Martin Paal, Irmelin Ehrig
Es gibt sehr viele Wohnhäuser im Bestand, bei denen es lohnt, die Fenster zu reparieren anstatt zu erneuern. Kastendoppelfenster zum Beispiel in Gründerzeithäusern. In den letzten Jahren wurden neue Verfahrensweisen und Materialien entwickelt, die eine langlebige Sanierung der alten Bauteile ermöglichen. Tischler, Maler und Glaser müssen dabei eng zusammenarbeiten, Materialeigenschaften und die einzelnen Arbeitsabläufe ökonomisch in den Gesamtprozess eingebunden werden.
Wie die meisten Altbaufenster sind Kastendoppelfenster handwerklich hochwertig hergestellte Bauteile und verfügen daher über eine außergewöhnlich gute Materialsubstanz. Wer sich für deren Erhalt entscheidet, stößt zunächst oft auf abschreckende Schadensbilder – vor allem dann, wenn die Wartung der Fenster vernachlässigt wurde. Doch selbst stark schadhafte Holzfenster lassen sich nachhaltig instandsetzen und in einen technisch und optisch einwandfreien Zustand verwandeln.Kastendoppelfenster sind nicht nur harmonisch proportionierte und die Zeit überdauernde Bauteile. Sie tragen gleichzeitig zu einer ausgewogenen Raumklimatisierung bei und wirken – im Vergleich zu Einfachfenstern – wärme- und schalldämmend.
Trotz dieser positiven Eigenschaften ist eines der entscheidenden Argumente für einen Komplettaustausch der Kastenfenster ihr zu geringer Uw-Wert von ca. 2,5 W/m2K. Hierbei wird allerdings übersehen, dass die Bauteiltiefe eines Kastendoppelfensters für einen unproblematischen Temperaturverlauf im Bereich der Außenwandanschlüsse sorgt. Das heißt: Die Oberflächentemperaturen bleiben über dem schimmelpilzkritischen Bereich von 12,6 Grad Celsius. Werden Kastendoppelfenster durch Isolierglasfenster ersetzt, verlaufen die Isothermen in der Außenwand so, dass deutlich kältere Oberflächen an der Innenlaibung die Folge sind (siehe Grafik unten). Diese Temperaturdifferenz führt in vielen Fällen zu Schimmelbildungen im inneren Anschlussbereich der Fenster.
In den letzten Jahren haben das ift Rosenheim, die Fachzeitschriften, die Lackindustrie und diverse Verbände eine große Zahl von technischen Regeln für die langlebige Fenstersanierung zusammengetragen und veröffentlicht. Einzelne dieser Bearbeitungsregeln werden auszugsweise im Folgenden erläutert.
Lackschäden beheben
Es ist nicht grundsätzlich notwendig, den gesamten Altanstrich zu entfernen. Wenn der Bestandslack über eine gute Standfestigkeit verfügt und keine Risse aufweist, hat er sich bestens bewährt und bietet einen hervorragenden Untergrund für weitere Beschichtungen. Sämtliche – nicht einwandfreien – Lackoberflächen müssen allerdings durch Abschleifen oder Abbrennen sorgfältig entfernt werden. Die freigelegten Holzoberflächen werden mit einer RAL-geprüften Holzimprägnierung (Bläueschutzgrund) beschichtet. Dieser Arbeitsschritt wird oft vernachlässigt, die Imprägnierung ist aber wichtig. Da sie in der Regel farblos ist, empfiehlt sich zur Kontrolle bereits behandelter Flächen eine leichte Einfärbung. Aber Vorsicht: Auf den intakten Bestandslackflächen darf die Imprägnierung nicht aufgetragen werden. Diese Bereiche werden sorgfältig angeschliffen, damit sich die folgende Beschichtung mit der Oberfläche „verkrallen“ kann. Scharfkantige (farbfreie) Ecken der Profile müssen abgerundet werden, um hier eine gleichmäßige Schichtdicke aufbringen zu können. Vor dem ersten Voranstrich ist außerdem die Holzfeuchtigkeit zu messen. Liegt diese über 15 Prozent, kann keine Beschichtung langfristig halten.
Von der Lackindustrie werden heute sehr überzeugende Produkte für den Sanierungsbereich angeboten. Diese funktionieren aber nur bei fachgerechter Verarbeitung. Daher bieten die Lackindustrie oft eine Fachberatung vor Ort an. Diesen Service sollte der bauleitende Architekt nutzen, weil so das passende Anstrichsystem ermittelt werden kann. Auskünfte über Trockenzeiten, zulässige Verdünnungen, Schichtdicken etc. können aus erster Hand geklärt werden.
Holzschäden reparieren
Bei fast jeder Instandsetzung sind Reparaturen von Holzschäden erforderlich. In machen Fällen ist am Blendrahmenunterstück ein ausreichender Stufenfalz herzustellen. Oft müssen die Eckverbindungen der Fenster neu verleimt oder die Fensterecken erneuert werden. Schadhafte oder ungeeignete Wassernasen sind zu ersetzten. Grundsätzlich müssen sämtliche freigelegten Holzflächen auf Schäden untersucht werden. Vergraute oder durch Fäulnis beschädigte Holzschichten werden vollständig entfernt. Anschließend sind Passstücke zu setzen. Die Schadstellen können aber auch mit einem geeigneten Reparaturspachtel bearbeitet werden – eine kostengünstigere und qualitativ gleichwertige Alternative, die allerdings unter Denkmalpflegern umstritten ist. Anspruchsvoll in der Verarbeitung, aber überzeugend im Ergebnis ist die 2K-Reparaturmasse der Firma Window-Care. Die ausführenden Firmen müssen sich für die fachgerechte Anwendung dieses Systems durch eine mehrtägige Schulung zertifizieren lassen.
Kittschäden ausbessern
Schon durch kleine Undichtigkeiten der Kittanschlüsse kann Feuchtigkeit ins Innere der Fensterflügel dringen und langsam, aber unbemerkt den Flügelquerschnitt von innen zerstören. Auch im Zwischenfutter eines Kastendoppelfensters und im Gebäudeinneren kann eine ernstzunehmende Luftfeuchtigkeit entstehen, die zu Kondensat auf den Scheiben führt. Daher sollten die inneren Holz-Glas-Anschlüsse (Lichtschrägen) der Außen- und Innenflügel mit einem geeigneten Material – niemals Silicon – versiegelt werden. Neue Produkte mit technischen Eigenschaften gewähren u.a. größere Flexibilität und bessere Trockenzeiten vor dem Folgeanstrich als der weit verbreitete Leinölkitt.
Zusätzliche Dichtungen einbauen
Die Funktionsweise eines Kastendoppelfensters beruht bekanntlich auf einer Zwangsbelüftung des Kastenzwischenraumes. Diese muss bei der Sanierung grundsätzlich erhalten werden: Die innere Flügelebene wird möglichst dicht gegen Zugluft ausgebildet, während die äußere Flügelebene eine geringe Luftzirkulation nach außen zulassen soll, um der Bildung von Tauwasser entgegen zu wirken. Eine bewährte Methode, die Luftdurchlässigkeit der inneren Flügelebene zu verringern, ist das Einfräsen von so genannten Schlauchdichtungen. Diese Schlauchdichtungen erhöhen zugleich die Schalldämmwerte. Insbesondere in Kombination mit dem Einbau stärkerer Glastafeln können ca. 6–9 dB Verbesserung erreicht werden. Zu beachten ist, dass die Dichtungsnut nach dem Fräsvorgang imprägniert wird und dass die Schlauchdichtungen umlaufend in einer Ebene verlegt werden.
Wärmeschutz erhöhen
Die Aufrüstung eines Altbaufensters für den Wärmeschutz ist in vielen Fällen auch ein formales Problem; denn die schlanken Ansichten der Profile sollten so weit wie möglich erhalten bleiben. Den Schwachpunkt der Wärmedämmung bilden die meist nur vier Millimeter starken Scheiben der inneren und äußeren Flügel. In die innere Flügelebene, die auch gegen Zugluft abgedichtet wird, kann ein pyrolytisch beschichtetes Wärmeschutzglas eingebaut werden. Diese Beschichtung reflektiert die Wärmestrahlung und verbessert so den Uw-Wert auf durchschnittlich ca. 1,7 W/m2K. Effektiver, aber aufwändiger ist der Einbau einer Isolierverglasung in die inneren Flügel: eine 24 Millimeter starke Standardisolierverglasung trifft auf den höchst filigranen Glasfalz. Die einzige Möglichkeit, diesen Glasfalz zu vergrößern, besteht in einer umlaufenden Aufdopplung des Flügels. Um die Aufdopplung der Fensterflügel möglichst schwach zu halten, bietet es sich an, Isolierverglasungen mit geringerer Gesamtstärke einzubauen. Allerdings sind die Uw-Werte dieser Verglasungen entsprechend höher. In Zusammenarbeit mit der ausführenden Tischlerfirma sollten vorab die Anschlagdetails und die Glasbefestigung des aufgedoppelten Flügels genau definiert werden. Bei Kastendoppelfenstern sind diese Maßnahmen verhältnismäßig einfach umzusetzen. Anders beim Umbau von Einfachfenstern.
Werden Einfachfenster in ihrer (außenliegenden) Flügelebene aufgedoppelt, kann die räumliche Tiefenwirkung zwischen Flügel, Blendrahmen und Schlagleiste bzw. Pfosten verloren gehen. Deshalb ist es grundsätzlich sinnvoll, die Maßnahmen zeichnerisch detailliert zu planen und an einem Musterfenster zu überprüfen. Ist eine Sprossenteilung vorhanden, kann diese aufgrund der zu schwach dimensionierten Profile bei einer Isolierverglasung oft nicht im Original erhalten werden. Es ist aber möglich, die Originalsprossen durch angefertigte Nachbildungen zu ersetzen. Diese werden auf das Fensterglas aufgeklebt. Idealerweise entsprechen die aufgeklebten Sprossen den Abmessungen der Originalsprossen. Bei Verwendung der so genannten Wiener-Sprosse im Scheibenzwischenraum ist darauf zu achten, die Oberflächen der Abstandhalter zwischen den Scheiben dem Fenster farblich anzupassen.
Qualität sicherstellen
Die technischen Regeln einer fachgerechten Sanierung sind zu umfangreich, um vom Architekten in Leistungsverzeichnissen oder bei der Bauleitung vollständig berücksichtigt zu werden. Bei Erstellung der Ausschreibung sollten daher die durchzuführenden Arbeiten nicht für jedes Fenster detailliert, sondern zusammenfassend beschrieben werden – natürlich mit Hinweisen auf die entsprechenden Regelwerke. In Ergänzung mit einer quantitativen Auflistung der zu bearbeitenden Bauteile kann der erfahrene Handwerker nach einer Ortsbesichtigung den Aufwand für die fachgerechte Durchführung der Sanierung angemessen kalkulieren. Außerdem ist es hilfreich, die beteiligten Gewerke möglichst durch einen Hauptauftrag an eine Firma zu vergeben. So können eventuelle Gewährleistungsansprüche wesentlich einfacher umgesetzt werden. Eine Firma mit entsprechendem Erfahrungspotenzial ist durchaus in der Lage, eine überzeugende Gewährleistungsdauer anzubieten. Dadurch verlagert sich die Kontrollfunktion bei der Ausführung der Arbeiten zu einem großen Teil auch auf den Unternehmer, da er das Risiko der Mangelbeseitigung trägt. Selbstverständlich sollte im Vorfeld die Qualifikation der ausführenden Firma besonders sorgfältig geprüft werden und dabei auch auf die fachlichen Schwerpunkte, wie Seminar- und Fortbildungsnachweise geachtet werden.
Martin Paal ist Architekt und Inhaber der Firma Viktoria Bausanierung in Berlin.
Irmelin Ehrig ist Journalistin und Kommunikationsberaterin für Architekten.
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