Metallgewebe sind ein ökologisch effizientes, vielseitig einsetzbares Fassadenmaterial. Ihren hohen Preis sind sie bei umsichtiger Planung und fachgerechter Verarbeitung allemal wert
Kiwi, Lago, Atlantic, Fly und Amazonas: Wer mit diesen Begriffen sommerliche Leichtigkeit verbindet, liegt selbst bei modernen Fassadenmaterialien nicht ganz falsch, denn die exotischen Namen stehen für leichte, flexible, ökologische und langlebige Metallgewebe. Sie eignen sich für offene Tragwerke, wie bei Stadien und Parkhäusern, sowie als Sonnenschutz vor Verglasungen oder als eigenständige Medienfassade. Ein Bauwerk, dessen Fassade mit Metallgewebe bekleidet ist, wirkt edel und elegant. Das spricht vor allem Bauherren an, die nicht zuallererst aufs Geld schauen, sondern ihrem Gebäude einen besonderen Ausdruck verleihen wollen oder sogar eine Zertifizierung nach LEED oder DGNB anstreben.
Metallgewebe verändern im Laufe des Tages ihr Erscheinungsbild. Im Licht der Sonne reflektiert das Gewebe seine Umgebung. Wenn es dagegen nicht direkt angestrahlt wird, ist es je nach Gewebeart mehr oder weniger transluzent. So schimmert bei Dunkelheit entweder das Innenleben nach außen oder die Fassade leuchtet farbenfroh in den Nachthimmel – dank integrierter LED-Zeilen oder einer separaten Hinterleuchtung. Darüber hinaus hat der Edelstahl, aus dem die meisten Produkte gefertigt sind, einen positiven Einfluss auf die Ökobilanz des Bauwerks insgesamt. Denn das wartungsfreie, wenig pflegeintensive Material kann vollständig und ohne Qualitätsverlust recycelt werden und senkt aufgrund seiner Luft- und Lichtdurchlässigkeit die Kosten für Beleuchtung und Belüftung des Gebäudes.
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Vielfältig in Art und Verwendung
Um den zum Teil ausgefallenen Wünschen der Kunden nachzukommen, entwickeln die Unternehmen immer neue Varianten, so dass die Produktpalette mittlerweile sehr groß ist. Zu den herkömmlichen, unterschiedlich dichten Geweben aus Metallseilen und/oder -drähten gesellen sich Varianten mit eingewebten Bambusstäben oder Kristallen, Gewebe mit gestrahlten, geätzten oder gedruckten Motiven, wie Logos, sowie animierte Medienfassaden. Neben Edelstahl, der sich zudem lackieren und beschichten lässt, verarbeiten die Hersteller auch Messing, Aluminium und Bronze.
Angesichts dieser Vielfalt mag es verwundern, dass Metallgewebe in der Architektur noch nicht lange verwendet werden, sieht man von kleineren Details, wie Heizkörperverkleidungen aus Aluminium, ab. Erstmals kam das Material in den 1990er-Jahren bei der Bibliothèque nationale de France von Dominique Perrault zum Einsatz. Gleich 30.000 Quadratmeter wurden innen und außen, vertikal, schräg und horizontal verbaut. Nach der Eröffnung der Bibliothek 1996 folgten weitere Projekte von Perrault, wie die Rad- und Schwimmsporthalle in Berlin, 1998 das Stade de France in Paris von Michel Macary und anderen sowie 1999 die Fassade des Parkhauses am Flughafen Köln/Bonn von Helmut Jahn.
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Haus für Musik und Musiktheater der Kunstuniversität Graz: Abends inszenieren LEDs die schützende Gewebehülle als Komposition aus Tranparenz und Farbenspiel. Architekten: UNStudio/Ben van Berkel
Gerade bei Parkhäusern kann Metallgewebe viele seiner Vorteile zur Geltung bringen. Es schützt vor Schlagregen, dient als Absturzsicherung, ist nicht brennbar und lässt nur einen Teil des Sonnenlichts ins Innere strömen. Die reflektierenden Eigenschaften des Materials sorgen zugleich dafür, dass sich der Innenraum nicht so stark aufheizt – das spart Energie bei der Klimatisierung. Von Vorteil ist Metallgewebe auch aus ganz anderen Gründen: Graffitisprayer finden hier nur wenig Angriffsfläche; und dank seiner physikalischen Qualitäten bietet es sogar Schutz bei Bombendetonationen. Trotzdem gewährt es einen freien Blick nach außen, alles wirkt luftig und leicht. Analog zu einer Hecke in der freien Natur mindert das Metallgewebe auch die Zugigkeit. Das liegt daran, dass sich turbulente Luft beim Durchströmen des Gewebes in laminare, also in gleichmäßig schichtweise gleitende Luftströme verwandelt. Hinzu kommt, dass dieses Material einer vergleichsweise hohen Windlast standhält – gemessen an seinem geringen Eigengewicht, das etwa zwischen zwei und 15 Kilogramm pro Quadratmeter liegt. Mit einer geeigneten Unterkonstruktion trotzt es sogar einem Hurrikan, also einer Windgeschwindigkeit von 235 Stundenkilometern.
Präzise Vorfertigung
Genau diese Unterkonstruktion und die Befestigungen spielen beim Planen und Bauen mit Metallgewebe eine wichtige Rolle. Denn bei der Verwendung an der Fassade wird das Gewebe immer vorgespannt – ansonsten könnte es bei Wind zu schlingern beginnen und die dahinter liegende Fassade beschädigen. Die Kräfte aus der Vorspannung werden über die Gewebebefestigung und die Unterkonstruktion ins Gebäude abgeleitet. Sie müssen also bereits bei der Planung berücksichtigt werden. Bei den Befestigungsmöglichkeiten hat der Planer die Wahl. Sie reichen von Rundstangen mit Augenschrauben über Klemmprofile und Schlaufen bis hin zu Rahmen. Bei der letzten Variante wird das Gewebe aufgrund des Rahmens zu einer steifen Platte. Daraus ergeben sich für die maximale Größe relativ enge Grenzen, denn die fertigen Teile müssen vom Hersteller auf die Baustelle transportiert werden. In allen anderen Fällen geben lediglich die Webstühle und teilweise die Gewebeart die maximale Breite vor, die – je nach Hersteller – immerhin 8.000 Millimeter beträgt. Die Länge ist quasi unbegrenzt. So lassen sich auch große Gebäude homogen oder mit nur wenigen Stößen bekleiden. Sie müssen wie auch die Größe der einzelnen Elemente präzise geplant sein, denn jedes Bauteil wird bereits im Werk genau geschnitten und konfektioniert. Nachträglich lässt sich die Größe nicht mehr anpassen, da wie bei allen anderen textilen Werkstoffen die Ränder sonst ausfransen würden. Hinsichtlich der Fassadenform ist der Planer in seiner Entscheidung frei, denn das richtige Metallgewebe passt sich eindimensionalen wie plastischen Gebäudehüllen gleichermaßen gut an.
Simone Hübener ist Fachjournalistin für Architektur und Bauen in Stuttgart.
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