Text: Bernhard Kopff
Wohngebäude werden zunehmend in Holzbauweise errichtet. Nicht nur bei Bauherren von Einfamilienhäusern liegt der ökologische Baustoff im Trend, auch die Zahl mehrgeschossiger Gebäude steigt weiter an. Doch so umweltfreundlich das Bauen mit Holz ist, es erfordert vom Architekten im Vergleich zum Mauerwerksbau eine veränderte Planung. Das gilt auch für die Modernisierung von Gebäuden mit Holzbalkendecken – zum Beispiel bei Dachgeschossausbauten oder Aufstockungen. In beiden Fällen führten oft schon einfache Konstruktionen zu komplexen Bauteilen mit hohem Schadenspotenzial und extrem aufwendiger Sanierung. Betroffen sind in der Regel die Bereiche, wo Holz, wenn es feucht wird, nicht trocknen kann. Bei Flachdächern sowie Balkonen und Terrassen auf Holzbauten ist daher das Schadensrisiko besonders hoch. Deshalb wurde auf dem Kongress Holzschutz und Bauphysik im Februar 2011 in Leipzig bekannt gegeben, dass der Einbau von Dampfsperren mit einem sd-Wert größer 100 Meter mit außenseitiger dampfdichter Holzkonstruktion entgegen den gültigen Normen nicht mehr den Regeln der Technik entspricht. Um den Planern Lösungen anzubieten, wurden in diesem Zug von den Referenten sieben Regeln für ein Flachdach ohne bauphysikalischen Nachweis aufgestellt. Wer davon abweichen möchte oder muss, sollte über ausreichend Erfahrung und solide Bauphysikkenntnisse verfügen.
Regel 1:
Erforderliches Gefälle >3 %, beziehungsweise 2 % nach Verformung
Das Gefälle soll dafür sorgen, dass Wasser von der Abdichtung vollständig ablaufen kann und sich keine Pfützen bilden. Die Fläche wird dadurch statisch entlastet (Wasserdruck) und die Feuchtediffusion bleibt erhalten. Bleibt Wasser stehen, kühlt sich die Dichtungsbahn in diesem Bereich deutlich ab und an ihrer Rückseite schlägt sich Wasserdampf nieder. Weil flüssiges Wasser dampfdiffusionsdicht ist, kann das Wasser nicht durch die Abdichtungsbahn ausdiffundieren.
Regel 2:
Dunkle und unverschattete Oberflächen
Dunkle Oberflächen erhöhen die Temperatur und damit die Austrocknung der Dachabdichtung. Die Wasserdampfdiffusion durch die Dachbahn wird deutlich verstärkt. Bei fehlender Sonneneinstrahlung kühlen die Flächen dagegen besonders stark aus. Auch die Verschattung verhindert die Erwärmung und damit die Trocknung der Abdichtung – nicht nur nach außen hin, sondern auch die Rücktrocknung nach innen. Das wird häufig unterschätzt. Diese Zustände lassen sich durch eine Aufdachdämmung deutlich verbessern, denn die Dachschalung kühlt dann nicht mit der Oberfläche aus und es kann an ihr kein Kondenswasser entstehen.
Regel 3:
Keine Deckschichten aufbringen
Deckschichten aus Begrünung, Bekiesung oder auch aufgeständerte Laufbeläge für Terrassen oder Balkone verändern die bauphysikalische Situation in der Dachkonstruktion erheblich. Sie verhindern, dass Niederschlagswasser auf der Abdichtung trocknen kann, und sorgen dafür, dass an der Unterseite Wasserdampf-Kondensat entstehen kann. Diese Feuchtigkeit bildet dann für Hausschwamm und Co. einen idealen Nährboden.
Regel 4:
Feuchtevariable Dampfbremse innen
Eine feuchtevariable Dampfbremse verschließt bei hoher Feuchtigkeit ihre Poren zur Raumseite hin und öffnet sie wieder, wenn die Luft im Raum trockener als die Dämmung ist. Dadurch wird eine Rücktrocknung ermöglicht und in der Dämmung eine zu hohe Feuchtigkeit verhindert. Dennoch ist hier Vorsicht geboten. Wegen der hohen Kosten für die bauaufsichtliche Zulassung gibt es nach meinem Kenntnisstand keine bauaufsichtlich zugelassene feuchtevariable Dampfbremse. Ihr Einbau ist demnach mit dem Bauherrn stets gesondert zu vereinbaren.
Regel 5:
Keine unkontrollierbaren Hohlräume auf der kalten Seite
Unkontrollierbare Hohlräume sind Luftschichten mit zu schwacher Hinterlüftung. Dazu zählen bereits nicht einwandfrei verlegte Dämmungen. Selbst ein circa ein Zentimeter breiter Spalt genügt, dass sich darin Feuchtigkeit sammelt und den Pilzen als Lebensgrundlage dient. Überhaupt ist die geplante Hinterlüftung als ein nur wenige Zentimeter hoher Luftspalt einer Dachkonstruktion eher skeptisch zu sehen. Die Erfahrung lehrt, besser ohne Hinterlüftung zu planen als mit einer, die nicht funktioniert.
Regel 6:
Geprüfte Luftdichtheit
Luftdichtungsebenen müssen immer durch eine Prüfung der umgebenden baulichen Hülle mit geeigneten Geräten (Blower-Door-Test) auf Druck und Unterdruckbelastung geprüft und das Ergebnis dokumentiert werden. Eine visuelle Prüfung ist nicht möglich, da Leckagen mit bloßem Auge in der Regel nicht erkennbar sind. Eine intakte Luftdichtheitsschicht ist wichtig und nicht zu unterschätzen, da bereits in kurzer Zeit durch Konvektion mehrere Liter Wasser in die Konstruktion gelangen können.
Regel 7:
Einbau von nachgewiesen trockenem Holz und anderen Baustoffen, optimiert durch industrielle Vorfertigung der Elemente
Holz hat eine große innere Oberfläche und kann viel Wasser speichern. Da dieses Wasser sensorisch (durch Fühlen) nicht wahrnehmbar ist, sollte man den Feuchtegehalt unbedingt messtechnisch auch tief im Balken bestimmen. Aufgrund des hohen Speichervermögens von Holz können andernfalls schnell erhebliche Mengen Wasser ins Gebäude beziehungsweise die Dachkonstruktion gelangen, die unter der Abdichtung kondensieren und das Bauteil durchfeuchten können. Gleiches gilt auch für Dämmstoffe, die bei Transport und Lagerung feucht geworden sind.
Tücken der Nachweis-Verfahren
Erfordert die Planung ein Abweichen von einer oder mehrerer dieser Regeln, muss die Konstruktion bauphysikalisch nachgewiesen werden. Ein Nachweis nach dem Glaser-Verfahren ist aber nur für nicht reflektierende, unverschattete Flachdächer ohne Deckschicht möglich. Bei der Berechnung sollte eine Trocknungsreserve von 250 g/m² ermittelt werden. Demnach können nur noch einfache Flachdächer nach Glaser nachgewiesen werden, denn der Laufbelag einer Terrasse gilt als Verschattung oder Deckschicht. Auch helle, eben reflektierende Dachflächen, wie sie zur Reduzierung der sommerlichen Wärme verwendet werden, verbietet der Nachweis nach Glaser. Besonders kritisch muss die Forderung nach „unverschattet“ in Bezug auf das Wachstum von Bäumen gesehen werden. Sie können erst Jahre später das Dach verschatten.
Auch eine Solaranlage oder andere Aufbauten, die der Bauherr nachträglich ohne Rücksprache mit dem Architekten installieren lässt, können eine ursprünglich nachweisfreie Konstruktion in ein kompliziertes und schadensanfälliges Bauteil verwandeln. Alternativ zum Glaser-Verfahren kann eine hygrothermische Simulation nach EN 15026 durchgeführt werden. Diese Berechnungsmethode ermöglicht die Darstellung der Feuchteentwicklung in der Konstruktion. Allerdings rechnen die Modelle mit ungünstigen Parametern, so dass einerseits Sicherheiten bestehen, andererseits beim Nachweis von vorhandenen Konstruktionen der reale Zustand nicht so dramatisch ist, wie er in der Berechnung erscheint. Ich empfehle aber dringend, im Rahmen der Planung von den Ergebnissen und den daraus abgeleiteten Vorgaben nicht abzuweichen. Die DIN 68800-2 gibt im Anhang A, Bild A.23, eine Konstruktion für kleinflächige Dachterrassen und Balkone vor, die Planer häufig zu gefährlichen Experimenten verführt. Wer die hier dargestellten Vorgaben nicht exakt befolgt, wird unweigerlich Schäden erzeugen.
Dipl.-Ing. (FH) Bernhard Kopff ist Architekt und Sachverständiger für Schäden an Gebäuden (HTWG) und Holzschutz (EIPOS)
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