Alexander Müller
Die Mindestanforderungen an den Schallschutz im Hochbau regelt als Technische Baubestimmung der Bundesländer die DIN 4109. Dabei müssen diese öffentlich-rechtlichen Mindestanforderungen nicht die zivilrechtlichen Anforderungen wiedergeben. Denn die behördlichen Maßstäbe sind in der Regel nicht als Richtlinien dafür heranzuziehen, was zivilrechtlich eine allgemein anerkannte Regel der Technik darstellt. Das entspricht inzwischen auch der gängigen Rechtsprechung.
Wie hoch die Mindestanforderungen an den Schallschutz speziell in Treppenhäusern sind, ist in Tabelle 3 der DIN 4109 festgelegt. Nachfolgend wird auf einige Besonderheiten dieser Tabelle hingewiesen. Die Anforderung an die Trittschalldämmung gilt für Trittschallübertragungen in fremde Wohn- oder Arbeitsräume. Die Ausbreitungsrichtung, ob waagerecht, schräg oder senkrecht, spielt dabei keine Rolle. Im Regelfall dürfen weichfedernde Bodenbeläge (zum Beispiel Teppichböden) wegen der möglichen Austauschbarkeit beim Schallschutznachweis nicht angerechnet werden. Das gilt nach Tabelle 3 der DIN 4109 nicht für Treppenläufe und -podeste, dafür aber für Decken unter Hausfluren (ein Hausflur ist ein Vorraum vor einer Wohnung). Außerdem besteht an Treppenläufe in Gebäuden mit Aufzug keine Mindestanforderung. Häufig stellt man aber fest, dass Treppen auch in Gebäuden mit Aufzug relativ oft begangen werden. Schon deswegen ist es aus zivilrechtlicher Sicht erforderlich, die Treppenläufe elastisch zu lagern und so eine Trittschalldämmung zu planen und einzubauen.
Schalltechnische Eignung der Tür
Bei Türen gelten die Anforderungen für die Luftschalldämmung bei alleiniger Schallübertragung über die Tür. Es wird daher nicht ein erf. R’w, sondern ein Rw gefordert. Der Strich kennzeichnet die Schallübertragung über flankierende Bauteile, wie beispielsweise über Decken sowie Außen- und Innenwände. Das geforderte Schalldämm-Maß Rw (dB) ist der Wert im eingebauten und funktionsfertigen Zustand der Tür. Der Prüfstandswert Rw,P (dB) der Tür muss 5 dB größer sein, also Rw,P = Rw + 5 dB. In einer Ausschreibung sollten beide Werte gefordert werden. Auch das Prüfzeugnis der Tür über deren schalltechnische Eignung sollte in der Ausschreibung mit abgefordert werden. Bei der Auswahl der Wohnungseingangstür ist außerdem darauf zu achten, ob diese direkt in einen Aufenthaltsraum führt oder in einen Flur. Im ersten Fall, also direkt in einen Aufenthaltsraum, ist für die Tür im eingebauten und funktionsfertigen Zustand ein Schalldämm-Maß von Rw ≥ 37 dB (Prüfstandswert Rw,p = 42 dB) zu fordern und im zweiten Fall, also in einen Flur, Rw ≥ 27 dB (Prüfstandswert Rw,p = 32 dB).
Das Gebäude bestimmt das Niveau
Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 14.05.1998 (Az.: VII ZR 184/97) festgestellt, dass der Besteller eines Werkes zum Zeitpunkt der Abnahme denjenigen Schallschutz erwarten kann, den auch vergleichbare andere Bauwerke erfüllen und der bei mangelfreier Ausführung erreichbar ist. Entscheidend ist also nicht die Mindestanforderung, sondern die gewählte Baukonstruktion.
Dazu ein Beispiel: Für ein mit der Treppenhauswand fest verbundenes, 18 Zentimeter starkes Stahlbeton-Treppenpodest mit folgendem Aufbau: schwimmender Zementestrich, zwei Zentimeter Trittschalldämmung mit einer dynamischen Steifigkeit von s’ = 30 MN/m³, Zementestrich vier Zentimeter dick, erwartet man nach Beiblatt 1 der DIN 4109 einen Norm-Trittschallpegel von L’n,w = 40 dB, also einen Wert, der deutlich unterhalb der Mindestanforderung nach DIN 4109 von erf. L’n,w ≤ 58 dB liegt. Es ist also in dem gewählten Beispiel nicht die Mindestanforderung nach DIN 4109 von L’n,w ≤ 58 dB geschuldet, sondern der mit der Konstruktion erreichbare Wert von L’n,w = 40 dB. Welcher Wert mit anderen Konstruktionen zu erwarten ist, muss jeweils im Einzelfall geprüft werden.
Um beim Schallschutz auf der sicheren Seite zu sein, sollten grundsätzlich alle Details im Treppenhaus planerisch erfasst werden.
Dazu gehören:
- Übergangspunkte zwischen vertikalen und horizontalen Bauteilen, wie der Anschluss Estrich an Treppenhauswand
- Planung der Rohbaufuge und Übernahme der Rohbaufuge im Estrich und im Oberbelag
- Detail der elastischen Auflagerpunkte von Treppenläufen mit Auslegung der Lagerung, insbesondere auch bei leichten Treppenkonstruktionen
- Details der Schwelle mit vertikalen sowie horizontalen Anschlusspunkten
Eine genaue Detailplanung mit Angaben über einzusetzende Produkte hilft nicht nur dem Bauleiter und dem ausführenden Handwerker vor Ort, sondern senkt auch das Haftungsrisiko des Planers.
Dipl.-Ing. (FH) Alexander Müller ist Mitarbeiter im Ingenieurbüro Steger & Piening GmbH in München sowie Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Hildesheim, Fakultät Bauwesen.
Produktbeispiel: Bauteiltrennung Treppenlauf
Elastisches Lager eines Fertigteil-Treppenlaufes beziehungsweise eines Ortbeton-Treppenlaufes (Produktbeispiel der Calenberg Ingenieure GmbH). Die oberen und unteren Auflagerpunkte des Treppenlaufes sollten im Detail gezeichnet werden. Insbesondere sollte die Größe des Lagers in Abhängigkeit vom Gewicht des Treppenlaufes ausgelegt werden, um eine möglichst hohe Trittschallminderung zu erreichen.
Anschluss Treppenlauf an Podest und Anschluss, schwimmender Estrich an Treppenhauswand
Das linke Bild zeigt den Schnitt durch das Auflager eines Treppenlaufes. Zu erkennen ist die im Estrich und im Oberbelag aufgenommene Rohbaufuge. Damit ist die schalltechnische Trennung zwischen dem Treppenlauf und dem Treppenpodest gewährleistet. Das rechte Bild zeigt den Anschluss des schwimmenden Estrichs an die Treppenhauswand.
Übergangsbereich Treppenpodest – Wohnungseingang
Vertikalschnitt durch eine Schwelle, wie sie von C. Ruhe in der Bauschäden-Sammlung Band 10, IRB Verlag, 2000, vorgeschlagen wurde. Die Schwelle wird als Verbundestrich ausgeführt. Dadurch kann der schwimmende Estrich beidseitig mit einer geraden Fuge angeschlossen werden.
Beim Schallschutz Ruhe haben – Checklisten
- Werte an die Luft- und Trittschalldämmung unter Berücksichtigung der Baukonstruktionen und des Qualitäts-Komfortanspruchs des Gebäudes definieren. Empfehlung: Neben den Werten für den Schallschutz zwischen fremden Wohn- oder Arbeitsbereichen auch die Werte für den eigenen Wohn- oder Arbeitsbereich definieren. Das verhindert später Enttäuschungen.
- Erforderliche Trittschallverbesserungsmaße schwimmender Fußbodenaufbauten planen.
- Die Details planen.
- Höhentoleranzen berücksichtigen.
- Neubau: Prüfung der Grundrissplanung nach schalltechnischen Kriterien (falsch: lautes Treppenhaus grenzt an Schlafräume); falls nicht veränderbar, dann höhere Luft- und Trittschallschutzwerte festlegen.
- Sanierung: Sind Podeste und Treppenläufe schalltechnisch ertüchtigt, zum Beispiel mit schwimmendem Estrich oder elastischer Lagerung?
- Sind die Treppenhauswände richtig dimensioniert?
- Entsprechen die gewählten Wohnungseingangstüren den Anforderungen?
Ausschreibung
- Bei schwimmenden Estrichen die Estrichdicken und die Dicke der Trittschalldämmung festlegen.
- Dynamische Steifigkeit s’ [MN/m³] der Trittschalldämmung angeben.
- Bei elastischen Lagern: Das erforderliche Trittschallverbesserungsmaß ΔLw [dB] angeben, Prüfzeugnis über die schalltechnische Eignung des Lagers einfordern.
- Bei leichten Treppenkonstruktionen wie Holztreppen: Anforderung an Trittschalldämmung ausschreiben, Prüfzeugnis über schalltechnische Eignung einfordern. Falls nicht vorhanden, dann Güteprüfungen des Trittschalls an ausgeführten Bauten einfordern (Schallschutzprüfstellen: www.vmpa.de).
- Sind die erforderliche Rohdichte der Treppenhauswände und die Putzdicken angegeben?
- Sind die Wohnungseingangstüren mit den Schalldämm-Maßen im eingebauten und funktionsfertigen Zustand Rw [dB] und im Prüfstand Rw,P [dB] ausgeschrieben? Prüfzeugnis über die schalltechnische Eignung einfordern.
Ausführung
- Wird schallbrückenfrei gearbeitet?
- Gegebenenfalls können Schallmessungen am Bau zur Qualitätsüberwachung durchgeführt werden.
Abnahme
- Sind ausgeschriebene Höhen vorhanden?
- Ist das ausgeschriebene Lager vorhanden beziehungsweise die ausgeschriebene Trittschalldämmschicht? (Ü-Zeichen der Produkte aufbewahren, gegebenenfalls Fotodokumentation.)
- Sind die geplanten Trennfugen vorhanden? Ist die Rohbaufuge in den Estrich und den Oberbelag übernommen?
- Bei vermuteten Mängeln: Schallmessungen durchführen.
Aktuelles BGH-Urteil
Der BGH hat sich mit der Frage befasst, welcher Schallschutz bei Doppelhäusern geschuldet ist. Das Gericht stellt erneut fest, dass der geschuldete Schallschutz durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln ist. Weiter heißt es: „Wird ein üblicher Qualitäts- und Komfortanspruch geschuldet, muss sich das einzuhaltende Schalldämm-Maß an dieser Vereinbarung orientieren. Die Schalldämm-Maße der DIN 4109 können schon deshalb nicht herangezogen werden, weil sie lediglich Mindestanforderungen zur Vermeidung unzumutbarer Belästigungen regeln. Anhaltspunkte können aus den Regelwerken die Schallschutzstufen II und III der VDI-Richtlinie 4100 aus dem Jahr 1994 (mittlerweile liegt die Fassung vom August 2007 vor) oder das Beiblatt 2 zu DIN 4109 liefern.“ Weiter heißt es: „Können durch die vereinbarte Bauweise bei einwandfreier, den anerkannten Regeln der Technik entsprechender Bauausführung höhere Schallschutzwerte erreicht werden, als sie sich aus den Anforderungen der DIN 4109 ergeben, sind diese Werte unabhängig davon geschuldet, welche Bedeutung den Schalldämm-Maßen der DIN 4109 sonst zukommt.“
An anderer Stelle heißt es: „Maßgebend sind die im Vertrag zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen von der Qualität des Schallschutzes, also der Beeinträchtigung durch Geräusche.“ Ferner führt das Gericht aus, dass es verfehlt sei, die „in der DIN 4109 formulierten Schallschutzanforderungen, sei es für einen Mindeststandard, sei es für einen erhöhten Schallschutz, unabhängig von den zur Verfügung stehenden Bauweisen als anerkannte Regel der Technik zu bewerten. Der Senat hat wiederholt darauf hingewiesen, dass DIN-Normen keine Rechtsnormen sind, sondern nur private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben.“
Der BGH führt damit sehr deutlich aus, dass es nicht primär auf die Mindestanforderungen nach DIN 4109 ankommt, sondern es kommt auf die vereinbarte Baukonstruktion an und welcher Schallschutz mit dieser Baukonstruktion erreicht werden kann. Weiter befasste sich der BGH mit dem Beiblatt 2 der DIN 4109. Oftmals wird aus dem Beiblatt 2 der DIN 4109, Ziffer 3.1 zitiert, und zwar, dass die Empfehlungen aus diesem Beiblatt ausdrücklich zwischen dem Bauherrn und dem Entwurfsverfasser vereinbart werden müssen. Hierzu hat der BGH klargestellt, dass diese Formulierung ohne vertragliche Bedeutung und irreführend ist, denn „diese Formulierung suggeriert eine vertragsrechtliche Bedeutung des Beiblatts 2 zu DIN 4109, die sie nicht hat“.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.6.2007 (Az.: VII ZR 45/06)