Dieser Beitrag ist (ohne die Beispiele 2 und 5) unter dem Titel „Eintreten, bitte!“ im Deutschen Architektenblatt 03.2024 erschienen.
- Beispiel 1: Musée National de la Marine in Paris
- Beispiel 2: Aberdeen Art Gallery
- Beispiel 3: KörberHaus in Hamburg
- Beispiel 4: „Clipper Boardinghouse“ in Hamburg
- Beispiel 5: Hotel „Palazzo Tirso“ in Cagliari
- Beispiel 6: Dentalklinik „Mood“ in Maia
- Beispiel 7: Weldon Library in London, Kanada
Von Andrea Mende
Eingangsbereiche vermitteln den ersten Eindruck vom Inneren eines Gebäudes. Zugleich besitzen sie einen repräsentativen Charakter. Das Licht übernimmt dabei wichtige Aufgaben, auf funktionaler und emotionaler Ebene. Mit der Beleuchtung lässt sich die Corporate Identity im Einklang mit der Architektur gestalterisch umsetzen.
Die Beleuchtung sollte selbstverständlich alle funktionalen Aufgaben normgerecht erfüllen und hohen Sehkomfort bieten. Vor allem sollte sie aber die Aufenthaltsqualität steigern und dafür sorgen, dass ein Gebäude und seine Innenräume in Erinnerung bleiben.
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Beispiel 1: Musée National de la Marine in Paris
Wie Besucher auf spektakuläre Weise empfangen werden können, beweist das Schifffahrtsmuseum Musée National de la Marine in Paris. Nach sechsjähriger Renovierung feierte es Ende 2023 Wiedereröffnung. Die Modernisierung des denkmalgeschützten Gebäudes von 1878 übernahmen h2o architectes aus Frankreich und das Architekturbüro Snøhetta aus Norwegen. Die Planer vereinten die historische mit der zeitgenössischen Architektur: Die Struktur ist geprägt von organischen Formen, die den Bezug zum Element Wasser herstellen.
Lichtbänder und Lichtröhren
So entstand eine fließende Verbindung innerhalb der Räume. Die Eingangshalle, bezeichnet als Galerie Davioud, besitzt ein Glasdach. Um die Ausstellungsstücke zu schützen, gibt es nur dort Tageslicht. Das Lichtplanungsbüro Agence ON aus Paris entwickelte das Lichtkonzept und rahmte die Glasfläche mit Lichtbändern ein, als funktionale und allgemeine Beleuchtung.
Bevor die Besucher in die Galerie Davioud gelangen, betreten sie Flächen mit schwarzen Decken und abgependelten Lichtröhren. Sie liefern das Allgemeinlicht, die Ausstellungs- und Sicherheitsbeleuchtung. Das Design soll den Eindruck von schimmernden Lichtpunkten im Wasser vermitteln.
Beleuchtung mit verschiedenen Szene
Die Beleuchtung kann über DMX-RDM gesteuert werden und bietet Szenen, um das Schimmern sanft und dynamisch zu visualisieren. Darüber hinaus wird das Museum über DALI gesteuert, um das Licht entsprechend den Öffnungszeiten, den Ausstellungen sowie den Schließungs- und Wartungsplänen anzupassen. Die Farbtemperatur liegt bei 3000 Kelvin.
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Beispiel 2: Aberdeen Art Gallery
Historische Architektur erfordert besonderes Feingefühl bei der Lichtgestaltung. Unter der Leitung von Hoskins Architects aus Glasgow (GB) wurde die Aberdeen Art Gallery in Schottland nach vierjähriger Renovierung Ende 2019 wiedereröffnet.
Das Lichtplanungsbüro Speirs Major Light Architecture (SMLA) war für die Neugestaltung der gesamten Beleuchtung in dem denkmalgeschützten Gebäude verantwortlich. Die ursprüngliche Treppe in der Eingangshalle wurde im Rahmen der Modernisierung entfernt, um das Foyer zu öffnen und den Zugang zu vereinfachen.
Tageslicht maximiert und imitiert
Nun gelangen die Besucher in den Sculpture Court, einen Atriumraum, der von Bögen und Granitsäulen geprägt ist. Sie werden durch weiche Uplights hervorgehoben. Durch die Verglasung des neuen Anbaus darüber wird das Tageslicht maximiert. Ein Aufzug und eine neue Treppe mit LED-Handlauf führen vom Skulpturenhof in die oberen Stockwerke.
Im Sculpture Court, in der Galerie und den Veranstaltungsräumen hat SMLA die künstliche Beleuchtung sorgfältig integriert, um die Architektur zu betonen und eine Umgebung zu schaffen, um die Kunst genießen zu können.
Die Beleuchtung funktioniert über ein Lichtsteuerungssystem. In den oberen Stockwerken sorgt es dafür, Muster des natürlichen Tageslichts nachzubilden. Für den Nebeneingang über die Remembrance Hall (Gedenkhalle) entwarf SMLA eine maßgefertigte Pendelleuchte mit einem Durchmesser von 5,5 Metern.
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Beispiel 3: KörberHaus in Hamburg-Bergedorf
Ein treffendes Beispiel, wie ein Lichtkonzept die Idee eines Gebäudes widerspiegelt, ist das KörberHaus in Hamburg. Als Ort der Begegnung steht das Kulturzentrum für ein gleichberechtigtes Miteinander. Es wurde durch das Bezirksamt Hamburg-Bergedorf und die Körber-Stiftung gegründet und Ende 2022 eröffnet. Den Wettbewerb gewann das Architekturbüro MGF Architekten aus Stuttgart, die Lichtplanung übernahm team licht aus Hamburg. Der Bau umfasst das Lichtwarktheater, eine Bücherhalle, ein Café, ein Veranstaltungsforum und weitere Räume.
Das lichtdurchflutete Atrium schafft dabei die Verbindung zu allen Bereichen. Die Grundsätze der Begegnung und des Austauschs präsentieren sich in Form eines grafischen Systems, das sich durch die gesamte Architektur des Gebäudes zieht. Dank der Fassadenkonstruktion aus Kupferlamellen gelangt viel Tageslicht nach innen.
Pendelleuchten und entblendete Einbaustrahler
Im Atrium bilden lineare Pendelleuchten ein eindrucksvolles Mobile, das sich über die Etagen erstreckt. Sie schweben unregelmäßig angeordnet im Raum, einzelne Lichtpunkte bilden, als Gruppe in einer Leuchte verbunden, den Grundsatz des Zusammenhalts ab. Entblendete Einbaustrahler sind ebenfalls in einem unregelmäßigen Leuchtengrid angeordnet und greifen die Formensprache des grafischen Systems auf. Die wandnahen Strahler betonen die vertikalen Flächen und vermitteln so einen Eindruck von Weite. Für jede Etage lassen sich je nach Tageszeit oder Veranstaltung vorprogrammierte Lichtszenen über eine DALI-Steuerung auswählen.
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Beispiel 4: Clipper Boardinghouse in Hamburg
Welche gestalterischen Möglichkeiten der Umgang mit Licht bietet, veranschaulicht die Installation für das Clipper Boardinghouse an der St.-Michaelis-Kirche in Hamburg. Im Zuge der Sanierung 2022 wurde das Foyer des Hotels neu gegliedert. Das Hamburger Büro Kunst + Herbert leitete die Umbaumaßnahmen. Die Planer verlegten den Eingang an die Seite, Treppenhaus und Fahrstuhl wurden von der Empfangshalle getrennt.
Das Lichtplanungsbüro Andres + Partner erhielt den Auftrag, eine stimmungsvolle Beleuchtung für das Foyer, die nahen Flure und das Treppenhaus zu entwerfen. Das Foyer ist geprägt durch seine verglaste Fassade und wird tagsüber von natürlichem Licht erfüllt. Für diesen Bereich sollte eine Lichtskulptur entstehen, die bei Tag und Nacht die Blicke auf sich zieht. Grundlage des Lichtkonzeptes bildete eine Analyse der Reflexionseigenschaften der Fassadenverglasung.
Lichtskulptur, die auch bei Tageslicht wirkt
Es wurden die Leuchtdichten berechnet, die durch die Lichtinstallation erzeugt werden mussten, um trotz verspiegelter Fassade die hohen Himmelsleuchtdichten zu durchbrechen und so tagsüber den Einblick ins Foyer zu gestatten. Andres + Partner fertigten vorab ein 3D-Modell an und legten die Längen der 144 Pendelleuchten virtuell fest.
Bei der Montage wurden alle Leuchten in ihrer individuellen Pendellänge installiert. Vertikal angeordnete, längliche Wandleuchten nehmen das lineare Design wieder auf und runden den Gesamteindruck ab.
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Beispiel 5: Hotel „Palazzo Tirso“ in Cagliari
Im 5-Sterne-Hotel „Palazzo Tirso Mgallery“ im sardischen Cagliari folgt das Licht der Architektur und passt sich auf subtile Weise dem Design an. Das frühere Bürohaus eröffnete im Frühling 2023 als Hotel, dessen Innenraumgestaltung das Studio Marco Piva übernahm. Die Planer wollten den historischen Wert des Hauses bewahren und in Einklang mit allen Neuerungen bringen.
Materialien aus der Region und von der Umgebung inspirierte Farben bestimmen das edle Ambiente, vieles wurde nach Maß gefertigt. Im Erdgeschoss befinden sich neben dem Empfang eine Bar, ein Restaurant und weitere Räume.
LED-Lichtbänder und Einbaustrahler
Das Licht in dem 85-Zimmer-Haus sollte einfach und intuitiv sein und visuellen Komfort bieten: alle LED-Lichtlösungen halten sich dabei optisch zurück und orientieren sich an der Funktion der Räume. Erdgeschoss und Gemeinschaftsräume sind geprägt durch dynamische Lichtbänder.
Die Allgemeinbeleuchtung übernehmen Einbaustrahler. Über eine Lichtsteuerung wurden Zonen definiert, die sich separat dimmen und verwalten lassen. Mit dem Einsatz moderner LED-Technologie wurde eine Lösung gefunden, die Energie und Kosten einspart.
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Beispiel 6: Dentalklinik „Mood“ in Maia
Vor allem im medizinischen Umfeld sollten sich Patienten bereits beim Ankommen wohlfühlen. Das ist in der neuen Dentalklinik „Mood Medicina Dentária“ im portugiesischen Maia absolut gelungen. Sie bietet Platz für zwei Zahnarztpraxen. Die öffentlichen Bereiche wie Empfang und Wartezone sind zur Fensterfront angeordnet, technische und weitere Räume liegen im Innenbereich. Das Architekturbüro Tsou Arquitectos aus Porto realisierte das Projekt.
Lichtszenen je nach Tageszeit
Besonderes Augenmerk legten die Planer auf den Empfang und die Beleuchtung. Sie schufen ein ausgewogenes Umgebungslicht und ergänzten es mit direktem Licht und weichem Stimmungslicht. Die Farbtemperaturen liegen bei warmweißen 2700 bis 3000 Kelvin, was mit dem biophilen Design in hellen, natürlichen Farben angenehm harmoniert.
Über eine Lichtsteuerung lassen sich drei Lichtszenen auswählen: Eine Stand-by-Szene leuchtet über Nacht, da die Fassade zur Straße hin geöffnet ist. Die im hinteren Bereich des Tresens integrierte Beleuchtung ist dann aktiv. Die Morgen- und Tagesszene bezieht das direkte Licht über den Arbeitsstationen mit ein. In der Nachmittagsszene kommt das Deckeneinbaulicht zum Einsatz, das als Lichtlinie dem Deckenverlauf folgt.
Flexible, matte LED-Streifen
Alle Lichtquellen bestehen aus flexiblen, matten LED-Streifen, die ein einheitliches Lichtgefühl vermitteln. Die direkte Beleuchtung ist in die Decke integriert, um harte Schatten zu vermeiden.
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Beispiel 7: Weldon Library in London, Kanada
Eine funktionale und zugleich gestalterisch raumbildende Funktion hat die Beleuchtung in der 1967 erbauten D.B. Weldon Library übernommen. Sie dient seit mehr als 50 Jahren als Bibliothek der Western University im kanadischen London (Ontario). Die Renovierung des brutalistischen Gebäudes wurde ausgeführt durch das Studio Perkins & Will aus Toronto in Zusammenarbeit mit Cornerstone Architecture aus London, Ontario.
Der alten Gebäudestruktur fehlte es an Tageslicht und Räumen für modernes Lernen. Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion bildeten die Basis der geplanten Umgestaltung mit dem Fokus darauf, die ursprüngliche Architektur zu würdigen und nutzerfreundliche Lernumgebungen zu schaffen. Gleichzeitig sollten der Betrieb und die Gebäudeleistung verbessert werden.
Dimmbare Kugelleuchten und mehr Tageslicht
Um einen hellen, freundlichen Lernbereich zu gewinnen, wurde die Eingangshalle mit dem zuvor abgetrennten Zwischengeschoss wieder verbunden. So entstand ein großzügiges Lernzentrum mit einer Infotheke als zentrale Anlaufstelle. Mehr Tageslicht kommt nun durch Fenster und Oberlichter in den Innenraum. Die abgependelten Kugelleuchten sorgen für die Allgemeinbeleuchtung. Sie sind dimmbar, die Farbtemperatur liegt bei 3500 Kelvin.
Ihre Anordnung folgt der original erhaltenen Betondecke. Mit der neuen LED-Beleuchtung und mehr Tageslichteintrag wurde ein wichtiges Nachhaltigkeitsziel erreicht, eine zweite Renovierungsphase für weitere Bereiche der Bibliothek ist geplant. Das Projekt erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Preis IIDA Global Excellence Award Winner 2023.
Andrea Mende ist Dipl.-Ing. (FH) Innenarchitektur und hat sich als freie Journalistin auf die Fachgebiete Licht, Design und Architektur spezialisiert
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