Von Marion Goldmann
Es ist ärgerlich, wenn am Arbeitsplatz während des Telefonierens plötzlich lautstark der Sonnenschutz schließt und das Licht angeht. Und wenn es andererseits unmöglich ist, das Fenster nach eigenen Wünschen zu öffnen. Nicht einmal die Forscher und Entwickler moderner Gebäudetechnik mögen es, wenn ihnen diese Technik in den Arbeitsalltag hineinregiert. Diese Erfahrung hat auch das ift Rosenheim bei seinem eigenen Bauvorhaben gemacht: Das Gebäude wurde saniert und um einen Neubau erweitert. Die Fassade erhielt Photovoltaik, modernste Fenstertechnik zwecks aktiver Energiegewinnung sowie professionellen Sonnen- und Blendschutz. Jürgen Benitz-Wildenburg vom ift: „Auch wir haben zuerst versucht, eine automatische Steuerung zu etablieren, die nach energetischen Gesichtspunkten geregelt war.“ Die Mitarbeiter waren in die Planung einbezogen — doch schließlich akzeptierten sie diese Bevormundung durch die Technik nicht. Die menschlichen Bedürfnisse nach Licht, Luft und Wärme waren einfach zu unterschiedlich. Die Konsequenz in Rosenheim: Nur außerhalb der Bürozeiten erfolgt die Steuerung jetzt automatisch. Tagsüber hingegen lassen sich Fenster und Sonnenschutz manuell betätigen.
Durch technische Lösungen allein lässt sich also kein Wohlbefinden im energieeffizienten Bürogebäude generieren. Vielmehr müssen Konzeptentwickler und Architekten auf der Basis ganzheitlicher Komfort- und Effizienzansätze frühzeitig festlegen, welche Bereiche zu welchem Zweck automatisch gesteuert und geregelt werden sollen und was der Nutzer selbst bestimmen kann. Den Einstieg in dieses technische Thema der Gebäudetechnik und -automation scheuen jedoch manche Architekten. Zu gern wird hier auf die Fachplaner verwiesen. Beim energieeffizienten Bauen müssen aber Architekten und die Heizungs-, Lüftungs- und Elektrotechniker eng zusammenarbeiten — also integrale Planung hautnah praktizieren. Das funktioniert am besten mit fachlich versierten und eingespielten interdisziplinären Planerteams. Solche Gebäudetechnik-Generalisten gibt es aber noch viel zu wenige. Auch sind diese hoch spezialisierten Büros meist nur in Großprojekte involviert. Bei kleineren Bauvorhaben steht Architekten derart gebündeltes Know-how nur selten zur Verfügung. Erschwert wird die Situation dadurch, dass die Fachplaner in den Phasen vom Wettbewerb bis zur Ausführung teils mehrfach wechseln – und mit ihnen das Energiekonzept.
Thomas Wilken vom Institut für Gebäude- und Solartechnik an der TU Braunschweig erklärt: „Es ist dann besonders wichtig, einzelne Konzeptbausteine der verschiedenen Phasen nicht miteinander zu vermischen.“ Dazu führt er ein theoretisches Beispiel an. Bei einem Verwaltungsbau sollten die Raumtemperaturen im Sommer 26 Grad Celsius nicht übersteigen und zur Außenluft eine Temperaturdifferenz von fünf Kelvin erreichen. Dies ist mit einer Nachlüftung über die Fenster oder einer Betonkernaktivierung mit Kühldecke erreichbar. Im fiktiven Fall wird nun zuerst die Nachlüftung gewählt; demnach würden an den Fenstern Elektromotoren montiert. In einer späteren Phase entscheidet man sich aber für die Betonkernaktivierung. Dann sind Motoren überflüssig. Werden solche Änderungen nicht konsequent verfolgt, häuft sich im Gebäude wartungsintensives technisches Equipment, das den Betrieb unnötig erschwert. Deshalb ist am Anfang zu klären, welchen Komfortanspruch das Gebäude erfüllen soll. Die Ziele und Zielgrößen zu definieren und exakt zu beschreiben, ist dabei eine Grundvoraussetzung.
Neben Heizung, Lüftung und Elektrotechnik kommt es bei Bürogebäuden besonders auch auf die Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz an. Sonnen- und Blendschutz sowie Tages- und Kunstlicht sind Themen für Architekt, Lichtplaner, Innenarchitekt und Elektroplaner. Benitz-Wildenburg plädiert dafür, auch in diesem Bereich mit eingespielten Teams zu arbeiten. Für den Sonnen- und Blendschutz empfehlen sich zur individuellen Regelung kleinflächige Steuerungseinheiten — am besten raumweise oder pro Fassadensegment. Damit das Kunstlicht fließend dem Tageslicht angepasst werden kann, sollten differenzierte Beleuchtungsstärken durch Gruppenschaltung oder Dimmerfunktion möglich sein. Zusätzlich bieten sich Tageslichtlenksysteme sowie Arbeitsplatzleuchten mit Präsenzmeldern an. Keine Frage: So eine Ausstattung ist in der Anschaffung teurer. Sie hilft aber, langfristig Energie zu sparen, und erzeugt zusätzlich einen Wohlfühleffekt beim Nutzer.
Wichtig ist aber nicht nur passende Technik, sondern auch ein Monitoring-System, das den Energieverbrauch während der Nutzung des Gebäudes überprüft. Ein solches ist bisher nur in wenigen Gebäuden installiert. Im Monitoring-System ist im Idealfall die Mess-, Steuer- und Regelungstechnik aller Anlagen der Gebäudetechnik erfasst, sodass sich Verbrauchswerte und Laufzeiten einzelner Anlagen – zum Beispiel der Lüftung – ablesen lassen. Gleichzeitig lassen sich hier Schwachstellen orten. Der Architekt sollte den Bauherrn für das Monitoring sensibilisieren und den Einbau empfehlen, da die frühzeitige Integration nicht mit nennenswerten Mehrkosten verbunden ist. Erst eine Nachrüstung wird teuer. Ein solches System bietet jedenfalls langfristig die Chance, energieeffiziente Gebäude optimal zu betreiben.
Planungshilfe
Die bereits 2008 erschienene ift-Richtlinie EL-01/1 „Elektronik in Fenstern, Türen und Fassaden“ des Instituts für Fenstertechnik richtet sich an alle, die automatisierte Bauteile in der Fassade einsetzen wollen. Die Inhalte reichen von Empfehlungen für die Ausschreibung bis hin zu Vorschlägen zur Leitungsführung in der Fassade. Der Bezug kostet 30 Euro. Link zur Richtlinie unter www.DABonline.de/tag/Fenstertechnik