eigenschaften des Untergrundes und dem angestrebten R-Wert bestimmte Mindest-sd-Werte des inneren Aufbaus (Dämmung plus Dampfbremse) eingehalten werden. Nur so lässt sich vermeiden, dass sich Tauwasser anreichert beziehungsweise zu hohe Feuchtewerte (im Sinne einer maximalen Gleichgewichtsfeuchte von 95 % r. F.) entstehen.

Für diese Fälle liefert das WTA-Merkblatt 6-4 eine Planungshilfe. Unter bestimmten nachzuweisenden Voraussetzungen kann dann eine Verbesserung des Wärmedurchgangswiderstands Ri ≤ 2,5 m²K/W (bei kapillaraktivem Untergrund) bzw.≤  2,0 m²K/W (bei unbekannten Untergründen) erreicht werden. Bestehen begründete Zweifel, dass die Bedingungen für einen vereinfachten Nachweis nicht gegeben sind (beispielsweise bei einem erhöhten Wassergehalt der Bauteile), muss der Nachweis mit einer hygrothermischen Simulationsrechnung erfolgen.

Vorgehen bei der Materialauswahl

Ein Beispiel dafür, wie komplex die Auswahlkriterien für Innendämmsysteme zusammen hängen, ist die Materialtabelle für Innendämmungen bei Fachwerken nach WTA-Merkblatt 8-5. Denn nicht nur der Wärmeschutz ist entscheidend, sondern auch andere Schutzziele wie Brand-, Schall- und Feuchteschutz. Die Anwendbarkeit der unterschiedlichen Systemgruppen – plastische Dämmstoffe (Putze/Mörtel), plattenartige Dämmstoffe und Vorsatzschalen – hängt wiederum vom Bauwerk selbst und der angestrebten Verbesserung der Energieeffizienz ab. Die „Eier legende Wollmilchsau“ der Innendämmung gibt es nicht!

Innendämmsysteme mit Dampfbremsen (Vorsatzschalen)

Bei einer Innendämmung wird aus diffusionstechnischen Gründen häufig eine (idealer Weise feuchtevariable) Dampfbremse auf der Innenseite der Wärmedämmung vorgesehen. Konstruktiv bedingt wird diese jedoch überall dort unterbrochen, wo die Geschossdecken und Innenwände an die Außenwand stoßen. Zudem ist die Gefahr groß, dass die Dampfbremse ihre Funktion verliert, wenn beispielsweise nachträgliche Installationen vorgenommen werden oder wenn während der Nutzung eine mechanische Beschädigung durch Befestigungselemente erfolgt.

Für eine Innendämmung mit Dampfbremse ist daher nicht nur ein besonderer Nachweis vonnöten – eine solche Konstruktion bedarf auch einer sehr sorgfältigen Ausführung mit entsprechender baubegleitender Überwachung. Auch der spätere Nutzer sollte über die bauphysikalischen Besonderheiten einer solchen Wand informiert sein und damit umgehen können. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, sollte man grundsätzlich von einer Innendämmung mit Dampfbremse absehen. Gleiches gilt, wenn ein kapillarer Feuchtetransport nach innen ermöglicht werden soll.

Innendämmsysteme mit kapillar leitfähigen Dämmstoffen

Kapillar leitfähige Dämmstoffe haben sich im praktischen Einsatz als vorteilhaft erwiesen. Bei diesen Baustoffen kann in der Regel auf eine zusätzliche Dampfbremse verzichtet werden, da eine Feuchteerhöhung in den Poren aufgenommen und verteilt werden und bei entsprechenden Voraussetzungen schnell wieder abtrocknen kann.

Plastisch verarbeitbare Innendämmungen wie Wärmedämmlehme oder Wärmedämmputze haben zwar erhöhte Wärmeleitfähigkeiten, werden aber direkt mit dem Untergrund verbunden, wodurch die Dämmschicht nicht hinterströmt werden kann. Da sie feucht eingebaut werden, muss auch der Untergrund feuchtebeständig sein. Für die Phase der Austrocknung und Erhärtung muss außerdem ein entsprechend trockenes Baustellenklima gewährleistet werden, da sich andernfalls Schimmelpilz bilden könnte.

Die Wärmeleitfähigkeiten plattenartiger Innendämmungen sind besser und sie sind einfacher zu verarbeiten, weil sie bereits trocken und ausgehärtet sind. Ohne einen planebenen Untergrund besteht jedoch die Gefahr, dass die Dämmschicht hinterströmt wird. Die Montage darf daher nur mit einem auf die Dämmplatte und den Untergrund abgestimmten Klebemörtel erfolgen.

Interessant bei Innendämmungen – unabhängig von der Materialart – sind besonders bei historisch bedeutender Bausubstanz die großen Verbesserungsmöglichkeiten selbst mit geringen Dämmstoffdicken. Ein ΔRi von nur 0,5 m²K/W entspricht einem 35 mm dicken Wärmedämmputz (λ = 0,07 W/(mK)). Damit werden die Wärmeverluste einer Altbauwand jedoch bereits um etwa die Hälfte reduziert – mehr oder weniger unabhängig davon, wie gut oder schlecht die Wärmedämmeigenschaften des Bestandsgebäudes waren!

Wenig ist oft mehr: die ersten Zentimeter nachträglicher Innendämmung bringen die entscheidende Verbesserung der Energieeffizienz, oft ohne weitere Schäden am gedämmten Bauteil zu bewirken.

Wärmebrückenproblematik

Am Übergang von gedämmten zu nicht gedämmten Bereichen sinkt die Temperatur im Bauteil sowie an dessen Oberfläche. Besonders gefährdet sind bei innenseitig gedämmten Gebäuden ungedämmte Fensterbereiche mit denkmalgeschützter Einzelverglasung, ungedämmte Fenster und Außentürleibungen, Anschlüsse von Innenwänden und Decken sowie der Bereich um Balkenköpfe im Außenmauerwerk.

Fenster

Wenn man als Innendämmung plastische Dämmstoffe vorsieht, lassen sich damit gut denkmalgerechte Lösungen für alte Fensterkonstruktionen finden. So kann man beispielsweise einfach verglaste Fenster mit Kastenfenstern kombinieren, indem man die Fensterleibungen wie im nächsten Abschnitt beschrieben dämmt. Die Innendämmung wird dann direkt ohne einen Luftspalt an die Einfassung des Kastenfensters angeschlossen und dort abgedichtet.

Fenster- und Außentürleibungen

Oft kann die Dämmung im Leibungsbereich nur wenige Zentimeter dick sein. Deshalb sollte idealerweise ein kapillar aktiver Dämmstoff mit hoher Dämmwirkung gewählt werden.

Anschlüsse  Innenwände

Abhängig vom Dämmniveau müssen Wandanschlüsse unter Umständen zusätzlich „in den Raum hinein“ gedämmt werden. Je nach Dämmniveau können diese „raumgreifenden“ Dämmzonen an Innenwänden ab 30 Zentimeter bis zu einem Meter in den Raum reichen. Auch das Anbringen sogenannter Temperaturleitbleche ist möglich.

Anschlüsse Decken

Grundsätzlich sollten auch Geschossdecken wie Innenwände „in den Raum hinein“ gedämmt werden. Es ist ratsam, umlaufende Stuckprofile mit Holzkonstruktion vor dem Auftrag der Innendämmung zu entfernen. So lässt sich die Dämmung möglichst weit in den Bereich der Decken führen. Nach Abschluss der Arbeiten können die Stuckprofile gekürzt, wieder montiert und neu mit Gips beschichtet werden. Alternativ können Spezialstuckprofile mit geringer Rohdichte und verlängertem Deckenschenkel verwendet werden.

Holzbalkenköpfe

Das Risiko der Auffeuchtung und Schädigung von Holzbalkenköpfen sinkt, wenn die Dämmung von allen Seiten dicht an die Balken angestoßen und ein geeigneter luftdichter Anschluss hergestellt wird. Dazu muss allerdings die Holzbalkendecke geöffnet werden. Will man darauf verzichten, muss man die Innendämmung von oben und unten luftdicht an die Decken stoßen.

Fazit

Die energetische Modernisierung von Altbauten mit Innendämmung ist schadensfrei grundsätzlich möglich, bedarf jedoch einer besonders sorgfältigen Planung und gewissenhaften Ausführung. „Wenig hilft bereits viel“ ist dabei ein wichtiger Grundsatz. Besonders zu beachten sind neben der Bemessung und Dimensionierung der Dämmstoffdicke, der Auswahl geeigneter Materialien und deren fachgerechte Anwendung auch die notwendigen flankierende Maßnahmen. Hilfestellung dabei geben die WTA-Merkblätter, die laufend aktualisiert und thematisch erweitert werden und der 2011 neu gegründete Fachverband Innendämmung (FVID).

Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Gänßmantel ist Inhaber eines Ingenieur- und Sachverständigenbüros in Dormettingen.

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